Moderne Schriffsteller wissen den hier gemeinten Lebensvorgang anschaulich zu schildern. Man nehme /
[198]
Bücher zur Hand wie Gustave Le Bon, Psychologie der Masse(32) oder Ortega y Gasset, Der Aufstand der Masse(33) oder Hendrik de Man, Vermassung und Kulturverfall(34). Alle sind auf denselben Ton abgestimmt. Hendrik de Man faßt in sechs Merkworten zusammen, wie die moderne Technik dazu geeignet ist, die Bildung des Massenhirns beim Massenmenschen zu fördern. Er erklärt:
»1. Das beschleunigte Tempo des Erlebens übersteigt die Grenze der Aufnahmefähigkeit des Bewußtseins.
2. Die übermäßige Menge der Eindrücke führt… bei der Masse zur Oberflächlichkeit.
3. Die Technik der Nachrichtenmitteilung schiebt zwischen Ereignis und Bild Vermittler ein, die den Charakter des Bildes ihren kommerziellen Interessen anzupassen bestrebt sind.
4. Durch die praktische Annihilierung der räumlichen und zeitlichen Distanz gehen die biologisch bedingten und historisch gewordenen Maßstäbe und Perspektiven verloren, so daß der Mensch sich nicht mehr orientieren kann.
5. Die Mannigfaltigkeit und Gewalt der Eindrücke erhöht nach und nach die Reizschwelle, woraus das Bedürfnis nach stets stärkeren Reizen entsteht.
6. Die gleichen Ursachen führen zu einer Primitivisierung der Empfindungen, zu einer Überschätzung des rein Quantitativen und zu einer Vereinfachung der Urteile, die einem Infantilismus der Massenseele gleichkommen(35).«
Das Handeln des modernen Durchschnittsmenschen wird von der ewigen Beweglichkeit und Unruhe der Maschine, von der er selbst ein Stück zu sein scheint, be- /
[199]
stimmt. Fast möchte man sagen, er handelt nicht mehr selbstmächtig aus einem Personenzentrum heraus, aufgrund von überlegten Entscheidungen; er wird gehandelt: homo non agit, sed agitur. Deshalb verliert Arbeit jeglicher Art mit der Zeit den Charakter der Teilnahme an der schöpferischen und sich verschenkenden Tätigkeit Gottes. Sie wird zum seelenlosen Betrieb und will stets vom lärmenden Betrieb als aufpeitschender Begleitmusik umgeben sein. Norm und Selektionsprinzip ist dabei der Lebensrhythmus der Masse. Sie, die wiederum vom Herrenmenschentum geleitet wird, bestimmt, was gut und schlecht, was schön und häßlieh, was liebenswert und verachtungswürdig ist. Das Gewissen spielt dabei keine Rolle mehr, noch viel weniger metaphysische Prinzipien. In der Masse, und nur in ihr, fühlt man sich wohl und glücklich. Einsamkeit, Alleinsein, Stille, Ruhe ist das größte Kreuz, ist eine unerträgliche Last, die man flieht wie die Pest, wie Tod und Teufel. Das schlimmste Verbrechen besteht darin, irgendwie und irgendwann aufzufallen, das heißt auch nur in etwa anders zu sein, anders zu denken, anders zu handeln, als die Masse es tut; oder – wenn auch nur um Kopfeslänge – über sie emporzuragen.
Dabei ist diese Masse absolut unbelehrbar. Sie kann nur durch suggestive Beeinflussung aus der Trägheit herausgerissen werden. Sie liegt wie ein unlösbar drückender Zwang auf den Individuen, dem man sich nur mit größter, heroischer Anstrengung entwinden kann. Von dieser Versklavung an die Masse ist der Weg bis zur Aufpeitschung der Masseninstinkte nicht mehr weit. Hat solche Entpersönlichung und Vermassung des Individuums einen hohen Grad erreicht, so sprechen wir – wie bereits gesagt – vom bolschewistischen Menschen.
