CS52-2 CAUSA SECUNDA Text 52/2

CS52-2 CAUSA SECUNDA Text 52/2

Aus: Vortrag 1963

Fortsetzung von Text 52/1

II. Das zweite Gesetz, das hier in Frage kommt, setzt das erste allerdings immer voraus. Wir trennen voneinander, reißen auseinander, was an sich immer gleichzeitig vorhanden sein muß. Das ist das sogenannte Weltordnungsgesetz. (Das) will natürlich jetzt immer auf die Zweitursachen angewandt werden.

Weltordnungsgesetz, das heißt: Gott hat als der Gott der Ordnung auch eine gewisse Ordnung, eine gewisse Stufenfolge, eine gewisse Wertskala in die Schöpfung hinein gebaut. Ordnung – sehen Sie, so können wir sagen, wir kennen in der natürlichen Ebene verschiedene Ordnungen. Das ist das, was man ja sonst so häufig, auch was wir so häufig miteinander besprochen haben: Ordnung in der Seinsstufe, in der Seinsordnung. Was ist das? Ja, wir haben ein Mineralreich, wir haben ein Pflanzenreich, wir haben ein Tierreich, wir haben ein Menschenreich. Steigen wir höher empor: wir haben ein Engelreich. Jetzt müssen Sie nur schauen, wie hier das einzelne als eine gewisse Ordnung, als eine Seinsordnung gedacht ist. Ich meine, die Tatsache ist uns so geläufig, daß wir nicht länger dabei stehen zu bleiben brauchen.

Was aber für das praktische Leben von Bedeutung ist, das ist eine gewisse Gesetzmäßigkeit, die sich so formulieren läßt: Wenn die niedere Ordnung sich einer höheren Ordnung beugt, dann nimmt sie teil an deren Vollkommenheit.Und das Sichbeugen, das schließt, menschlich gesprochen, eine gewisse Opferung in sich.

Wenn Sie etwa denken an das Mineralreich, wie es verkörpert ist, sagen wir, im Menschen – was tue ich dann? Das Mineralreich, also die Schwere, die hat sich im Menschen einer höheren Ordnung gleichsam eingegliedert, untergeordnet, nimmt deswegen aber auch teil. Sehen Sie, was hat an sich das Mineralreich an Eigenschaften? Im wesentlichen nur die Schwere. Die Schwere, die ich jetzt in mir trage – Teilnahme am Mineralreich. Dadurch, daß diese Schwere hinein verarbeitet ist, sich eingeordnet, untergeordnet hat, sagen wir einmal, dem Pflanzenreich, dem Tierreich, dem Reich der Engel in mir, ist diese Schwere und soll diese Schwere durchgeistigt werden.

Dasselbe gilt, wo es sich etwa handelt um das Pflanzenreich. Welche Eigenschaft hat die Pflanze? Ja, die Pflanze, die hat das Gesetz oder kennt das Gesetz der Entfaltung, kann sich entfalten von einem Keime. Das tut der Stein nicht. Sehen Sie, dadurch, daß auch in mir das vegetative Leben lebt und sich ein- und untergeordnet hat dem sensitiven und intellektiven, nimmt halt das Pflanzenleben in mir teil an den Eigenschaften, auch an den Eigenschaften, Entwicklungsgesetzen, die dem Tierreich und dem Engelreich in mir angepaßt sind. Also, wir haben das sogenannte Weltordnungsgesetz.

So gibt es auch, wenn wir weiter emporsteigen, in der übernatürlichen Welt Ordnungen; Ordnungen, also Wertskalen, Wahrheiten, mit denen wir heute uns wohl kaum auseinandersetzen, die aber das Mittelalter recht häufig erwogen hat. (Man) spricht da von den Ordnungen der Engel, von den Ordnungen der gewöhnlichen Engel, der Erzengel usw. Es gibt also auch in der übernatürlichen Welt eine Ordnung, eine Ordnungsstufe. Auch wo es sich um die Begnadigung der Menschen handelt, auch dorten gibt es Ordnungen. Sehen Sie, ich kann emporgehoben sein in diese Höhenlage der Gnade, der Gnadenordnung, und (kann) eingegliedert sein in eine andere Gnadenordnung oder Lage der Ordnung.

