GdL-1965-11 Auf schwerer Pilgerreise

GdL-1965-11 Auf schwerer Pilgerreise

Aus: Vortrag 1965, 26. November

Wir haben so häufig gesagt, daß wir auch unsere Familiengeschichte nachkosten sollten, denn wenn wir Glieder, Kinder der Familie sind, ist die Familiengeschichte ein Stück unserer persönlichen Geschichte, Weshalb sollen wir das nachkosten? Es ist immer wieder dasselbe: um den Finger Gottes, um die Hand Gottes in unserem Leben und im Leben der Familie innezuwerden und zu küssen. Sie dürfen das überaus schöne und schlichte Wort nie übersehen: „Auf schwerer Pilgerreise hat Gott sich groß und weise…“

Welcher Gott ist hier gemeint? Der Gott – ich hebe das nachher noch einmal hervor -, der meine Pilgerreise als Plan entworfen hat, der geholfen hat, sie durchzuführen, und der mich durch diese Pilgerreise in sein eigenes Herz hineinlenken, -leiten, -führen wollte.

Spüren Sie, worauf es mir ankommt? Nicht, als wollte ich jetzt etwas in den Text hineinlegen, das steht wahrhaftig deutlich da, ich muß es nur herauslesen. Es ist immer, immer, immer die Zentralaufgabe, die ich vermeine vom lieben Gott erhalten zu haben: überall den Gott des Lebens zu künden, Ist hier der Gott des Lebens gemeint? Das ist doch wahrhaftig deutlich genug!

„Auf schwerer Pilgerreise
hat Gott sich groß und weise…“

Gott hat sich groß und weise erwiesen in der Lenkung und Leitung und Führung dieser Pilgerreise. Er ist der Gott des Lebens. Wir unterscheiden ja den Gott des Lebens, den Gott des Herzens und den Gott unserer Altäre. Daß wir den Gott des Herzens und den Gott der Altäre nicht vergessen, sehen Sie daran, daß der zweite Teil des Dankesliedes mit wenigen Strophen die ganze Konstitution über die Liturgie umfaßt. Sie müssen nur verstehen, aus welchem Geist damals das „Fessellied“ geworden ist. Es ist nicht so, als wollte ich jetzt künstlich etwas herauslesen, das ist genau so gemeint, wie die Konstitution das heute darstellt.

„Auf schwerer Pilgerreise…“ Der Gott des Lebens hat meine Pilgerreise gleichsam immer in der Hand gehalten, er hat sie geplant und ist sie mit mir gegangen.

„Auf schwerer Pilgerreise…“ Nachdem wir genauer überprüft, wie die Schwierigkeiten ausgesehen haben, die der liebe Gott, die der Heiland in uns überwunden hat, fragen wir noch einmal: Weshalb mußte denn die Pilgerreise so schwierig sein? Eine Antwort habe ich bereits gegeben. Ich hebe diese Dinge immer wieder hervor, spiele gleichsam mit Gedanken, um Ihnen gleichzeitig zu zeigen, wie man betrachten kann, wie man sorgen kann, daß all die einzelnen Worte gefüllt werden.

Gestern meinte der Weihbischof, ich würde es meisterlich verstehen, für eine Frauenseele zu sprechen, Weshalb? Ich sage nur den Grund, führe ihn nicht weiter aus. Ich habe Ihnen ja sagen dürfen: Frauliches Denken ist Kreisdenken.

Wenn Sie überlegen, bewege ich mich ständig im Kreise. Aber das ist nicht nur für frauliches Denken wesentlich. Wenn ich nur Klötzchen auf Klötzchen lege, (erfasse ich schwerlich das Ganze). Es mag sein, daß man für Männer mehr die Klötzchen zeigen muß, wenn aber nicht dazukommt, daß ein einzelner Gedanke – pädagogisch ausgedrückt – wertgesättigt wird, dann bedeutet das nichts, dann ist das bloß etwas für den Kopf. Sehen Sie, ein gewisses Kreisdenken wird immer vorausgesetzt oder muß bewirkt werden. Ich muß also bewirken, daß man nicht bloß bei einem Klötzchen stehenbleibt, um zu wissen, wie das Klötzchen aussieht; ich muß sorgen, daß alle Klötzchen zu einem Kreis werden. Ich sorge also, daß ein Gedanke als Wertkomplex erlebt wird. So auch hier.