[200]
Der moderne Durchschnittsmensch, der der bolschewistischen Propagandamaschine noch nicht ganz zum Opfer gefallen ist, der aber trotzdem vom Schwergewicht der Masse heruntergezogen und geformt wird, muß sich gleichfalls den Titel »Massenmensch« gefallen lassen. Er ist jederzeit der Gefahr ausgesetzt, Bolschewik zu werden, sobald der Parteiapparat in Bewegung gesetzt wird und es auf ihn abgesehen hat. Hendrik de Man stellt fest:
»In den meisten ‚vorgeschrittenen‘ Ländern befindet sich weitaus der größte Teil der Bevölkerung in einem Zustand, der nur in unerheblichen Punkten von diesem totalen Typ abweicht. Die Unterschiede hängen mehr mit dem Geschlecht und mit dem Alter zusammen als mit der sozialen Stellung oder gar mit dem Bildungsgrad. Die Frauen zum Beispiel richten sich in der Regel mehr nach der Mode als die Männer, und die Sportbegeisterung, wie sie sich nicht nur in der aktiven Betätigung, sondern auch im ’supporting‘ und im Wetten betätigt, ist unter der jüngeren Generation verbreiteter als unter der älteren. Von diesen Schattierungen abgesehen, gibt es nur in einer Minderheit von Fällen nennenswerte Abweichungen vom Typ des Massenmenschen, dessen Verhalten als Konsument durch Mode und Reklame, als Staatsbürger durch Propaganda und als soziales Wesen überhaupt durch Nachahmung von gesellschaftlichen Vorbildern bestimmt ist(36).«
Ortega y Gasset erklärt:
»So ist die Masse, mit der wir es zu tun haben, stärker als in irgendeiner anderen Zeit … durch nichts und niemand aus ihrer Verkapselung herauszulocken, sich selbst genug – mit einem Wort unbelehrbar(37).« »Darum sind Bolschewismus /
[201]
und Faschismus … deutliche Beispiele eines entschiedenen Rückschritts… das gerade Gegenteil von einem Neuanfang des menschlichen Lebens(38).« »Denn heute triumphiert der Massenmensch, und nur Bestrebungen, die von ihm ausgehen und denen er den Stempel seiner Primitivität aufgedrückt hat, [[171]] können einen sichtbaren Sieg feiern(39).« »Es handelt sich darum, den Einbruch des Urwalds aufzuhalten. Dem ‚guten Europäer‘ ist heute eine ähnliche Aufgabe gestellt wie den australischen Staaten, deren schwerste Sorge es bekanntlich ist, zu verhindern, daß die Kaktusfeige sich weiter ausbreitet und den Menschen ins Meer wirft. In den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts brachte ein Einwanderer aus den Mittelmeerländern, der sich nach seiner Heimat – Malaga? Sizilien? – sehnte, einen Scherben mit einem Kaktusableger nach Australien. Heute sind die Budgets von Ozeanien mit drückenden Posten für den Krieg gegen die Kaktusfeige belastet; sie hat den Erdteil überfallen und gewinnt alljährlich beträchtlich an Boden… Die Grundlagen, auf denen die zivilisierte Welt, die es zu erhalten gilt, ruht, existieren für dieses Geschlecht nicht. Die fundamentalen Werte der Kultur sind ihm gleichgültig(40).«
In den Kursen des Jahres 1941 habe ich öfters ein Wort von Hitler zitiert; es lautet ungefähr so: Der christlichen Lehre von der Freiheit der Persönlichkeit stelle ich die Erlösungslehre von ihrer Unfreiheit und ihrem vollkommenen Aufgehen in der Masse gegenüber. Ich sehe den neuen Menschen bereits am Werden, er ist furchtbar und grausam(41). Damit ist zur Genüge die Gefahr der Massendämonie geschildert.
[202]
Bei Licht betrachtet, müssen wir alle wohl oder übel gestehen, daß wir ohne Ausnahme ihrem entpersönlichenden Einfluß ausgesetzt und in nicht geringem Grade zum Opfer gefallen sind. Wenn wir in den pädagogischen Kursen von 1950 und 1951 festgestellt haben, daß das seelische Volumen des heutigen Menschen wegen Industrialisierung und Säkularisierung des Lebens stark eingeschrumpft ist und daß die seelischen Fähigkeiten des heutigen Menschen an Aufnahmefähigkeit und an Spannkraft bedeutend eingebüßt haben – ob es sich dabei um Verstand, Wille oder Herz handelt(42) -, so dürfen wir jetzt beifügen: Alle diese Erscheinungen wachsen ins Ungemessene durch die moderne Massendämonie, die beides gleichzeitig ist, ihre Ursache und ihre Wirkung. Wer von uns kann mit Sicherheit sagen, er sei von ihrem nivellierenden Einfluß freigeblieben? Wer mitten im Strome des Lebens steht, der spürt, wie schwer es ist, sich ihren erdrückenden Umarmungen zu entwinden.
