JoBr52-05_132-140 Das Liebesbündnis in Verbindung mit dem Vorsehungsglauben II

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Das Liebesbündnis in Verbindung mit dem Vorsehungsglauben II

Heroismus des Vorsehungsglaubens

Heroismus des Vorsehungsglaubens

Vaterweisheit hat das Dunkel der Verfolgungszeit benutzt, um die Familie auf den Gipfel der drei göttlichen Tugenden zu führen. Dafür finden sich ungezählt viele Belege in den »Karmel- und Dachau-Briefen(13)«.

Da heißt es zum Beispiel:

»Ja, wir sind von Unbegreiflichkeiten umgeben. Das war schon immer so. Wir haben auch ein wenig davon geahnt und erfaßt – aber nur ganz wenig. Wir glaubten zwar, aber der Glaube war nicht lebendig und tief genug. ]etzt erst wächst alles ins Ungemessene. So muß es ja kommen, wenn Inscriptio nicht Phrase sein soll. Der Heroismus der darin wirksamen Hingabe weckt den Heroismus des Glaubens, der in /

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nuce(14) allerdings schon vorhanden sein mußte. Darin liegt die pädagogische Bedeutung der augenblicklichen Situation für unsere Schwestern. Deren Schicksal ist von Anfang an mit mir verknüpft; deshalb erhält auch die ganze übernatürliche und natürliche Welt für sie jetzt so greifbare Gestalt in Verbindung mit mir. Das ist der Grund, weshalb ich es für klug halte – und gottgewollt -, in ihnen nebst Heroismus der Hingabe auch den des Glaubens und Vertrauens zu pflegen. lst allerdings ein Meisterstück. Wenn Glauben und Vertrauen von Hingabe gelockert werden, machen sie unruhig. Harmonie zwischen allen dreien schafft Mariengestalten. ‘Beata, quia credidisti(15).’ Darin besteht die Wurzel ihrer GröBe. Je mehr wir gläubig übernatürlich Unbegreiflichkeiten umfangen, desto mehr werden wir echt christlich. Denk an die Worte, die darüber in den ‘Sponsa-Gedanken(16), stehen(17).«

Oder:

»Ich werde die Sorge nicht los, daß unsere Schwestern wegen Enttäuschungen müde werden. Es wird darum gut sein, daß Sie … die Situation [[48]] besprechen und Wege zeigen, nicht nur unheilige Unruhe zu bannen, sondern tiefer in die drei göttlichen Tugenden hineinzuwachsen.

Setzen Sie auseinander: Erstens, weshalb ich selbst neuestens mit großer Ruhe, aber auch mit Bestimmtheit – im Gegensatz zu früher – mit der Freiheit rechne; zweitens, welche Bedingungen erfüllt werden müssen: a) Leben aus der Inscriptio, b) besonders Heroismus der drei göttlichen Tu- /

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genden; drittens daß die Hauptsache nicht Freiheit, nicht Fruchtbarkeit ist, sondern Gott, Gott, Gott.

All das hindert uns nicht, im Gegenteil: gerade deswegen(18) sind wir bereit zu ewiger Kerkerhaft, wenn es Gott Freude macht. Meine Befreiung ist deswegen so schwer, weil sie gleichbedeutend ist mit einem Freibrief für die ganze Familie. Nächstens – Mittwoch – ist wieder Marienfeiertag. Also: Nochmals Ruhe, Ruhe … und Heroismus der göttlichen Tugenden(19).«

Oder:

»Es kommt mir darauf an, daß wir alle durch die Verhältnisse ganz tief in die Übernatur hineinwachsen. Deshalb stehe ich stets auf der Lauer, damit der Teufel nur ja nicht in die Familie hinein kann, weder durch ein Loch, noch durch eine Ritze. So kommt es, daß ich sofort auf dem Platze bin, wenn auch nur von ferne ein Wölkchen der Gefahr aufsteigt. Sind Sie jetzt zufrieden(20)?«

Oder:

»Wenn … der Öffentlichkeit die Bedingung für meine Freiheit noch nicht mitgeteilt, dann tun Sie es bitte – ohne viel Hin und Her. So wie Sie es schreiben, habe ich die Situation aufgefaßt. Eine wirkliche Unruhe habe ich noch nicht bemerkt und vorausgesetzt, sondern nur die Gefahr. Deshalb meine Sorge, daß mir ja niemand von der erklommenen Höhe des Übernatürlichen heruntersteige.