„Auf schwerer Pilgerreise…“ Weshalb schwer? Mehr von außen betrachtet, haben wir sagen dürfen: Der liebe Gott hat uns gleichsam aus seinem Herzen hinausgesandt in die Welt und will uns wieder in sein Herz aufnehmen. Wir kommen aus dem Herzen Gottes als unserer Wohnstätte. Der liebe Gott hat uns in die Welt geschickt, aber eigenartigerweise so, daß wir die Wohnstätte mitnehmen sollen. Wir sollen den lieben Gott als „Wohnung“ mitnehmen, aber letztlich will er uns in unvorstellbarer Weise wieder in die ewige Wohnung, in sein eigenes Herz, hineinnehmen. Nun besteht wegen der Sinnenhaftigkeit und Zerbrochenheit unserer Natur die Gefahr, daß wir die Gaststätten hier auf der Erde mit der Urheimat verwechseln, daß wir klebrig werden, an Posten und an Menschen hängen. Hängen sollen wir – das ist ja der Sinn unserer Lehre vom Bindungsorganismus -, aber nicht versklavt sein, weder an Menschen noch an Dinge, noch an Ämter und dergleichen mehr. Nun, der liebe Gott ist weise. Es heißt ja auch:

„Auf schwerer Pilgerreise
hat Gott sich groß und weise…“

Spüren Sie, wie abgewogen jedes Wort ist, obwohl das nicht so geschehen ist, wie das jetzt scheint: als wäre lange überlegt worden. Nein, das ist einfach die große Schau der Welt- und Heilsordnung. Und aus dieser großen Schau heraus sind dann die einzelnen Ausdrücke geflossen. Es ist also nicht so, als hätte ich dagesessen, am Federhalter gekaut und dann noch einmal gekaut und dann von der anderen Seite einen neuen geholt und überlegt: Wie drückt man das am besten aus? Die Schau, das Erlebnis einer großen Welt ist hier einfach schnell in eine Form gegossen worden. – Sehen Sie, wie weise der liebe Gott ist! Er kennt unsere Schwächen, darum spielt er sein Spiel, das aber ein Lösungsspiel ist, um das Gebundenheitsspiel zu gewinnen Das Lösungsspiel! Er löst mich, ich kann das ja nicht allein. Jetzt müssen Sie die zerbrochene Natur sehen, die an sich die Aufgabe hat, aus dem Herzen im Herzen Gottes zu sein und zurück ins Herz Gottes zu gehen. Ich glaube, wenn Sie das so nehmen, verstehen Sie die Ausdrücke. Das ist unsere Zentralaufgabe.

Also alles in allem: Der liebe Gott will es uns leicht machen, irdische Dinge, irdische Güter, irdische Wohnungen nicht mit der ewigen Heimat, mit dem Ewigen, dem Unendlichen zu verwechseln .

Darf ich jetzt die Gedanken nach einigen Richtungen hin vertiefen? „Auf schwerer Pilgerreise…“ Was ich jetzt allgemeingültig gesagt habe, müssen Sie – ich darf das noch einmal erbitten – auf unsere Schwierigkeiten anwenden. Und dann fragen Sie sich einmal: Hat der liebe Gott den Zweck erreicht? Sind wir gebundener? Ist die Entfesselung ergänzt worden durch eine Fesselung? Sind wir gebundener? Ich meine, wir haben an sich alle das Gefühl, das Erlebnis: So, wie wir beieinander sind, auch wenn wir menschlich froh, gelockert, fast naiv kindlich gelockert sind, haben wir aber doch alle das tiefe Bewußtsein, in eine andere Welt hinein- und hinübergetragen zu sein. Das ist ein Stück Paradiesesland. Wir leben jetzt ohne viel Reflexion, ohne Zwang und Not, wie Kinder in einer anderen, in der jenseitigen Welt. Hat der liebe Gott den Zweck erreicht, daß wir entfesselt und neu gefesselt worden sind? Mich dünkt, in ganz vorzüglicher Weise!

Natürlich ist das Drama, die göttliche Komödie nicht nur gedacht für einige Jahre und Jahrzehnte, die Komödie geht weiter, muß weitergehen, weil es sich ja auch darum dreht, daß unser Liebesspiel mit dem Hauptspieler nicht zu einem Gegenspiel wird, sondern eine vollkommene Zweieinheit mit dem Hauptspieler darstellt, und daß wir uns nie getrennt wissen von den Mitspielern. Das ist ein eigenartiges Verhältnis. Wo findet man so etwas in der natürlichen Ordnung? Hauptspieler und Nebenspieler spielen ein Spiel, das zunächst die vollkommene Zweieinheit zwischen Hauptspieler und Nebenspielern, eine möglichst vollkommene Herzensverschmelzung zwischen Hauptspieler und Nebenspielern zum Zwecke hat.