Wir hoben im Sinne Grignions die Idee des Ferseseins hervor(43); wir deuteten die Verwundung der Ferse als Einbuße auf der natürlichen Ebene und priesen sie als /
[203]
Vorbedingung des Sieges über die Schlange. Das mag ein großer Trost für alle sein, die irgendwie mit der Massendämonie in Berührung kommen. Das gilt vornehmlich von allen, die sich in Konzentrationslagern, in Gefängnissen oder auf Arbeitsstätten ihrem Druck nicht ganz entziehen können; die es nicht fertigbringen, die äußere Fessel zu sprengen, innerlich aber stark darunter leiden und sich soweit als möglich mit allen Mitteln dagegen wehren, auch wenn die Seele voller Dunkelheit ist und das Gefühl dem entwürdigenden Druck der Versklavung gegenüber abgestumpft oder aufgepeitscht wird.
Dem Gedanken, den wir hier meinen, gibt Hengstenberg in treffender Weise Ausdruck; er wendet ihn gleichzeitig verständlich auf die heutige Zeit an. Er schreibt im Geiste Grignions:
»Das ‚Fersesein‘ gewinnt für uns heute eine besondere Bedeutung angesichts der unabwendbaren dämonischen Infiltration des gesamten öffentlichen Lebens. Das corpus diabolicum macht seinen Einfluß auch auf die aufrechtesten Christen und gerade auf sie geltend. Das braucht mit Schuld nichts zu tun zu haben. Gott läßt es in seiner Vorsehung zu, daß der Dämon seinen Hauch bis zu gewissem Grade und bis zu einer gewissen Stufe auch in die Persönlichkeit des echt Gläubigen hineinsendet. [[172]] Der Befallene kann diesen Einfluß bis aufs äußerste ablehnen, der Einfluß ist damit doch da. Absperrungen nützen nichts. Ihr Versuch würde nur zu einer verfehlten Bewahrungspädagogik führen, zur Fiktion eines idyllischen religiösen Privatbereiches. Man täte so, ‚als ob‘ man unbeeinflußt wäre, und das würde dem Dämon erst recht den Zugang öffnen. Der Einfluß der modernen Massendämonie ist in der heutigen Gesellschaft allseits wirksam. Der Sturz einer politischen Massenorganisation in einem einzelnen /
[204]
Lande kann diese Situation nicht allein ändern. Die Weise des Menschseins ist heute kollektivistisch verdorben. Der Einfluß der Massendämonie braucht, wie gesagt, keine Schuld bei dem Befallenen zu bedeuten. Widersagt der Leidende diesem Hauch im Tiefsten seines Herzens, so kann dieser Hauch nichts als gewisse Hemmungen in seiner Seele hervorrufen, die allerdings weiterhin unheimliche Trostlosigkeit zur Folge haben können. Das Ja zum Bösen kann der Dämon nicht erzwingen. Erfolgt aber dieses Ja, dann verändern sich die Phänomene grundlegend. Dann zeigt der Befallene nieht nur ein Leiden an der dämonischen Umgebung, sondern eine aktive Teilnahme an der dämonischen Infiltration. Er ist auf die ‚Spielregeln‘ der Massendämonie eingegangen, auf die Welt ihrer Wertungen, Verharmlosungen, Täuschungen, Fiktionen, Vergötzungen und so weiter.. .
Wir wollen uns hier mit einem einzigen anschaulichen Beispiel begnügen. Wer als Soldat mit der Welt des sogenannten ‚Kommiß‘ in Berührung gekommen ist, weiß, wie eine solche Umgebung das Empfindungsleben verändern und ertöten kann. Gewisse innere Worte, Erlebnisse, seelische Aufschwünge, auch das Bewußtsein der Gottverbundenheit, können unter Umständen unmöglich werden. Es tritt eine Lähmung der gesamten Erlebnisfähigkeit ein. Auch dringen Eindrücke störend in die Seele ein, die wir sonst leicht und ohne besondere Anstrengung abgewehrt haben könnten. Ein Gefühl der Trostlosigkeit und Verlassenheit überfällt uns, das wir willensmäßig nicht aus der Seele verbannen können. Wir sagen deshalb aber in keiner Weise ja zu diesen Einflüssen des Milieus. Im Gegenteil, indem wir an diesen Beeinflussungen leiden, beweisen wir, daß wir sie ablehnen und daß wir der Wertungswelt, aus der sie stammen, in keiner Weise verfallen sind. Der innere Wille und Glaube ist intakt, nur die peripheren Sehichten, in denen sich sonst der Glaube zum Ausdruck und zur Erlebnisgewißheit bringen konnte, sind gestört. Erfahrungsgemäß wäre es aber in solcher Lage falsch, sich durch eine künstliche Isolierung retten zu wollen.
