Nachlese zur Jahrestagung und dem Studientag vom 29. – 31. März 2019

Apostelzeit – zwischen Krise und Dynamik

Bericht über die Jahrestagung des JKI 29.-31.3.2019 auf Berg Moriah

Vom 29.-31. März fand auf Berg Moriah die diesjährige Jahrestagung des Josef-Kentenich-Instituts (JKI) statt.

Nachdem der Präsident alle Anwesenden begrüßt hatte, standen am Freitag Abend die Berichte von dem, was sich im vergangenen Jahr ereignet hat ebenso im Mittelpunkt wie erste Überlegungen zur Feier des 50-Jährigen Bestehens des JKI im Jahr 2020. Zunächst stellten die Sektionen „Würzburg“, „Mittelrhein“ und „Pädagogik“ ihre Projekte und Arbeitsergebnisse vor. Während die Sektion „Würzburg“ unter Leitung von Dr. Wilhelm Mahlmeister eine Überarbeitung der Pädagogischen Tagungen für eine Veröffentlichung vorbereitet, hat die Sektion „Mittelrhein“, geleitet von Uta Söder, die letzte Jahrestagung ausgewertet und die diesjährige Jahrestagung im wesentlichen inhaltlich vorbereitet. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch die Veröffentlichung von Dr. Peter Wolf mit dem Titel „Mein lieber Präfekt! Briefe an Josef Fischer aus der Gründungszeit Schönstatts.“

Der Leiter der Sektion „Pädagogik“, Christian Schulze, berichtete von einem Workshop bei der „Nacht des Heiligtums“ und den im November erneut durchgeführten „Tagen der Orientierung“ im Jugendzentrum Marienberg. Die pädagogischen Erkenntnisse und Prinzipien  dieser Tage sind von den Sektionsmitgliedern inzwischen zu einem Ausbildungskurs ausgearbeitet worden, der im Mai 2019 in Schönstatt stattfinden soll.

Blitzlichtartig berichtete Christian Schulze anschließend über die Delegiertentagung, die vom 22.-24. März in Schönstatt stattgefunden hat. Er stellte auf diese Weise unsere Tagung in einen größeren Rahmen und zeigte die aktuellen Strömungen und Ausrichtungen der gesamten Schönstattbewegung auf.

Ein „Leuchtturm-Projekt“ des JKI ist die „Pastoral am Puls“, die inzwischen so bekannt ist, dass in Kürze eine Veröffentlichung im Herder-Verlag erscheinen wird. Für dieses Projekt steht der neue Bischof von Fulda, Dr. Michael Gerber, federführend und es ist ihm so wichtig, dass es in seiner ersten Predigt als Bischof im Fuldaer Dom Erwähnung fand.

In seinem Bericht über die Tagung zur diakonischen Spiritualität aus schönstättischer Sicht drückte Bernhard Brantzen seine große Freude darüber aus, dass eine solche Tagung unter dem Dach des JKI stattgefunden hat. Er wies auf eine Veranstaltung am 6.7.2019 hin, bei der eine Reihe sozialer Projekte für junge Menschen vorgestellt werden sollen, um die diakonische, speziell die schönstättische, Spiritualität kennenzulernen.

Der derzeitige Kurs „Geistliche Begleitung“ laufe sehr gut, berichtete P. Werner Kuller. Für den neuen Kurs 2020/21 gibt es gut ein Jahr vor dem Start bereits so viele Anmeldungen, dass er wird stattfinden können. Eine Anerkennung des Kurses erfolgte inzwischen durch die Diözesen Münster, Würzburg, Freiburg, Fulda, Trier und Aachen.

Auf eine geplante Tagung im Jahr 2020 für all diejenigen, die die Kurse „Geistliche Begleitung“ bereits absolviert haben und ihre Erkenntnisse vertiefen möchten, verwies Klaus Optenhövel.

Andreas Brüstle berichtete weiterhin über Möglichkeiten in der Ausbildung für die Exerzitienarbeit aktiv zu werden und über eine geplante Sektion „Ökumene“,die unter der Leitung von Dr. Christian Löhr im JKI entstehen soll. P. Otto Amberger erzählte kurz von einem Theologiekongress in Chile im vergangenen Jahr und P. Kuller wies auf ein Ausbildungsangebot mit dem Titel „Strukturwandel in der Kirche“ unter Federführung von ihm und Pfr. Peter Göttke hin.