Noch einmal die Frage: Hat der liebe Gott das Ziel dadurch erreicht, daß er unser Leben so stark mit Schwierigkeiten beladen hat? Mich dünkt: ja! Wir müssen aber damit rechnen, daß die Natur – den Fallgesetzen folgend, weil ihnen unterworfen – morgen wieder nach unten, nach einer Fesselung an die Kreatur oder an sich selber drängt. Das ist das Schwierigste, das Gefährlichste: die Ichhaftigkeit im Gegensatz zur Gotthaftigkeit, die Ichhaftigkeit in allen Stufen: Ichhaftigkeit, die zu einer Ichbesessenheit, Ichvergötzung werden kann, die gemeiniglich auch so ausartet.

Jetzt darf ich einen Gedankengang wiederholen, den wir uns im Zusammenhang mit der Absicht, die der liebe Gott mit unserer Lebens- und Liebesgeschichte, mit unserem Liebesspiele verfolgt, tief einprägen sollten. Er möchte uns so gelöst wissen vom eigenen Ich, daß wir wirklich sagen können: Ich und der Vater sind wirklich eins. Eine so tiefe Herzensverschmelzung ist das. Die Fessel der Ichhaftigkeit, der Ichversklavung muß gelöst werden, damit nachher die Fessel der Gebundenheit an den lieben Gott so solid, so unzerreißbar ist, daß wir alle wiederholen können: Wer mich sieht, sieht den Vater. So tief ist die Zweieinheit, die Herzensverschmelzung zwischen Haupt- und Nebenspieler.

Sie werden vielleicht jetzt einen zweiten Gedanken noch viel besser verstehen: Weshalb muß unser Leben, das eigentlich ein Abbild des Heilandslebens ist – wir haben das ja schon einmal in Erinnerung gerufen: Vom Vater ausgegangen, in die Welt gekommen und wieder zurück zum Vater -, so von Leid geprägt sein? Sie dürfen nie übersehen, daß die Sendung des Heilandes und unsere Sendung immer eine Zweieinheit bedeutet. Wir wissen heute so gerne und so glänzend das Wort zu wiederholen: „Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir“ (Gal 2,20). Wir dürfen aber nie übersehen, was der Vater mit dem Heiland gemacht hat, das muß er auch mit uns machen, mit uns nachvollziehen. Wenn das stimmt: Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir, dann heißt das, daß der Vater von mir verlangt, daß der Heiland in mir noch einmal sein Leben nachleben kann. Wenn die Zeit dazu reicht, kommen wir später, beim zweiten Teil des „Fesselliedes“, noch einmal ausführlich darauf zu sprechen.

Wenn ich das im Lichte des Glaubens als richtig empfinde, dann brauche ich bloß einmal zu überlegen, wie grausam – menschlich gesprochen – der Vater den eingeborenen Sohn behandelt, mißhandelt hat. Ich habe versucht, Ihnen auch den letzten, tiefsten Grund dafür anzudeuten: die Sünde von Adam und Eva. Sie bestand in der Fesselung an sich im Gegensatz zur Fesselung an Gott, an seine Person und an seinen Willen. Wir alle sollten Gott gleich, Gott ähnlich sein oder werden, sollten leben, lieben, aber in und durch Gott, und sie wollten das werden ohne Gott. Das ist an sich die Ichvergötzung. Sie ging bis in die letzten Wurzeln des Seins. Und was wollte nun der Heiland? Die Unheilsordnung auf demselben Wege, wie sie geworden, zu einer Heilsordnung machen. Er wollte eine Entichung vorleben, die keinen höheren Grad mehr möglich sein läßt. Exinanivit semetipsum! Sie müssen das sehr ernst nehmen. Ich könnte das fast jeden Tag wiederholen, weil mich dünkt, daß hier die Grundlage gelegt ist für alles Große, das der liebe Gott uns jetzt als Frucht der erlebten Aufzüge unseres Liebesspiels schenken wollte. Wir müssen aber auch festhalten, daß das nicht nur vorbildlich ist, sondern daß wir hier auch die Kraft- und Gnadenquelle haben, die uns hilft, dem Heiland die Möglichkeit zu lassen, in unserem Leben das Exinanivit nachzuholen und es noch einmal zu sprechen.