[205]
Es sind eben Einflüsse da, über deren Dasein oder Nichtdasein, Wirken oder Nichtwirken wir unmittelbar keine Macht haben. Was für diesen ‚Kommiß‘ galt, das gilt in gewisser Weise für das gesamre moderne Dasein, das vom Massenprinzip und seiner Atmosphäre mehr oder minder beeinflußt ist.
Solange das Nein zum dämonischen Anhauch besteht, bleibt der Leidende seinsmäßig, was er ist. Er bleibt im Besitze seiner Personalität Streiter Christi. Durch die Hemmungen und Trostlosigkeiten ist er nur psychologisch an dem frohen Genuß seiner seelischen Kräfte, seiner – tatsächlich weiterbestehenden – Gottverbundenheit in Christus und seines Seelenfriedens gehindert. Wir haben den Sachverhalt nach einem Gleichnis beschrieben: Wenn die Flut in einem Hause von Etage zu Etage höher steigt, bis der Besitzer auf die Spitze seines Hauses fliehen muß, dann bleibt er dennoch tatsächlicher und rechtmäßiger Besitzer seines Hauses.
Widersteht der Befallene so in der ‚Spitze seiner Seele‘, so bleibt er nicht nur ‚bewahrt‘, sondern er leistet zugleich Sühne für diejenigen, die mit eigener Schuld oder ohne den nötigen Widerstand der Massendämonie erlegen sind. Die unschuldige Befallenheit wird zur Sühne für die schuldhafte Befallenheit. Damit ist der Befallene zum Gegenangriff vorgegangen. Die ungewollte, aufgezwungene Befallenheit wird in Freiheit zu einem Opfer verwandelt. An Stelle der Gleichschaltung und [[173]] Überwalzung in der Masse ist eine einmalige Persönlichkeit im Opfer erstanden, wie sie sonst nicht hätte werden können. Dieses Opfer hat sühnende Kraft gegen die Massendämonie und ist fähig, diese im Sinne eines Exorzismus (im weiteren Sinne), in der Mitwelt auszutreiben. Dieses Opfer ist nur in Christus möglich: es ist Teilhabe an Christi Gottverlassenheit am Kreuz.
Das ‚Gesetz der Sühne‘ wird deutlich: Der Leidende übernimmt genau jene Seinsentwürdigung, unschuldig, die durch die Mitmenschen schuldhaft in der Gesellschaft erzeugt war. /
[206]
Denken wir an einen Fall, daß ein Christ durch frevelhafte Staatsgewalt in ein Kollektiv hineingezwungen worden ist. Diese Situation herrscht aber generell dann, wenn das ganze Staatsgefüge kollektivistisch verdorben ist. Aber selbst wenn das im einzelnen nicht der Fall ist, so herrscht der Geist der Massendämonie bis zu einem gewissen Grade doch heute in der ganzen Welt. Es ist unsere Zeitkrankheit.
Die Beziehung zum ‚Fersesein‘ dürfte ohne weiteres klar sein. Die Ferse muß den Schmutz berühren, um den Körper zu tragen. Der von der Massendämonie berührte Christ muß die Erniedrigung und den Schmutz der Einwirkung dulden, um Christus zu tragen – ein moderner Christophorus! – und um sühnend von innen her – bei sich selbst angefangen – die Massendämonie zu überwinden. Die Ferse muß sogar verletzt werden, damit der Schlange der Kopf zertreten wird: Der die Massendämonie erfahrende Christ muß tatsächlich eine Verletzung bis in seine Seele hinein erdulden. Es geht nicht ohne Verluste, Schäden, Einbußen ab; und nur so kann die Massendämonie sühnend überwunden werden. Ein ‚Unberührtheitsideal‘ ist heute auf seelischem Gebiet absurd. Es gibt einen endzeitlichen ‚Greuel an heiligem Orte‘, nicht nur, sofern Kirchen und Tabernakel zerstört werden, sondern auch, sofern Vergewaltigungen und Überfremdungen in den Seelen geschehen. Auch im Seelischen gibt es eine ‚Übermacht‘, die nicht abgewendet, sondern nur sühnend ertragen und in reines Opfer verwandelt werden kann. Diese Verletzungen der Ferse sind Preis für den Sieg.
Das Fersesein ist unüberschlagbare Stufe unserer Sühne heute. Denn es bezeichnet die äußerste Demut. Größere Demütigung kann es für ein geistiges Wesen nicht geben als die, daß der Satan bis zu einem gewissen Grade, wenn auch nicht im Tiefsten und Wesentlichen, in seine Persönlichkeit eindringt und dort Störungen verursacht. Der dämonische Hochmut der heutigen Gesellschaft kann aber nicht anders überwunden werden als durch die größte Demut auf der anderen /
[207]
Seite. Jede Zeit hat wie ihre spezifische dämonisme Verstrickung so auch ihre entsprechende ‚zeitgemäße‘ Sühneform.