In einem auf die Zukunft hin gerichteten Beitrag zeigte Uta Söder zunächst die Kompetenz auf, die unter dem Dach des JKI versammelt ist. Im weiteren Verlauf stellte sie die Frage, wie wir uns als Institut in der (nahen) Zukunft strategisch in Schönstatt aufstellen müssen, um in einer größeren Weite und Breite in der Bewegung und darüber hinaus wahrgenommen zu werden – zum einen als „Dachorganisation“, vor allem aber als Kompetenz-und Referentenpool zu vielen geisteswissenschaftlichen Fachbereichen (Pädagogik, Psychologie, Philosophie, Soziologie, Theologie, Spiritualität). Die angerissenen Fragen wurden in einer Gesprächsrunde am Samstag nachmittag noch einmal aufgegriffen und konkretisiert.

Der Abend endete mit einem zum Nachdenken anregenden Gebet, das, wie alle Gebetseinheiten des Wochenendes, von Christian Schulze vorbereitet wurde.

 

Der Studientag am Samstag begann mit einer Einführung des Moderators Prof. Joachim Söder, der aufrüttelnde Zahlen zum Verhältnis von Getauften und Ungetauften in deutschen Großstädten an den Anfang stellte, um einen inhaltlichen Bezug zum Thema „Apostelzeit – zwischen Krise und Dynamik“ herzustellen.

In diesen Kontext hinein hielt Dr. Kathrin Bieler das erste Referat des Tages mit dem Titel „Christsein zwischen Identität und Diversität: Ja zur Menschenwürde“. Den Einstieg bildete ein Auszug aus der Vorgründungsurkunde und zwar aus dem Grund, dass die Beschreibung einer Situation von vor hundert Jahren heute aktueller sei denn je. Die hier angesprochene Rolle von Religion konfrontierte Dr. Bieler daraufhin mit der These von Max Weber, der im Aufstieg einer „modernen, ausdifferenzierten und wertpluralen Gesellschaft“ das Ende der Religion eingeläutet sah. Die Frage, ob Säkularisierung und Religion sich ausschließen würden, kann verneint werden, da beides nach wie vor existiere. Eine Antwort, die P. Josef Kentenich auf die Frage dieses Nebeneinanders gibt, lautet: „je mehr äußerer Fortschritt, desto größere innere Vertiefung“ sei notwendig. Auf die Frage, welche Schritte angesichts des Konzepts der „multiplen Moderne“ und der Krise der Kirche unter den Aspekten „Dynamik des Christseins“ und „Wechselseitigkeit von Person und Institution“ notwendig seien, nannte Dr. Bieler drei Punkte: 1. Christ-sein: Identität entwickeln (Selbsterziehung). 2. Einheit in der Vielfalt: Diversität gestalten (Der neue Mensch in der neuen Gemeinschaft). 3. Ja zur Menschenwürde: Wirksam werden. Ihre Ausführungen mündeten in der Feststellung, dass die Menschenwürde der Maßstab christlichen Handels sei und sein müsse und als Ermutigung für unser Leben als Christen in der heutigen Zeit dienen solle.

Den zweiten Vortrag des Tages hielt Dr. Peter Wolf zum Thema „Gesendetsein für eine Welt im Umbruch“. Dr. Wolf erläuterte zunächst die biblisch gefüllten Worte von „Sendung“ und „Mission“, die im Griechischen des NT ein und das selbe Wort sind. Mit vielen Belegen zeigte er auf, wie der Sendungsgedanke bis hin zur Sendungsergriffenheit bei Josef Kentenich schon früh (ab 1925) eine tragende Rolle spielt. Paulus ist für ihn der große Zeuge. Er sieht eine Aufgabe darin, diese Wirklichkeit neu in die Kirche hineinzutragen. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass „Sendung“ vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil und noch im Konzil keine tragende theologische Kategorie war. Im Unterschied zu offiziellen Begründungen der „Katholischen Aktion“ spricht Kentenich von einer originären Sendung der Laien auf Grund der Taufe, die er als eine „göttliche Sendung“ deutet. Mit der Idee des Persönlichen Ideals hat Josef Kentenich den Sendungsgedanken pädagogisch umgesetzt und fruchtbar gemacht. Mit Verweis auf die „Missiones“ in der Schönstatt-Jugend und beim Familienwerk und auf die „Pastoral am Puls“ beim Priester-Verband zeigt Dr. Wolf derzeitige Aktualisierungen in der Schönstatt-Bewegung, die aus dem Sendungsgedanken leben. Schließlich kann Dr. Wolf auf mehrere Dokumente von Papst Franziskus hinweisen, in denen der Sendungsgedanke eine prägende und originelle Rolle spielt.