Weshalb ich das sage? „Auf schwerer Pilgerreise…“ War die Pilgerreise des Heilandes eine schwere? Wenn wir nicht nur rein theoretisch, sondern in möglichst vollkommener Weise Glieder Christi sein wollen, wenn wir also den Zustand der Seele infolge der Taufgnade durchhalten, vervollkommnen wollen, dann heißt das: wir dürfen die Teilnahme am leidenden, verachteten und verklärten Heilandsleben als den großen Sinn unseres Lebens betrachten. Darum noch einmal – um im Bilde zu bleiben: Wenn mein Leben, wenn das Leben der Familie eine göttliche Komödie ist, dann ist der Heiland, dann ist Gott nicht nur der Hauptspieler, dann sollen wir als Nebenspieler nicht nur gleichsam ein Stück von ihm sein, nein, dann sollen wir auch sorgen, daß wir in möglichst vollkommener Weise wiederholen können: „Wer mich sieht, sieht den Vater“ (Jh 12,45). Ich bin ein alter (anderer) Christus. So wie der Heiland sich dem Himmelsvater ausgeliefert hat, so tue auch ich es. Und weil der Himmelsvater den Heiland als den Gekreuzigten, als den Zermarterten, als den mit der Lanze im Herzen Durchbohrten bestimmt hat, vollzieht er alles, was er am Heiland vollzogen hat, auch an mir. Und alles, was der Heiland hat aushalten dürfen, was der Vater an ihm vollzogen hat, vollzieht er in einzigartiger Weise auch an der Gesamtfamilie. Und weil das, was der Heiland durchgekostet hat, so reich, so überreich war, daß der einzelne es schwerlich nachvollziehen kann, hat der liebe Gott uns als Familie gedacht, so daß wir als Gesamtfamilie einen einzigen Heiland darstellen.

Der eine hat die Dornenkrone auf dem Haupt, der andere die Nägel in den Händen oder den Schmachmantel um oder die Lanze im Herzen…

Wir können jetzt das Wort wiederholen und es auf die Gottesmutter anwenden: Für uns – vor allem für uns als Frauen, aber auch für den Mann – ist die Gottesmutter die weibliche Form des Heilandslebens. Wenn wir wissen wollen, wie wir als Frauen das gemarterte und verklärte Heilandsleben nachzuahmen haben, brauchen wir darum nicht lange zu suchen, um die Form zu finden, die unserer Frauenart entspricht. Das haben wir alles im Leben der lieben Gottesmutter.

Merken Sie, was ich möchte? Ich könnte jetzt Gott weiß wie lange bei dem einen Wort stehenbleiben: „Auf schwerer Pilgerreise …“ Was ist vom Heiland gesagt? Mußte der Heiland nicht all das leiden, um so in seine Herrlichkeit einzugehen? (vgl. Lk 24,26) Das ist eine wunderschöne Welt!

Wenn wir an Kreuz und Leid denken, pflegen wir drei Ausdrücke aneinanderzureihen: Leidensnotwendigkeit, Leidensseligkeit, Leidensherrlichkeit! Mußte der Heiland nicht eingehen in seine Herrlichkeit? Die Herrlichkeit des verklärten Leibes, der verklärten Seele ist eine Frucht der Leidensnotwendigkeit, der Leidenstragik, der Leidensfülle. Somit darf man mit Recht auch von einer Leidensherrlichkeit und von einer Leidensseligkeit sprechen, weil ich durch mein Kreuz und Leid die Vorbedingung erfüllt habe, um letzten Endes endlos selig zu werden in Gott. Wir brauchen nur einmal in unser eigenes Innere hineinschauen, dann werden wir finden, wie wahr das ist: Wer als Glied Christi leidet, wer sich innerlich frei macht, daß der Heiland sein Leidensleben noch einmal nachleben kann, erfährt durch diesen inneren Zusammenhang jetzt schon eine ungemeine innere Seligkeit.