Das Fersesein hat eine unmittelbare Beziehung zu Maria, schon deshalb, weil sie das demütigste Magdtum verkörpert. Dann aber auch deshalb, weil wir zum ‚Samen des Weibes‘ gehören und Maria aus ihrer heilsgeschichtlichen Stellung – und nicht erst durch ihren Willen – der Feind des Satans ist. Gewiß bekämpft der Satan in Maria letztlich Christus. Aber Maria ist gleichsam das erste Hindernis, das erste Bollwerk, das ihm durch Christus entgegengeworfen wird. Deshalb wendet sich die Wut der Schlange konzentriert gegen Maria, die Gebärerin des Erlösers. Das ist alter christlicher Glaube von den Vätern an. Und niemand kann uns daher eine unchristliche Neuerung vorwerfen, wenn wir sagen, daß unser Kampf gegen den Satan über Maria als Sammelpunkt des Kampfes geht und daß wir im Zeichen Mariens kämpfen müssen. Im Fersesein tragen wir das Zeichen Mariens.
Zur ersten Stufe der Sühne gehört natürlich nicht nur das Fersesein im engeren Sinne als unschuldiges Erleiden einer dämonischen obsessio(44), sondern alles Ertragen der Zeitnot in Bußgesinnung. [[174]] Mögen wir heute noch so vieles Unrecht erfahren, vor Gott ist es Gelegenheit zu Buße und Sühne! Wenn der Scherge zu verurteilen ist, so ist doch nicht das Strafgericht Gottes abzulehnen, das durch den Schergen auf uns zukommt.
Es gehört zur Sühne, daß auch viele Guten und viel Gutes zerbrochen werden. Wir sprachen schon von den modernen Schlachtfeldern, die nicht nur den ‚Strom‘ aufnahmen, den die Schlange dem Weibe der Apokalypse nachspeit, sondern viele der Besten vertilgten.
[208]
Der endgültige Friede ist gebunden an mannigfaltige Vernichtungen. Christus konnte sein Wort ‚Friede sei mit euch‘ erst endgültig nach seiner Auferstehung zu den Jüngern sprechen, nachdem also sein irdischer ‚Tempel‘ abgebrochen worden war zur Wiederauferstehung. So muß auch Gutes untergehen zur Sühne, um der Auferstehung und des Friedens willen(45).«
Später weisen wir nach, wie unser Liebesbündnis mit der Mater Ter Admirabilis fähig ist, unsere durch Massendämonie bedrohte Existenz nicht nur zu retten, sondern auch zur Vollendung zu bringen. Hier müssen wir mit der Diagnose der heutigen Zeitkrankheit zufrieden sein.
32. Stuttgart 1951.
33. Hamburg 1956.
34. Untertitel: Eine Diagnose unserer Zeit, Bern ³1970.
35. A.a.O., 88 f.
36. A.a.O., 45.
37. Ortega y Gasset, a.a.O., 47.
38. A.a.O., 67.
39. A.a.O., 69.
40. A.a.O., 64 f.
41. H. Rauschning, Gespräche mit Hitler, Zürich o. J., 212: »Ich befreie den Menschen … von den Ansprüchen einer Freiheit und persönlichen Selbständigkeit, denen immer nur wenige Menschen gewachsen sein können… Der christlichen Lehre von der unendlichen Bedeutung der menschlichen Einzelseele und der persönlichen Verantwortung setze ich mit eiskalter Klarheit die erlösende Lehre von der Nichtigkeit und Unbedeutendheit des einzelnen Menschen und seines Fortlebens in der sichtbaren Unsterblichkeit der Nation gegenüber.« P. Kentenich zitierte dieses Wort im Exerzitienkurs »Der apokalyptische Priester« 1940/41.
42. Vgl. J. Kentenich, Grundriß einer neuzeitlichen Pädagogik für den katholischen Erzieher, Vallendar 1971, 2.-7. Vortrag; und: J. Kentenich, Daß neue Menschen werden, Vallendar 1971, 1.-6. Vortrag.
43. Vgl. oben, S. 191 f.
44. Besessenheit.
45. H.E. Hengstenberg, a.a.O., 61-66. Die Hervorhebungen stammen von Hengstenberg.
Aus: Das Lebensgeheimnis Schönstatts. II. Teil: Bündnisfrömmigkeit, Vallendar-Schönstatt 1972, 278 S. – www.patris-verlag.de
blaue links führen zur Seite,
grüne Links führen zum Lexikon