 

Eine wichtige zweite Zeugin einer aktuellen Sendung gerade für die heutige Situation kam am Samstagnachmittag ins Blickfeld. Leider war die vorgesehene Expertin zu Madeleine Delbrêl, Dr. Anette Schleinzer, kurzfristig erkrankt. In ihrer Vertretung gestaltete Dr. Gertrud Pollak – auch unter Verwendung der Texte von Dr. Schleinzer – den Nachmittag zum Thema: „Das Evangelium leben, wo es unbekannt ist. Madeleine Delbrêl – Prophetin einer Kirche im Aufbruch.“

Nach Hinweisen zur Beziehung, die Frau Dr. Schleinzer seit 1980 zu Madeleine Delbrêl und der von ihr gegründeten Gemeinschaft in Frankreich hat, stellte Dr. Pollak die katholisch getaufte, aber früh zur Atheistin gewordene Madeleine Delbrêl (1904-1964) vor. Nach wechselvollen Wegen der künstlerisch und intellektuell begabten Delbrêl wurde sie 1924 eine entschiedene Christin, die mitten unter Kommunisten ihren Glauben lebte. Unter der Hauptthese „Wer Gott umarmt, findet in seinen Armen die Welt“ stellte Dr. Pollak unter Bezug auf Originaltexte sechs Leitworte vor, die für Delbrêls Selbstverständnis und ihre Sendung stehen. Eine wichtige Überzeugung, die in Madeleine Delbrêl gewachsen sei, lautet: „Mission ist die ,normale Frucht eines normalen christlichen Lebens“. Ein Satz, den Delbrêl Anfang der 60er Jahre schrieb. Ihre Leidenschaft für alle Menschen formuliert sie  selbst ganz allumfassend so: „Dorthin gehen, wo die Menschen sind.“ Alles könne zum sakralen Ort werden, wo Gott erfahrbar sei. Um der heutigen Menschen willen gelte aber auch ein dritter Aspekt, zitiert Dr. Pollak Delbrêl: „Eine neue Sprache finden.“ Nicht sosehr  das Reden an sich sei wichtig, sondern vor allem das wahr- und aufzunehmen, wo und wie Menschen heute seien. Dieser Schwerpunkt Delbrêls lässt sich mit dem Zitat „Auf das Hoffen der Menschen lauschen“ wörtlich und knapp pointiert zusammenfassen. Delbrêl hat erfahren, dass wir akzeptieren müssen, dass Menschen kämen und wieder gingen, sich nicht angesprochen fühlten. Daraus folgert Delbrêl schließlich, dass „Fremdheit und Einsamkeit“ auszuhalten seien.“ Dennoch, so zitiert Dr. Pollak Delbrêl erneut wörtlich, werde der bzw. die einzelne immer als Christ  „Mission in der Dichte“ – oder Eine „Insel göttlicher Anwesenheit“ sein. Anschaulich zeigte Dr. Pollak anhand der hier sehr knapp wiedergegebener Leitgedanken bzw. Lebensüberzeugungen Delbrêls, dass die Situation, in der wir heute leben, als eine echte Apostelzeit angesehen werden könne, gar müsse und zwar nicht als Krise, sondern als neue Dynamik für den Glauben.

In einer das Podiumsgespräch vorbereitenden Murmelphase waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann aufgefordert, Fragen an die Referentinnen und Referenten zu formulieren. Diese wurden von Christian Schulze als Anwalt des Publikums vorgetragen. Alle drei Vortragenden gaben in ihren Antworten sehr persönlich Zeugnis von dem, wie sie gerade auch die derzeitige Situation von Kirche und Gesellschaft einschätzen.

Der Tag endete mit einem Gebet, das auch Texte von Delbrêl und Kentenich zur Betrachtung beinhaltete.

Da viele Tagungsteilnehmer nach Fulda zur Bischofseinführung von Weihbischof Dr. Michael Gerber fahren wollten, endete die Tagung am Sonntag nach der Hl. Messe. In seiner bildhaft wegweisenden Predigt ermutigte Präsident Andreas Brüstle die Tagungsteilnehmer im Alltag fruchtbar zu wirken, aus dem Christsein, aber auch aus unserer schönstättischen Sendung heraus.

Im kommenden Jahr findet die Jubiläums-Jahrestagung vom 27.-29. März 2020 statt.

Bericht: Uta Söder, unter Mitarbeit von Dr. Gertrud Pollak und Dr. Peter Wolf

 

 

 

 

 

 

 

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