Teufel

Teufel

Herbert King

Pater Kentenich rechnet ausdrücklich mit dämonischen Mächten. In dieser Hinsicht steht er in der entsprechenden Tradition des Neuen Testamentes und der Kirche. Das verbindet ihn auch speziell mit der Erfahrung und Lehre der Heiligen. Nichts davon soll verloren gehen. Und dennoch wird bei Pater Kentenich alles auch wieder neu gesehen und akzentuiert, bekommt einen neuen Stellenwert.

Pater Kentenich lehrt, mit dem Einfluss des Teufels zu rechnen. Dies gehört zu seiner Auffassung vom christlichen Realismus. Diesem entsprechend gibt es Geister, die nur „durch Gebet und Fasten“ (Mt 17,20) ausgetrieben werden.

Allerdings leitet ihn an dieser Stelle eine große Nüchternheit. Höllenspekulationen sind ihm fremd. Hölle und Teufel als pädagogisch-pastorales Drohelement lehnt er ab. Außergewöhnliche teuflische Phänomene wie Besessenheit hält er für möglich. Sie spielen in seiner Verkündigung aber keine Rolle. Der starken Hervorhebung des Teufels in der Kirche seiner Zeit versucht er entgegenzuwirken. So wird er in den dreißiger Jahren von leitenden kirchlichen Vertretern ausdrücklich kritisiert, weil in seinen Exerzitien Höllenbetrachtungen eine zu geringe Rolle spielen.

Bei allem grundsätzlichen Rechnen mit der Wirksamkeit von dämonischen Mächten sollen erst einmal die „natürlichen“ Ursachen beobachtet und in ihrer Eigenwertigkeit gesehen werden. Und diese weisen sodann zunächst einmal auf Gott hin. Insofern gilt es erst einmal, die „schöpferische göttliche Resultante“ allen Geschehens zu sehen.

Das hindert ihn aber nicht, auch von einer „teuflischen schöpferischen Resultante“ zu sprechen, wenn das Böse aus rein menschlichen Faktoren nicht genügend erklärbar ist. So kann auch das gewöhnliche Alltagsleben ein möglicher Ort der Erfahrung des Teuflischen sein.

Eine prägende Erfahrung des Teuflischen ist für Pater Kentenich der Nationalsozialismus mit seinen menschliches Begreifen weit übersteigenden Grausamkeiten und Erfolgen. Bei allem Wissen um menschliche Schwäche und Bosheit, bei allen politischen, psychologischen, soziologischen Analysen und entsprechenden historischen Vergleichen bleibt ein Rest, der nur mit der Annahme einer besonderen Wirksamkeit des Teufels „erklärt“ werden kann, bzw. einen realen Einfluss des Teufels als einer wirksamen Geschichtsmacht annehmen muss.

Eine wichtige Zeit der Erfahrung des Dämonischen wurde für Pater Kentenich auch die Phase der kirchenamtlichen Prüfung seiner Gründung. Hier erfährt er, wie bestes menschliches Können und Wollen so verstellt und verwickelt werden kann, dass tiefste menschliche Beziehungen in die Brüche gehen, dass lauterstes Denken Verrat übt und vieles mehr, so dass der Hinweis auf menschliche Schwachheit und ein gewisses Maß an menschlicher Bosheit zur Erklärung nicht ausreicht, es einen teuflischen Überschuss gibt, eine teuflische „Resultante“. An dieser Stelle, setzt denn auch die ausführlichste Darlegung Pater Kentenichs zum Thema „Dämonen“ an (in einer Studie aus dem Jahr 1964).