N. N. mag Ihnen und dem Kreise(21) vorlesen, was ich ihr /

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gestern mitgeteilt. Auch jetzt noch muß ich alle Erzieherinnen bitten, alle Gelegenheit auszunutzen, daß unsere Schwestern ganz übernatürlich, das heißt Meisterinnen der drei göttlichen Tugenden werden. Vielleicht erhalten wir nicht mehr so schnell ähnlich günstige Situation. Sorgen Sie also weiter, daß alles in der Familie nach oben wächst, so wie es im Dankeslied steht:

‘Was irdisch war im Denben,

zu menschlich im Verschenken,

wollt’ Gott nach oben lenken

und ganz in sich versenken.(22).«

Oder:

»Sie haben mich gut verstanden. Erziehen Sie also unsere Oberinnen so, daß sie förmlich schwimmen in der übernatürlichen Wirklichkeit, in den drei göttlichen Tugenden im Sinne unserer Familie. Ob Sie ahnen, wie froh, dankbar und glücklich mich alles macht, was jetzt in den Seelen unserer Schwestern reift? Dann verstehen Sie auch, daß es mir nicht leicht fällt, meine Zelle zu verlassen oder nicht nach Dachau zu gehen. Das war und ist immer mein einziges Ziel gewesen, sie ganz Gott und der lieben Gottesmutter zu schenken. So wirksam wie seit September(23) ist das bisher noch nie geschehen. Wie muß uns das Mittel ans Herz gewachsen sein, das so Großes gewirkt hat und ständig weiterwirkt!(24)«

[[49]] Oder:

»Wir haben jetzt die günstigste Gelegenheit, den Wurf ins Übernatürliche mit heroischer Geste zu wagen. Helfen Sie, /

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die Familie auf diese Höhe zu führen. Sie selbst gewinnen dadurch am meisten. Ich finde darin einen überaus hohen Akt und Beweis des Vertrauens, daß die heilige Dreifaltigkeit und die Gottesmutter unsere Bitten nicht so schnell erhören. Alle trauen uns etwas zu. Das täten sie nicht, wenn sie das übernatürliche Gebäude unseres Tugendlebens nicht vorher fest fundiert hätten. Deshalb immer festhalten: Erstens ernst machen mit dem Leben aus der Inscriptio. Zweitens immer wieder: Vertrauen gegen alles Vertrauen, Glauben gegen alles Glauben und so weiter.

Es ist viel auf dem Spiele. Im Hintergrund steht selbstverständlich mit souveräner Majestät der Gedanke: Aber alles – auch die Freiheit – nur, wenn und soweit Gott sie will. ‘Dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden’ (Mt 6,10). Ich bete und opfere weiter für Sie(25).«

Was wir oben vom Vorsehungsglauben und seiner Vollendung durch die Gaben des Heiligen Geistes in unserer Familiengeschichte gesagt, läßt sich auch einfacher ausdrücken. Da und dort erklärt man nicht mit Unrecht, dieser Vorsehungsglaube sei uns so stark in Fleisch und Blut übergegangen, daß man schlechthin bei uns von einer ausgesprochenen Weltanschauung sprechen könne, die mit Leichtigkeit die außergewöhnlichen Belastungen der heutigen Zeit zu tragen imstande sei.

