EK2004-79 – Eine arme Kirche

EK2004-79 – Eine arme Kirche

Einführung Dr. Peter Wolf

Also jetzt nicht nur in sich eine arm-geprägte Kirche, sondern auch eine Freundin der Armen, eine Freundin derer, die nicht zu den Bevorzugten der kirchlichen, ja schlechthin der menschlichen Gesellschaft gehörten.
(Josef Kentenich)

Die Vorstellung Kentenichs von der erneuerten Kirche der Zukunft schließt in sich, dass die Kirche Abschied nimmt von allem Pomp und übertriebenem wirtschaftlichem Sicherheitsbedürfnis. Er will eine Kirche, die arm ist und „eine Freundin der Armen“. Das ist seine Formulierung, lange bevor man von der Option für die Armen gesprochen hat.

Diese Spur ist im Denken Kentenichs nicht ein modisches Thema der 68er Ära. In der Zeit der Arbeitslosigkeit der Weltwirtschaftskrise 1929 hatte er eine industriepädagogische Tagung gehalten, in der es ihm darum ging, Priester und Lehrer/innen zu sensibilisieren für die Situation aufgezwungener Armut der Leute ohne Arbeit und ohne das Notwendige zum Leben. Früh hat er begonnen, in seinen Gemeinschaften einen Sinn für den „Geist der Armut“ zu wecken und so dem Ideal einer freiwillig armen Kirche vorgearbeitet. Über die Jahre konnte er Hunderte und Tausende motivieren, den evangelischen Rat der Armut neu zu entdecken und auch mitten in weltlichen Berufen zu leben.

Griffsicher analysiert er im Bild von der „sesshaften Kirche“ ein überzogenes Bedürfnis wirtschaftlicher und juristischer Sicherung. Wo solche Sesshaftigkeit sich als Mentalität ausprägt und alles durchdringt, beginnt auch die Art des Glaubens sich zu verändern, bis dahin, dass der Glaube seinen ursprünglichen Wagnischarakter verliert. Es lohnt sich sehr, diese hellsichtige Analyse auf sich wirken zu lassen. Sie wirft Licht auch auf die heutige kirchliche Situation in unserem Land.

Das Gegenbild der „sesshaften Kirche“ stellt er uns vor Augen im Bild der „pilgernden Kirche“, die sich auf den Weg macht zu den Menschen und sich auf das Wagnis des Glaubens einlässt.

Aus:
Peter Wolf (Hrsg.)
Erneuerte Kirche in der Sicht Josef Kentenichs
Ausgewählte Texte
Patris-Verlag, Vallendar-Schönstatt
www.patris-verlag.de