So sieht Pater Kentenich vor allem die Geschichte, die persönliche wie die allgemeine, die kirchliche wie die nicht kirchliche, die Welt und Heilsgeschichte als einen Ort der Wirksamkeit des Teufels. Es ist eine bestimmte geschichtliche Situierung des Menschen und seiner Tätigkeiten, nicht so sehr seine Schwachheit oder erbsündliche Belastung, nicht nur seine konkrete böse Tat, die auf den Teufel schließen lässt. Er ist dann als wirksam anzunehmen, wenn sogar die besten Intentionen gleichsam an einen Karren gespannt sind, der das Böse transportiert, ohne es selbst zu wollen oder in jedem Fall zu wissen. Dann, wenn man meint, Gott einen heiligen Dienst zu leisten, wenn man tötet (Joh 16,2). So ist es im Kreuz Christi geschehen, dem zentralen Ort teuflischer Wirksamkeit.

Der Mensch steht zwischen hintergründigen göttlichen und teuflischen Mächten, die in einem dauernden Kampf miteinander liegen. Doch bleibt Gott der Allumgreifende. Er umgreift mit seinem Heilsdenken und tun die Wirksamkeit des Teufels. In Jesus Christus hat er sie definitiv unschädlich gemacht, wenn auch der Teufel, ein Bild der Patristik aufgreifend, gleichsam an einer langen Kette liegend, immer noch Einfluss hat. Er ist als eine echte >>“Zweitursache“ mit ihrer relativen Eigenwertigkeit in bestimmten geschichtlichen Situationen bald stärker, bald schwächer wirksam. Der Teufel ist somit bei Pater Kentenich als geschichtstheologische Größe hervorgehoben.

In solchen Zusammenhängen sieht Pater Kentenich auch die Gottesmutter Maria als („hintergründig“) geschichtlich wirksame Größe, der speziell der Kampf gegen den Teufel aufgetragen ist. Maria verdeutlicht dabei allerdings die Wirksamkeit Jesu Christi. Dadurch wird ein möglicher Dualismus Gott Teufel zurückgenommen. Gott steht als Alles in Allem über diesem Gegensatz und ordnet ihn, seinen Absichten entsprechend, in das Ganze ein.

Mit seiner Sicht der Wirksamkeit des Teufels in der Geschichte folgt Pater Kentenich der traditionellen christlichen Auffassung, wie sie vor allem Augustinus formuliert hat. „Er (Augustinus) sieht die Weltgeschichte außerordentlich stark unter dem Gesichtspunkt der Bedrohung des Gottesreiches durch das Teufelsreich. Diese Schau ist grundsätzlich betrachtet durchaus biblisch und entspricht zweifellos den historischen Tatsachen.“ Gleichzeitig korrigiert und ergänzt er die augustinische Auffassung: „Wird aber die Macht des Teufels überbetont, so treibt dieses Bild für gewöhnlich seine Anhänger und Vertreter in die Defensive, es weckt einen lähmenden Pessimismus und drängt zum Zurückziehen auf das Eiland der historisch gewordenen Kirche, die vielfach als eine kleine Herde gesehen und gewertet wird“ (1961).

Die Ergänzung sieht er in der optimistischeren inkarnatorischen Geschichtsauffassung der östlichen Kirchenväter. „Weltgeschichte als Heilsgeschichte ist danach ein ständig wachsender Reifungsprozess der gesamten Welt hinein in das Vollalter Christi“ (1961). Ein solches Geschichtsbild schließt auch die nicht-christlichen Völker ausdrücklich mit ein und stellt sie nicht der Kirche als Teufelsreich gegenüber. Dies ist besonders für unsere pluralistische Gesellschaftserfahrung von Bedeutung, wie Kentenich ausdrücklich hervorhebt. Göttliche und teuflische Einflusszone können nicht durch eindeutige strukturelle Zuordnungen sicher unterschieden und abgegrenzt werden.

>Geschichte, >>Unterscheidung der Geister.


Schönstatt-Lexikon:

Herausgeber: Internationales Josef-Kentenich-Institut für Forschung und Lehre e.V. (IKF)

Verlag: Patris-Verlag, Vallendar-Schönstatt – All rights by Patris-Verlag – www.patris-verlag.de

Online-Präsentation: Josef-Kentenich-Institut e.V. (JKI) – www.j-k-i.de

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