Durch die heilige Taufe, so sagen uns die Gottesgelehrten, nehmen wir samt und sonders seinsgemäß teil am Heilandsleben, sowohl am leidenden als auch am verklärten Heilandsleben. „Herr, willst erneut du sterben …, suchst du mit Liebeswerben auch der Verklärung Erben?“ (HW 165,4).
Wir nehmen also teil am leidenden Heilandsleben. Und der Heiland, der möchte im Laufe der Geschichte sein Leiden fortsetzen. Er will in uns, seinen Gliedern, sein leidendes Leben noch einmal nachleiden. Ich denke an mein Leid, ich denke an das Leid, das ich bisher tragen durfte, denke an das Leid meiner Kinder, meiner Eltern, meiner Lieben – dahinter steht immer: Der Heiland will noch einmal leiden. (…)
Jede heilige Messe möchte diese Teilnahme am leidenden, aber auch am verklärten Heilandsleben in uns erneuern und vertiefen. Deshalb sollte ja die heilige Messe – wie wir das immer in der Familie gelehrt, immer zu tun uns bemüht haben – schlechthin der Mittelpunkt, der Sammelpunkt, der Höhepunkt, Ausgangspunkt unseres ganzen praktischen, alltäglichen Lebens sein. „Herr, willst erneut du sterben …, suchst du mit Liebeswerben auch der Verklärung Erben? Sieh hier die Schar der Deinen, der Kleinen und der Reinen, wollst gnädig sie dir einen und neu der Welt erscheinen“ (HW 165,4-5). Und in welcher Weise? In ihnen sollst du neu leiden, in ihnen aber auch noch einmal schenken, in ihnen noch einmal erleben „der Verklärung Erben“. Da haben wir die Grundlage dessen, was ich heute sagen möchte. Damit berühren wir aber auch gleichzeitig ein wesentliches Stück der paulinischen Dogmatik, der paulinischen Theologie. Damit greifen wir aber auch mit einem Griff hinein in die große Welt, die uns die Liturgische Konstitution des Konzils neu aufschließen möchte.
Worauf es hier nun besonders ankommt? Gewiß, das ist wahr, wir, zumal wir Älteren, die wir das von unseren Eltern, Großeltern gelernt haben, wir wissen, daß der Heiland in der heiligen Messe noch einmal gleichsam aus dem Himmel herabsteigt auf den Altar, um hier sein Leidensleben gegenwärtig zu setzen. Paulus hat uns dafür das Wort geprägt: „Sooft ihr…“ Sooft ihr kommuniziert, sooft ihr teilnehmt an der heiligen Messe, sooft ihr also dabei seid, wenn das Kreuzesopfer gegenwärtig gesetzt wird auf dem Altare, so oft sollt ihr den Tod des Herrn verkünden (vgl. 1 Kor 11,26). Was heißt das, „den Tod des Herrn verkünden“? Das heißt wohl ein Doppeltes. Es will sagen: Während der heiligen Messe erinnern wir uns an das Leiden und Sterben des Heilandes. Den Tod des Herrn verkünden schließt aber auch in sich – er will uns ja sich einen -, sich dem Gekreuzigten einen. Wir sollen während der heiligen Messe und durch die heilige Messe angeregt werden, jetzt erneut mit ihm ans Kreuz zu steigen, mit ihm uns ans Kreuz heften zu lassen. Und er will nunmehr in uns noch einmal sein ganzes Leidensleben nachleben. Sooft wir also an der heiligen Messe teilnehmen, da sollen wir alle uns bemühen, mit ans Kreuz zu steigen.
Paulus hat aber auch ein anderes Wort uns eingeprägt, ein Wort, das einen besonderen Klang hat in seinem Wortschatze: „Quotidie morior“ (1 Kor 15,31: Täglich sterbe ich). Angewandt auf unsere Verhältnisse, müssen wir, die wir besonders strebsam sein möchten, wir, die wir zur Verherrlichung des Vaters den Heiland in uns aufnehmen wollen, täglich sterben. Er soll in uns leben, er soll in uns leiden. Selbstverständlich heißt das praktisch: Wir steigen in der heiligen Messe ans Kreuz, nicht um nach der heiligen Messe schnell wieder von diesem Kreuze herabzuspringen. Quotidie morior. Tag für Tag lasse ich den Heiland während vierundzwanzig Stunden in mir erneut sein Kreuzesleben nachleben.Gedanken, die uns vermutlich nicht einmal so fremd sind. Wir wollen sie erneuern. Das soll ja der besondere Akt der Dankbarkeit sein. Die Familie will also in Zukunft das in besonderer Weise tun.
Wir erinnern uns daran, das „Dankeslied“ (HW 165ff.) ist bereits 1942 bereitgestellt worden. Nun müssen wir weitergehen! Wie viele Jahre weitergehen? Mindestens zwanzig! Da hat das Konzil dasselbe uns nahegelegt. Zum Danke für alles. Dankesgabe soll ja die heilige Messe sein. Und bei uns: Dankesgabe für den wundersamen Schutz, den wir alle erlebt haben. In der heiligen Messe wollen wir neu mit dem Heiland uns ans Kreuz nageln lassen, dem Heiland Gelegenheit geben, sein Leidensleben vierundzwanzig Stunden in uns weiter fortzusetzen, aber dann auch gleichzeitig während des Tages Ernst machen mit diesem Hängen am Kreuze.
Wenn wir einmal nachschauen, was die „Werkzeugsmesse“ (HW 17-44) uns alles nach der Richtung zu sagen hat, dann merken wir, wie anschaulich das dorten alles gesagt wird. Da wird darauf hingewiesen: Er soll uns die Dornenkrone erneut aufsetzen, seine Dornenkrone. Er will noch einmal sein Haupt mit Dornen durchstechen lassen in uns, denn wir sind ja gleichsam ein Stück von ihm. Und er will sein Leben fortsetzen, fortsetzen auch in der heutigen Zeit, in der heutigen Situation. Wir wollen und sollen uns die Herzwunde von ihm geben lassen. Das will heißen: So wie er durch die Lanze sein Herz hat durchbohren lassen, sind auch wir bereit, (uns) die Lanze ins Herz stoßen zu lassen, die Lanze im Herzen zu tragen und zu ertragen. Quotidie morior. Tag für Tag, in allen Situationen, da werde ich mich bemühen, die Leidensherrlichkeit des leidenden Heilandes in mir fortzusetzen und zu vollenden. Dasselbe gilt, wo es sich handelt um die Nägel, Nägel, die die Hände, die die Füße durchbohren. Da haben wir die glorreiche Leidensgestalt des Heilandes, die will vierundzwanzig Stunden hindurch in unserem, in meinem Leben Wirklichkeit werden.“Zum Dank laßt unsere Seelen das Gotteslamm erwählen“ (HW 165,3). Wir wollen das Lamm, das Gotteslamm, neu erwählen, wollen dafür sorgen, daß wir uns vermählen, uns einen mit ihm, vereinen; daß wir überzeugt sind von dem, was Paulus so gerne sagt: „Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir“ (Gal 2,20). Christus leidet in mir, Christus stirbt in mir, Tag für Tag
Erschienen in:
Joseph Kentenich
Christus mein Leben
Ausgewählte Texte zum Christus-Jahr 1997
Herausgegeben von Günther M Boll, M. Pia Buesge, Peter Wolf
Patris-Verlag Vallendar-Schönstatt
www.patris-verlag.de
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