Der »Oktoberbrief« 1949 weist in demselben Sinne hin auf »Gottes Wink und Wunsch, den er wegweisend durch die Seinsstruktur von Menschen und Dingen sowie durch Verknotung und Aufknotung öffentlicher und privater Verhältnisse kundtut und zum Hauptkalendarium und Hauptfahrplan des Lebens und Wirkens ge- /

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macht wissen will(26)«. Der Brief knüpft an diese lichtvolle Erklärung einen kurzen geschichtlichen Überblick an:

»1914 leuchtete uns nur ein kleiner Lichtstreifen, vergleichbar der ganz von ferne aus der Dunkelheit sich langsam loslösenden Morgenröte. Wir konnten ja erst auf zwei kurze Jahre Familiengeschichte zurückblicken und schüchterne Deutungsversuche wagen. Deshalb auch die vorsichtig tastende Art, mit der die Gründungsurkunde zu Werke geht. Sie schreibt: ‘Wer die Vergangenheit unserer Kongregation kennt, dem wird es nicht schwer, zu glauben, daß die göttliche Vorsehung mit ihr noch etwas Besonderes vorhat(27).’

In der Folge sprach Gott durch die Verhältnisse deutlicher. Jahr für Jahr stieg sein Licht höher und höher. Klarer und heller leuchtete sein Antlitz aus Familien- und Zeitgeschichte. Die Ereignisse um Schönstatt und in Schönstatt hoben sich mehr und mehr eigenständig und eigengesetzlich aus dem Dunkel der Zeit ab und erleichterten die vorsehungsgläubige Deutung. Gottes Stimme drang verständlicher an unser aufhorchendes und sich ständig schulendes Ohr. Sie verlangte wachsend größere Wagnisse, die in den verflossenen Kriegszeiten kein alltägliches Gesicht und Gewicht annahmen.

Sie sprach immer verhalten und wie aus weiter Ferne. Niemals erschien uns eine Hand wie vor Zeiten König Balthasar in Ninive, die geheimnisvolle Zeichen an die Wand malte und so die Zukunft voll enthüllte; nie sprach Gott zu uns durch das plötzliche Ergrünen und Blühen eines entblätterten Stabes, wie er es ehedem durch die Rute Aarons getan. Nie hatten wir Gesichte wie Cornelius und Petrus(28), nie Träume, /

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durch die er zu uns sprach wie zu Don Bosco. Trotzdem wagten wir Jahr für Jahr zuversichtlicher das [[50]] Wort des ägyptischen Magiers zu wiederholen: Hic est digitus Dei(29). Gott ist es, der durch die Zeichen der Zeit sein Antlitz entschleiert und zu uns spricht.

Was seinen Worten an unmittelbarer Klarheit fehlte, verlangte einen Todessprung fur Verstand, Wille und Herz. Wagemutig haben wir ihn vollzogen. Wir taten es in allen Etappen der Geschichte. Jede Höherführung, jedes Emporklettern, jedes Schreiten auf gefährlichen Bergesgipfeln verlangte diesen hohen Preis.

So wuchs in uns ein ausgesprochenes Geschichtsbewußtsein, will heißen, die aus tiefer, vorsehungsgläubiger Geschichtsdeutung fließende Überzeugung von einer geschichtsschöpferischen Sendung Schönstatts zur Verwirklichung einer klarumrissenen Zukunftsvision(30).

So ist Schönstatt entstanden, so ist Schönstatt gewachsen, so rüstet es sich Jahr für Jahr zu neuer Arbeit, zu neuen Kämpfen, zu neuen Siegen: Das Kriegskind ist ein Vorsehungskind und möchte es ewig bleiben(31).«

Für den kritischen, sachkundigen Geschichtsschreiber stehen aus der Analyse solcher und vieler ähnlicher Grundlagen drei Tatsachen einwandfrei fest.

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Erstens: Der praktische Vorsehungsglaube ist es, der Gottes Planung mit Schönstatt erkannt hat und verwirklichen half.

Zweitens: Der praktische Vorsehungsglaube ist es, der im Laufe der Jahre die Feuerproben bestanden hat.

Drittens: Der praktische Vorsehungsglaube ist es, der allen Schönstattkindern, die treu zur Familie, zur Familienmutter und zur Familiensendung gestanden, als Gnade und Charisma in reichem Maße angeboten und geschenkt worden ist.