Und wenn wir das jetzt wieder anwenden auf die Gottesmutter, ja, dann müssen wir sagen: Wenn wir alles zusammenfassen, was die Dogmatik uns darzustellen versteht – (die) Gottesmutter bildet gleichsam eine eigene Ordnung. Sie lebt zwar in der Gnadenordnung wie wir, ist aber so überragend ausgestattet! Wir brauchen jetzt nur einmal zu denken an all diese Wahrheiten, die die Dogmatik bisher uns herausgearbeitet hat, wie hoch steht sie dann! An sich an der Spitze der ganzen Welt, der ganzen natürlichen und der übernatürlichen Gnadenordnung. Wir denken an all das, was wir wissen von der Immakulata. Freisein von der persönlichen Sünde. Freisein von der Konkupiszenz, nicht? Was sehen wir hier? Einen begnadeten Menschen, der so außergewöhnlich über all die andern erhoben ist und erhaben ist, daß man mit Recht sagen kann, gleichsam – das ist halt jetzt wieder das „quasi“, Quasitheologie – bildet sie eine Ordnung für sich. Sie ist nicht in ihrem Sein und in ihrem Wirken unendlich – das ist nur Gott -, aber man darf sagen: Sie überragt uns alle auch in der Gnade, obwohl sie unendlich unter Gott steht, aber trotzdem, so stark überragt sie uns, daß wir tatsächlich sagen können: sie bildet eine Ordnung für sich. Ich sage: sie steht nicht unendlich über uns, aber doch endlos. Um ein Bild zu gebrauchen: Ich stehe am Ufer des Meeres und möchte hinüberschauen. Ja, von mir aus gesehen, da ist das Meer endlos weit. Das hat (zwar) eine Grenze, ist also begrenzt, aber für mich scheint es keine Grenze zu haben, (ist) endlos weit. So erhaben steht die Gottesmutter über uns und zwischen uns und dem lebendigen Gott.

Wenn wir beispielsweise von der Immakulata sprechen, dann müssen wir voraussetzen einen recht starken Strom, einen Sündenstrom. Und zwei Wesen gibt es geschaffene Wesen, die Menschenantlitz tragen wie diese -, die von diesem Strome nie berührt worden sind, ragen also wie zwei Säulen hoch empor über diese gewöhnliche Ordnung, über diese Sündenordnung. Und wer ist das? Das ist die Gottesmutter und der Heiland. Obwohl beide unendlich voneinander verschieden sind, bilden sie doch den übrigen Menschen gegenüber und von da aus betrachtet, wieder eine Ordnung für sich.

Weshalb wir das alles auf uns wirken lassen sollen und wollen? Jetzt, verbunden dieses Weltordnungsgesetz mit dem Weltregierungsgesetz oder mit Rücksicht auf das Gesetz der organischen Obertragung und Weiterleitung, dann verstehen wir, woher es kommt, daß wir geneigt sind, gedrängt sind, uns der Gottesmutter auszuliefern, ja bis zum äußersten. Aber immer unter dem Gesichtspunkte der organischen Übertragung und der Weiterleitung. Und wenn ich nun weiß, es gibt verschiedene Stufen der Hingabe an Gott, dann fällt es uns nicht schwer, daraus zu schlußfolgern: Es gibt auch verschiedene Grade der Hingabe an die Gottesmutter, so wie wir das ja praktisch zu tätigen suchen und versuchen. Man gibt sich so im allgemeinen ihr hin und gibt sich damit aber auch Gott im allgemeinen hin. Wenn die Zweitursache, hier in diesem Falle die Gottesmutter, ihren vollen Sinn erfüllen will mir gegenüber, darf ich sie nie getrennt sehen von Gott, Wie ich ja an sich auch meine Eltern nie getrennt sehen sollte vor Gott. Oder einen Menschen, den ich gern habe – brüderlich oder kindlich, freundschaftlich -, sollte ich nie trennen vom lieben Gott. Wenn das getrennt ist vom lieben Gott, dann ist das Gesetz, das organische Gesetz des Bindungsorganismus irgendwie verletzt. So wie ich Gott gegenüber dann weiter emporsteigen kann, mich hingeben kann im Sinne der Blankovollmacht oder im Sinne der Inscriptio – alle diese Stufen, die wir ja kennen – letzten Endes muß unsere Hingabe immer unter diesen Gesichtspunkten Gott als Gegenstand haben. Aber wenn ich jetzt den Zwischengliedern mich hingebe in dem oder in jenem Grade, dann muß das immer geschehen mit Rücksicht auf Gott.

Nehmen Sie noch einmal die drei Ausdrücke: Ausdruck der Hingabe an Gott; (z.B.) Blankovollmacht, (der ) Gottesmutter geschenkt, ist Ausdruck der Blankovollmacht an Gott. Ist nicht nur Ausdruck, ist auch gleichzeitig eine Sicherung der Hingabe an Gott. Ich muß nur den Sinn dieser Dinge – also auch den Sinn der Gottesmutter, so wie der liebe Gott diesen Sinn hineingelegt hat – in der Ganzheit verstehen. Muß alles dann sehen als Ausdruck der Hingabe an Gott, als Sicherung der Hingabe an Gott – so ist es ja alles gedacht und auch als Mittel, um tiefer zu Gott emporzusteigen. Sie verstehen also, wie hier beide Gesetzmäßigkeiten für das praktische Leben ineinanderfließen. (Das) ist also einerseits das Weltregierungsgesetz, dann zweitens das Weltordnungsgesetz. (Das) Weltordnungsgesetz zeigt mir, in welchem Ausmaße der liebe Gott will, daß ich mich der Gottesmutter schenke. Ordo essendi est ordo agendi. Wenn sie in der objektiven Seinsordnung eine derartige Stellung einnimmt, ist es durchaus berechtigt, daß ich dieselbe Stellung ihr einräume in meinem inneren Leben, in meinem Seelenleben.

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Fortsetzung Text 52/3