Pallotti und Schönstatt

Pallotti und Schönstatt

Paul Vautier

1. Geschichtliches
2. Grundsätzlich
3. Die in Schönstatt aufgegriffenen Hauptideen Pallottis
3.1. Der Weltapostolatsverband
3.2. Das Laienapostolat
3.3. Universelles Apostolat
3.4. Gelübdelose Gemeinschaft
3.5. Spirituelle Verwandtschaften

1. Geschichtliches

Als Josef Kentenich 1899 als Schüler zu den Pallottinern kam, war diese Gemeinschaft in Deutschland als Missionsgesellschaft bekannt. Sie hatte die Mission in der deutschen Kolonie Kamerun übernommen, was dann nach dem Ende des Ersten Weltkrieges unmöglich wurde. Das Suchen nach neuen Aufgabengebieten war mit einer Rückbesinnnung auf die ursprünglichen Anliegen Vinzenz Pallottis verbunden.

In die Zeit seiner Tätigkeit als Spiritual am Missionsgymnasium in Schönstatt fallen wichtige Ereignisse, die zur Gründung der Schönstatt-Bewegung führen und einen originellen pädagogischen Ansatz P. Kentenichs deutlich werden lassen (Vorgründungsurkunde 1912). Sein Vorgehen wurde in seiner Gemeinschaft als ausgesprochen neuartig empfunden. Die Andersartigkeit seiner Arbeit führte zu Rückfragen und zur Auseinandersetzung mit den Oberen, auch mit dem damaligen Generaloberen P. Gissler. P. Kentenich stand auf dem Standpunkt, dass seine neuartige Pädagogik dem Geist Vinzenz Pallottis nicht widerspreche. Bewusst unter Berufung auf Pallotti nahm er 1916 dessen Idee einer Föderation der apostolischen Gemeinschaften als konkret anzustrebendes Ziel auf (>>Weltapostolatsverband).

Von diesem Zeitpunkt an sah er ein doppelpoliges Ganzes aus Pallotti und Schönstatt als gottgewollten Plan für sein Werk an. Die Pallottiner sah er bis 1956 zur Rolle der beseelenden Gemeinschaft dieses Werkes berufen und versuchte sie langsam für diese Sicht zu gewinnen. Personell und organisatorisch übernahmen sie viele Funktionen der “pars motrix et centralis” (Mitarbeiter an der Zentrale der Bewegung, Errichtung des “Bundesheimes” etc.). Die offizielle Anerkennung des Schönstatt-Werkes als Verwirklichung der Idee Pallottis vom Weltapostolatsverband wurde auf den Provinzkapiteln der beiden deutschen Provinzen ausgesprochen und vom Generalkapitel 1947 bestätigt. Während der Verbannungszeit P. Kentenichs wurde versucht, die Originalität Schönstatts “einzuebnen” und die Bewegung von den Pallottinern weitgehend abhängig zu machen. Immer mehr ging die Auseinandersetzung darum, wie sich der hl. Vinzenz Pallotti seine Gründung genauer vorgestellt habe (die so genannte “Leitbildfrage”). Nach langen Bemühungen um die Eigenständigkeit der Bewegung wurde diese 1964 rechtlich von den Pallottinern gelöst. Darauf folgte 1965 die Gründung des Säkularinstituts der >>Schönstatt-Patres, das für die Bewegung die Stelle der Pallottiner als >>”pars centralis et motrix” wahrnehmen sollte.

Diese Entwicklung bedeutet aber nicht, dass Schönstatt seine Sicht der Ziele Pallottis und die Idee der umfassenden Einheit von Pallotti und Schönstatt aufgegeben hätte. Es zählt nach wie vor den “Apostolischen Weltverband” zu einer seiner drei >>Zielgestalten.

2. Grundsätzlich

Nach P. Kentenich ist ein dreifacher Einfluss Vinzenz Pallottis auf Schönstatt zu unterscheiden: einmal wird Pallotti als Gründer gesehen in Bezug auf die dritte Zielgestalt Schönstatts, den Apostolischen Weltverband. Dann gibt es Elemente, in denen Pallotti historisch auf Schönstatt einen wichtigen Einfluss ausübte – als Anregung und Hilfe -, ohne dass ihm aufgrund dieses Einflusses eine Gründerstellung zukäme: die Gelübdelosigkeit der Kerngemeinschaften. Dann gibt es – drittens – viele Verwandtschaften für die Zielsetzung und in der Spiritualität. P. Kentenich hat hervorgehoben, dass er nach 1916 Pallottis Schriften bewusst nicht studiert habe (mit Ausnahme von “Gott, die unendliche Liebe”, das er für den Oktoberbrief 1949 verwendete). Die Nähe und Zugeordnetheit der beiden Pole Schönstatt- Pallotti sollte sich von selbst zeigen.

3. Die in Schönstatt aufgegriffenen Hauptideen Pallottis im einzelnen.

3.1. Der >>Weltapostolatsverband

Diese Kernidee des hl. Vinzenz Pallotti hat P. Kentenich übernommen. Weil diese Idee allein von Pallotti stammt und P. Kentenich daran nur zeitbedingte Änderungen vornahm, begründet sie die Gründerstellung Pallottis und macht aus dem Werk ein zweipoliges.

