CS32-2 CAUSA SECUNDA Text 32/2

CS32-2 CAUSA SECUNDA Text 32/2

Aus: Priesterexerzitien „Kampf um die wahre Freiheit“ 1946

b) Die Gottesmutter

Nach denselben Gesetzen will aber auch die Gottesmutter gesehen und betrachtet werden. Der Vater berührt uns, der Vater greift in unser Leben ein nicht bloß durch den Heiland, sondern auch durch die Gottesmutter als Zweitursache. Alle Gesetzmäßigkeiten, die wir namhaft gemacht haben, treffen bei der Gottesmutter zu: das Weltregierungs-, Weltordnungs-, Weltvervollkommnungs- und Weltanpassungsgesetz.

Es sind hier vor allem zwei Wahrheiten, die in der Gottesmutter Inkarnation feiern, die offensichtlich die Aufgabe haben, der entpersönlichten modernen Welt die Persönlichkeit wieder retten zu helfen. Wir spüren ja, daß häufig in Gefahr ist die menschliche Würde und der menschliche Adel. Die Menschenwürde: Wie klassisch ist dies dargestellt in der immaculata conceptio. Der Menschenadel: Wie ist diesem in klassischer Weise Rechnung getragen in der Mediatrix, in der Freiheit des Menschen, in der freien Hingabe an den großen Gott! Das sind die großen Wahrheiten. Gott wirkt durch freie Zweitursachen. Gott möchte die Persönlichkeit des Menschen wieder retten: die persönliche Würde und den persönlichen Adel. Er tut es nicht nur dadurch, daß er große Ideen aussät, sondern in dem klassischen Bild der lieben Gottesmutter, wo es sich um den Adel des Menschen handelt, um seine Freiheit. Wie stark ist diese berücksichtigt bei der Gottesmutter! Sie soll vor uns stehen als Braut und Gehilfin Christi bei seinem gesamten Erlösungswerk, aber als die frei mitwirkende und frei JE sagende Braut des Heilandes. „Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. Laßt uns ihm eine Gehilfin machen, die ihm gleich sei!“ Das gilt unmittelbar von Adam und Eva. Aber Pate hat bei diesem Wort gestanden das Verhältnis zwischen dem Heiland und der Gottesmutter: Es ist nicht gut, daß der Heiland allein stehe; ich will ihm eine Gehilfin schaffen, die ihm gleich sei! Als Gehilfin soll die Gottesmutter Christus zur Seite stehen. Die Spitzenleistung erreicht die Gehilfin in der Mediatrix.

Die Gottesmutter ist Gehilfin des Heilandes bei seinem gesamten Erlösungswerk. Dies fängt an bei der Verkündigung, erreicht den Höhepunkt auf Golgotha, die Vollendung im Himmel. überall ist die Gottesmutter tätig.

– Bei der Verkündigung

Halten wir vor Augen: Was der Engel ihr bringt, ist formell nicht Auftrag, sondern Antrag: ein Antrag, der eine freie Entscheidung der Gottesmutter erwartet, der an die Gottesmutter gerichtet ist und in ihr an die menschliche Gesellschaft schlechthin, der deshalb in der Gottesmu ter als der Stellvertreterin der Menschheit beantwortet wird. Gott will eine freigewählte und freigewollte Mitwirkung.

Nehmen Sie unser Schönstatt-Offizium, z.B. die Matutin:

Dein Heiligtum ist unser Nazareth,
das in der Nacht der Zeit verborgen steht.

Dort ringst Du, Unbefleckte, im Gebete
voll Sehnsucht nach des Heiles Morgenröte;
dort ists, wo Gabriel den Antrag stellt
und durch Dein Fiat sich die Welt erhellt.

Erneut seh ich Dein Fiat still Dich sprechen,
Dein Licht die Nacht von Schönstatt aus durchbrechen,
weil Gott voll Weisheit gnädig es erwählt
als hellen Leuchtturm für die heutige Welt.

Gleich Dir laß mich zur Blanko-Vollmacht stehen,
zum Kampfe mit dem alten Drachen gehen,
als Werkzeug ganz Dir zur Verfügung sein,
mein Leben Schönstatts Sendung freudig weihn.

Das ist der große Wurf. Die alten Väter werden nicht müde, die Größe dieses Augenblicks zu schildern: die freiwillige Mitwirkung der Gottesmutter.

– Ähnliches gilt auf Golgotha

Sie darf auch mithelfen, die Gnaden auszuteilen. Die moderne Theologie will das darstellen, was bisher unser praktisches Gebetsleben enthalten hat. Was hat bisher die Dogmatik dargestellt? die Gottesmutter als Christusträgerin. Im Heiland müssen wir aber auch den großen Opferer sehen. Und diese Stellung der Gottesmutter zum Welterlösungsopfer ist dogmatisch noch nicht allgemein genügend durchdrungen und anerkannt. Die neue Linie der Dogmatik will die Gottesmutter nicht so sehr als Christusträgerin, sondern als Opferträgerin darstellen.

Wenn Sie in „Himmelwärts“ nachlesen, dort ist diese Linie durchgezogen im Gebet „Nach dem Angelus“:

Dich, Mutter, hat der Herr erwählt
als Helferin fürs Heil der Welt;
Du stehst ihm bräutlich jederzeit
als Diakonin treu zur Seit,
bist mit jungfräulich starkem Sinn
die große Schlangentöterin.

Du machst in stiller Dienstbarkeit
als Opfergabe ihn bereit.

