CS60 CAUSA SECUNDA Text 60

CS60 CAUSA SECUNDA Text 60

Aus: Vortrag 1966

Wer sich später einmal die Zeit nehmen will, die ganze Geschichte der Mariologie und der Christologie auf sich wirken zu lassen, wird bald feststellen: Wenn heute irgendeine Eigenschaft, ein Privileg des Heilandes hervorgehoben wird, wird morgen, übermorgen dasselbe gesagt von der Gottesmutter. Wollen Sie bitte festhalten: Der Sinn der Gottesmutter, der Sinn ihres Seins, ist allezeit nur Christus und in Christus der Vater gewesen. Die Theologen haben dort, wo sie metaphysisch straffen, gerne den Ausdruck oder die These so geformt: Der Heiland und die Gottesmutter sind in den Plänen Gottes aufzufassen als ein einziger Plan, nicht getrennt voneinander. Ohne den Heiland hätte das Leben der Gottesmutter keinen Sinn gehabt.

Praedestinatio mutua, perpetua, perfecta. Wer diese Ausdrücke versteht, dem wird es eigentlich erst tiefer ein- und aufgehen, was das besagt: die Gottesmutter und der Heiland eine unlösliche, und zwar eine für Zeit und Ewigkeit absolut unlösliche Zweieinheit.

Von hier aus dürfen Sie sich wieder neu erinnern lassen an den Personalcharakter der lieben Gottesmutter. Das ist nur eine Umschreibung dieser unlöslichen Zweieinheit: Amtliche Dauergefährtin und Dauergehilfin des Heilandes beim gesamten Erlösungswerke zur Verherrlichung des Vaters.

Das ist der Standort! Wenn Sie das verstanden haben, fällt es Ihnen nicht schwer zu sagen: Wenn der Heiland König ist in der gesamten Weltregierung und Heilsordnung, dann ist auch a priori die Göttesmutter Königin, freilich in ihrer Art, aber Königin. Jetzt könnten wir natürlich lange philosophieren, theologisieren, spekulieren. Prüfen Sie einmal nach, was etwa Pius XII. am Schlusse in seiner Enzyklika “Mystici corporis” sagt, wo er alle Fortschritte der mariologischen Wissenschaft kurz zusammenfaßt. Da heißt es: Simul una cum Christo regnat mundum. Worauf ist hier Gewicht gelegt! In klassischer Weise auf die Zweieinheit. Simul: gleichzeitig herrscht sie mit dem Heiland über die Welt. Also immer in Zweieinheit!

Was heißt das, sie herrscht? Nun dafür haben frühere Generationen populär gesagt: Sie hat Sitz und Stimme im Rat der Dreifaltigkeit. Sie hat also mitzusprechen. Bitte, übersehen Sie nicht, was die Kirche der heutigen Zeit geben will und muß, ist nicht nur die Philosophie, sondern auch die Psychologie der Zweitursachen. Hier steht die Gottesmutter da als Repräsentant, als Spitzenleistung der gesamten Schöpfung. Was sie als Glied der Schöpfung per eminentiam an Aufgaben, an Gnaden erhalten hat, ist immer in einem gewissen Grade auch vorgesehen für uns. Wir haben also eine Mitwirkung zu tätigen. In gewissem Sinne sind auch wir gedacht als Königinnen, freilich in endlosem Abstande vom Königtum der lieben Gottesmutter.

vervielfältigt/Offset 177 Seiten als: Es geht dich an I, Vortrag vom 22.5.1966, S.59-61