P. Kentenich hat 1916 dieses Ziel bewusst aufgenommen und seit 1919 die Bewegung als Kern einer solchen Föderation aufgebaut. Für die Verwirklichung dieses für viele nicht realisierbaren Zieles vertraut er einerseits auf die charismatische Sendung des hl. Vinzenz Pallottis, andererseits auf die neuen natürlichen und übernatürlichen Kräfte, die Schönstatt beiträgt.

3.2. Das Laienapostolat

Kirchengeschichtlich gesehen ist Vinzenz Pallotti ein Vorkämpfer der Idee des Laienapostolates. Wie fern diese Vorstellung der Kirchenleitung des 19. Jahrhunderts lag, ersieht man daraus, dass dem Werke anfangs der Name “Katholisches Apostolat” verwehrt wurde, mit der Begründung, dies käme nur den Bischöfen zu. Die Hauptzielsetzung der “Apostolischen Bewegung von Schönstatt” ist nun nach den Statuten 1919, “den Apostolatsgedanken in weiteste Kreise zu tragen”. Die Schönstattbewegung enthält zwar auch Priestergliederungen, ist also keine reine Laienbewegung. Doch sind die Laiengliederungen in der Überzahl; die Priestergliederungen haben kein direktive Gewalt; die Organisation ist föderativ.

3.3. Universelles >>Apostolat

Zum Typischen der Apostolatsidee des hl. Vinzenz Pallotti gehört der >>Universalismus. Apostolat sollte nicht eingegrenzt werden auf einen bestimmten Bereich oder auf eine bestimmte Methode. Schönstatt hat an dieser Ausrichtung festgehalten, die Organisationsform der Bewegung ist bewusst so gehalten, dass es die verschiedensten Apostolatsformen, pfarreiliche und überpfarreiliche, explizite und “anonyme” integrieren kann. Die Schönstätter >>Verbände sind bei den >>Säkularinstituten eingeordnet worden, gerade um die Möglichkeit des Wirkens in der Welt verwirklichen zu können.

3.4. Gelübdelose Gemeinschaft

Der hl. Vinzenz Pallotti hatte, obwohl er selbst private Gelübde ablegte, für seine Gemeinschaft auf Gelübde verzichtet und dies mit einer speziellen göttlichen Eingebung begründet. Eine solche Einstellung war in der damaligen Zeit wenig verständlich; noch in diesem Jahrhundert wurden vielen Gemeinschaften die Gelübde aufgedrängt. Bei den Pallottinern blieb es, der Intuition des Gründers entsprechend, bei bloßen Versprechen. Diese Tatsache half den Schönstätter Verbänden, ihre eigene Bindungsform, in der eine aszetische Weihe (das >>Liebesbündnis) nur mit einem naturrechtlichen, kündbaren Vertrag verbunden ist, kirchenrechtlich durchzusetzen. Darüber hinaus interpretierte P. Kentenich die Einstellung Pallottis den Gelübden gegenüber als Nähe zu eigenen Pädagogik, in der die Freiheit und Hochherzigkeit eine große Rolle spielt.

3.5. Spirituelle Verwandtschaften

Über die wesentliche und wichtige Verbindung mit Pallotti, die Aufgabe des Apostolischen Weltverbandes, und die in b-d genannten Punkte hinaus hat P. Kentenich auch Elemente spiritueller Verwandtschaft namhaft gemacht: z.B. die universale Einstellung Pallottis, den “Infinitismus”, der im Universalismus Schönstatts sein Pendant findet. Ist Pallotti ein Mystiker der unendlichen Liebe, so hat P. Kentenich seine Pädagogik und Spiritualität auf dem “Weltgrundgesetz der >>Liebe” aufgebaut. Auch im Marianischen treffen sich Schönstatt und Pallotti, weniger in Einzelheiten als vielmehr in der großen Bedeutung, die dem Marianischen zugeschrieben wird.

Zu den wichtigsten Unterschieden gehört, dass Pallotti als Mystiker anzusprechen ist, auch in seiner Marienverehrung, während Schönstatt grundsätzlich auf dem Boden einer allen zugänglichen Frömmigkeit steht (>>Vorsehungsglaube).


Literatur:

  • J. Kentenich, Oktoberbrief 1949 an die Schönstattfamilie, Vallendar 1970, 196 S.
  • J. Kentenich, Schlüssel zum Verständnis Schönstatts (September 1951), in: J. Kentenich, Texte zum Verständnis Schönstatts. Herausgegeben von Günther M. Boll, Vallendar-Schönstatt 1974, 148-228.
  • ***, Schönstatt und Pallotti, Regnum 27 (1993) 1-7
  • E. Monnerjahn, P. Josef Kentenich, Vallendar 1975, S.84-89. 281 ff.
  • P. Vautier, Person und Sendung Pallottis in der Sicht Pater Kentenichs, Regnum 29 (1995), 67-74. 109-117.
  • F.Courth / A. Weiser, Mitverantwortung aller in der Kirche. Festschrift zum 150jährigen Bestehen der Gründung Vinzenz Pallottis, Limburg 1985.

Schönstatt-Lexikon:

Herausgeber: Internationales Josef-Kentenich-Institut für Forschung und Lehre e.V. (IKF)

Verlag: Patris-Verlag, Vallendar-Schönstatt – All rights by Patris-Verlag – www.patris-verlag.de

Online-Präsentation: Josef-Kentenich-Institut e.V. (JKI) – www.j-k-i.de

Related Posts