Du gibst als Opferdienerin
im Tempel ihn dem Vater hin.

Für uns bringst Du am Kreuzaltar
mit ihm Dich selbst zum Opfer dar.

Durch Dich schenkt er als Opferfrucht
die Gnaden jedem, der sie sucht.

Wir bitten Dich, o Vater, schlicht:
laß glühn in uns das Glaubenslicht,
daß unsere Mutter klar wir schaun,
auf sie als Mittlerin vertraun;
gib, daß wir stets nach ihrem Bild
von Dienstbarkeit sind froh gewillt,
als Werkzeug für das Heil der Welt
zu opfern uns, wie’s Dir gefällt,
damit zerbricht des Drachen Macht,
der Haß und Hader stets entfacht:
Durch Christus, der zu Deinem Ruhm
uns Anteil gibt am Mittlertum.

Die Gottesmutter wird unter diesem Gesichtspunkt aufgefaßt als Opferbereiterin, -dienerin, -bringerin und Austeilerin der Opferfrüchte. Opferbereiterin: „Du machst in stiller Dienstbarkeit als Opfergabe ihn bereit“. Alles, was die Gottesmutter leiblich dem Heiland tut, ist Bereitung des Opfers. Sie sagt ihr Ja zum Opfer. Sie nährt und kleidet den Heiland. Opferdienerin: „Du gibst als Opferdienerin im Tempel ihn dem Vater hin.“ Opferbringerin: “ Für uns bringst Du am Kreuzaltar mit ihm Dich selbst zum Opfer dar“. Opferverteilerin: „Durch Dich schenkt er als Opferfrucht die Gnaden jedem, der sie sucht“.

– Mediatrix

Zur Diskussion steht gegenwärtig die Abrundung dieser mitwirkenden Tätigkeit der Gottesmutter: die Gottesmutter als Mediatrix. Wenn es sich einigermaßen begründen läßt, sollten wir heutigen Menschen mit ganzer Seele diese Wahrheit umfangen. Warum? Es gibt kaum etwas, was so stark befehdet wird, wie die Freiheit des Menschen. Die Apotheose der Freiheit sehen wir in der Mediatrix: frei mitwirken zu dürfen bei der gesamten Erlösung.

Das haben wir auch für uns in etwa von Gott zu erwarten. Die Gottesmutter überragt uns in allem. Was sie per eminentiam besitzt, erwarten wir secundum quid. So sehen wir also die Gottesmutter als eine Zweitursache, wodurch der liebe Gott die Welt regiert. Ich werde mich also an sie wenden. Freilich ist ihre Mitwirkung nur Auswirkung des Mittlertums Christi. Ich wende mich darum kindlich und schlicht an sie. Ich fühle mich erneut bestärkt in meiner mariologischen Praxis: Nichts ohne die Gottesmutter und alles für die Gottesmutter! Deshalb sollen alle meine Bitt- und Lobgebete durch die Hände der lieben Gottesmutter gehen.

Wie steht es mit meiner Beziehung zur Gottesmutter? Als jenseitiger Mensch muß ich mit den jenseitigen Personen Fühlung halten.

c) Die Heiligen, die Engel, die Armen Seelen

Wir ziehen die Linie weiter. Was von der Gottesmutter gesagt ist, gilt mutatis mutandis auch von den Heiligen. Wie heißen meine Lieblingsheiligen? Praktisch mag ich eine Auswahl treffen. Es ist ein eigenartige Tatsache: Je mehr ich Gott liebe, desto einfacher werde ich, desto selbstverständlicher nehme ich den ganzen übernatürlichen Organismus in mich auf. Newman hat am Ende seines Lebens Litaneien zu allen möglichen Heiligen gemacht. Er, der geistige Mensch, der anfänglich so stark geistig eingestellt war, wird am Ende seines Lebens so weit.

Ähnliches gilt von den einzelnen Engeln, den Schutzengeln. Auch diese sind Boten Gottes. Gott hat mir einen Engel gegeben.wir so blasiert sind, so christuszentrisch, daß wir keinen Engel mehr brauchen? Manchmal klingt das so, als ob der Heiland alles allein machen wollte. Gott hat ganz andere Maßstäbe als der moderne Mensch. Ich will mein Verhältnis zum Schutzengel erneuern. Ich will meine Kindergebete zum Schutzengel erneut beten lernen. Ich will mich meinem Schutzengel wieder anempfehlen lernen. Ich will meine Gefolgschaft wieder zum Schutzengel führen. Die Engel sehen das Antlitz des Vaters und erhalten den Befehl, uns zu beschützen. Warum nehme ich von den jenseits verbürgten Tatsachen so wenig Notiz? Ich würde nicht so vereinsamt sein.

Die Armen Seelen im Fegfeuer. Soll ich nicht auch Beziehungen zu ihnen pflegen? –

Die Möglichkeiten sind vorhanden. Die Wirklichkeiten sind zum großen Teil in meine Hand gelegt, soweit die Beziehung von mir nach oben in Frage kommt. –

Damit hätte ich den Kreis dieser drei Teilwahrheiten geschlossen. Wir hören diese Wahrheiten gern. Wir trachten sie mit Liebe auf unser praktisches Leben wieder anzuwenden. Von oben aus gesehen: Gott greift ein in das Weltgeschehen – er tut es mit wohlwollender Gesinnung – er tut es für gewöhnlich durch Zweitursachen. -(S.94-101)-

Vervielfältigt/Offset, 267 Seiten A5, S.31; S. 94-101 *