Die Folgerung aus dieser dreifachen Tatsache ist leicht zu ziehen: Wer so in der Schule unseres originellen Liebesbündnisses groß geworden ist, wer so siegreich mit dem Gott des Lebens und den Unbegreiflichkeiten seiner Führungen und Fügungen im eigenen Leben und in der Familiengeschichte gekämpft, wer göttliche Weisheit hinter allen unentwirrbaren Verknotungen, wer göttliche Allmacht hinter scheinbarer göttlicher Ohnmacht und wer unendlich göttliche Liebe hinter Grausamkeit und Ungerechtigkeit gekostet hat, dem kann es nicht schwerfallen, »dem, der auf dem Tnrone sitzt« (Apk 5,1), auch dann die Zügel des Weltgeschehens in der allmächtigen, allgütigen, allweisen Hand zu lassen, wenn es den Anschein hat, als wenn sie dem Wagenlenker entglitten wären, der braucht die Bedrohung seiner christlichen Existenz nicht zu fürchten.

Ungezählt viele Schönstattkinder haben in den verflossenen Jahren an Kriegsfronten, die einer losgelassenen Hölle glichen, oder in Gefängnissen und Konzentrationslagern, in denen Tod und Teufel erschreckende Triumphe feierten, die Probe auf das Exempel gemaeht und bestanden. Was kürzlich einer aus unseren Reihen /

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bekannte, der lange Jahre in russischen Lagern geschmachtet hat, gibt eine allgemeine Erfahrung wieder. Er schreibt: »Ich habe mit großem Interesse in allen Situationen die Brauchbarkeit unserer Schönstätter Art, das Leben zu meistern, ausprobiert. Sie hat sich glänzend bewährt. Darum bleibe ich Schönstatt in allen Lagen treu!«

Zeugnisse dieser Art bekommen erst das rechte Gewicht, die Bedeutung unserer originellen Bündnisschule tritt erst dann ins helle Licht, wenn wir den Gegenstand unseres Vorsehungsglaubens näher ansehen und in größere Zusammenhänge stellen.

13. Briefe P. Kentenichs aus dem Gestapo-Gefängnis Koblenz in der Karmeliterstraße und aus dem Konzentrationslager Dachau, die zum größten Teil auf illegalem Wege befördert wurden.

14. Im Kerne.

15. Selig, weil du geglaubt hast (Lk 1,45).

16. »Sponsa-Gedanken« oder »Nova Creatura in Jesu et Maria« ist eine Studie, die P. Kentenich Anfang Januar 1942 im Koblenzer Gefängnis »unter sehr primitiven Verhältnissen ohne Unterlage« auf Zettel von Abreißblöcken niederschrieb. Sie war gedadt für die Exerzitien des damaligen Noviziatskurses der Marienschwestern.

17. Brief vom 13.2.1942 an P. Menningen.

18. Weil Gott alles ist (Erklärung P. Kentenichs).

19. Auszug aus einem Privatbrief an eine Marienschwester, der in die Sammlung der Karmel- und Dachaubriefe aufgenommen ist.

20. Wie Anm. 19.

21. Der Leitungskreis der Marienschwestern.

22. Wie Anm. 19; zuletzt ist Himmelwärts, 164, zitiert, das P. Kentenich vor dem 2.2.1942 verfaßt hatte.

23. Seit der Gefangennahme P. Kentenichs am 20.9.1941.

24. Wie Anm. 19.

25. Wie Anm. 19.

26. Oktoberbrief 1949 an die Schönstattfamilie, 13.

27. Schönstatt, Die Gründungsurkunden, 24.

28. Vgl. Schütz, a.a.O., 90 mit den Hinweisen auf Dan 5,5; Num 17,16 ff.; Apg 10,3 ff.

29. Das ist der Finger Gottes (Ex 8,15).

30. »Zukunftsvision« meint die durch das ‘Gesetz der geöffneten Türe’ und der ‘schöpferischen Resultante’ erworbene Sicht von Gottes Planung mit Schönstatt.

31. Oktoberbrief 1949 an die Schönstattfamilie, 14 f. Die Hervorhebungen dieses Zitats stammen meistens aus dem Oktoberbrief selbst, die letzte Hervorhebung hat P. Kentenich in dieser Studie 1952 angebracht.

Aus: Joseph Kentenich, Das Lebensgeheimnis Schönstatts. I. Teil: Geist und Form, Vallendar-Schönstatt 1971, 242 S. – www.Patris-Verlag.de