Ich könnte mir zum Beispiel sehr gut vorstellen, daß diejenigen, die in den verflossenen Jahren so stark unter dem Druck gelitten haben, es gar nicht lange aushalten, daß jetzt eine innere Entspannung da ist. Sehr bald wird wieder das Bedürfnis nach klaren Zielen für Opfer und Leid kommen. Das Ziel habe ich Ihnen angegeben. Wie lautet es? Sich so tief von sich selber lösen, daß man nicht einmal mit dem Opfer, mit dem Leid, mit dem Kreuz, das man trägt, zufrieden ist, vor allem aber, daß man all das, was man selbst als Leistung, als Opferkraft aufbringt, geringwertet, bloß um eines hochzuwerten: Gott in mir. Ich denke, daß Sie das verstehen, so gegensätzlich das auch klingen mag. Das ist das schwerste, das größte Opfer, sich so von sich zu lösen, daß man höchste Forderungen an sich stellt und darin nicht müde wird, daß man aber letzten Endes das alles gegenüber der Rolle des Hauptspielers so geringwertet, daß das kleine Ich mehr und mehr verschwindet.

Das Kind ist für den Vater in der Eigenbewertung ein kleines Nichts und deshalb sein Alles. Der moderne Mensch wird das zunächst nicht verstehen, weil er sein Kleinsein, sein Kleinheitserlebnis immer als Minderwertigkeit empfindet. Deswegen können wir das, was wir auf der jetzigen Höhenlage erstreben, auch nicht jedem sagen. Weil durch die heutigen Verhältnisse unsere Erziehung so krank geworden ist, müssen wir erst sorgen, daß jeder Mensch ein gesundes Selbstbewertungsbewußtsein bekommt. Später liegt das Selbstbewertungsbewußtsein darin, daß Gott bewertet wird und ich teilnehme an der Bewertung Gottes. In der Gottbewertung erlebe ich ein Stück Selbstbewertung.

„Auf schwerer Pilgerreise …“ Darf ich jetzt aufhören? Ich will nicht länger bei dem Wort „schwer“ stehenbleiben, Nach der ersten Gefangenschaft hatten die Marienschwestern das Ziel, solange das „Fessellied“ täglich zu beten, als die Gefangenschaft gedauert hat. Es mag der Mühe wert sein, sich nun etwas Ähnliches festzulegen. Natürlich darf das dann nicht nur ein Hersagen sein, es muß alles wieder neu gekostet werden. Die einzelnen Worte uollen mit dem, was wir erlebt haben, gefüllt werden.

„Auf schwerer Pilgerreise
hat Gott sich groß und weise …“

Ich darf wiederholen: Hier steht der Gott des Lebens vor mir. Wie steht er vor mir? Es geht hier um eine Pilgerreise, die vom Gott des Lebens speziell für uns als Familie geplant ist. Sie ist also nicht zufällig, sie ist sorgsam geplant, Und es handelt sich um eine Pilgerreise, die vom Gott des Lebens sorgsam gelenkt und – wenn es möglich wäre – noch sorgsamer hingeordnet wird zum lebendigen Gott, zum Besitz Gottes, Was haben wir hier vor uns? In anderer Ausdrucksweise die ganze Welt des Vorsehungsglaubens. Jetzt müssen Sie nur prüfen, ob die Ausdrücke in dem Text wirklich so gemeint sind. Sie brauchen nur die Zusammenhänge zu sehen.

„Auf schwerer Pilgerreise…“ Hier ist das Leben in seiner Verzettelung, in seiner Schwierigkeit, in seiner Dramatik gemeint. „Auf schwerer Pilgerreise hat Gott…“ Welcher Gott ist hier gemeint? Primär der Gott des Lebens. „… hat Gott sich groß und weise…“ Inwiefern groß und weise? Gott hat einen großen und weisen Plan entworfen. Die Pilgerreise ist also kein Zufallstreffer. Auch was mich im einzelnen trifft – es mag sein, was auch immer -, ist kein Zufallstreffer. Gott hat also von dieser Reise einen Plan entworfen. Er selber hat unmittelbar die Zügel meines Lebens festgehalten; er hat die Reise seinsgemäß, gesinnungsgemäß und lebensgemäß gelenkt und ständig auf das letzte Ziel hingeordnet. Was ist das eine wunderschöne Lebensauffassung, die man natürlich nur teilen kann, wenn der Gott des Lebens durch den Vorsehungsglauben instinktiv überall gewittert wird! Nehmen Sie den Vorsehungsglauben weg, dann haben Sie morgen – wie es heute ja tatsächlich ist – mit dem Gott des Lebens den ewigen Gott selber gemordet.

Jetzt will ich schließen. Ich habe mir vorgenommen, nicht länger als eine Stunde zu plaudern.

Aus: Vortrag 1965, 26. November (C)

in: Rom-Vorträge 24. Nov. – 3. Dez. 1965, o.O., o.J., 97-124, Seite 110 – 124