Manchmal entdeckt man beim Aufräumen Dinge, die man zwar schon lange besitzt, von denen man aber schon gar nicht mehr genau wusste, dass man sie noch hat. Vielleicht hat man sie sogar irgendwann schon einmal in Händen gehabt und sich gefragt, ob es überhaupt noch wert ist, sie aufzuheben. Aber mit einem Mal entdeckt man sie wieder, lernt sie neu sehen und damit ihren Wert schätzen.
Nicht viel anders als in solchen Situationen des alltäglichen Lebens scheint es manchmal in der Kirche zu sein. Manches spricht dafür, dass die Beichte wie so ein vergessenes „Ding“ ist. Die Frage, wozu man sie überhaupt noch braucht und ob es nicht zeitgemäßer wäre, sie „ad acta“ zu legen, wird zwar selten offen gestellt, mag aber so manchem, selbst überzeugten Katholiken, im Kopf herumgehen. Dabei würde es sich durchaus lohnen, die Beichte gleichsam noch einmal in die Hand zu nehmen, sie aufmerksam zu betrachten und dabei ihren Wert neu zu entdecken.
Ich spreche aus eigener Erfahrung. Als Jugendlicher war ich irgendwann fest überzeugt, nicht wieder beichten zu gehen. Es ging ja auch ohne ganz gut. Als schlimmer Sünder fühlte ich mich sowieso nicht. Als schließlich ein Priester, bei dem ich es irgendwann doch noch mal versucht hatte, mich scheinbar restlos davon überzeugen wollte, dass das was ich zu bekennen hatte, doch nicht so schlimm und irgendwie auch keine Sünde sei, war der Fall für mich klar: Es mochte Leute geben, denen die Beichte wichtig ist, mir war sie es jedenfalls nicht.
Meine „Neuentdeckung“ der Beichte erlebte ich erst Jahre später. Ich hatte mich inzwischen entschieden, Priester zu werden und war in das Noviziat der Schönstatt- Patres eingetreten. Es war klar, dass ich mich als zukünftiger Priester irgendwann wieder mit dem Thema auseinandersetzen müsste, auch schon deshalb, weil der regelmäßige Empfang des Sakraments der Versöhnung zu den in den Satzungen meiner Gemeinschaft festgelegten geistlichen Übungen gehört. Als das Thema im Noviziat behandelt wurde, hörte ich mit großer Aufmerksamkeit den Ausführungen meines Novizenmeisters zu. Seine Ausführungen bezogen sich vor allem auf Aussagen unseres Gründers P. Josef Kentenich zum Umgang mit Schuld und zur Beichte. Ich empfand die dargestellten Gedanken damals als sehr originell und als Antwort auf viele meiner Fragen zur Beichte.
In den mehr als vier Jahren seit dieser Neuentdeckung der Beichte kamen mir die Gedanken aus dem Noviziat immer wieder in den Sinn. Wenn ich darüber nachdachte, kam mir die Frage, ob die Überlegungen Kentenichs, die in der Spiritualität der Schönstatt-Bewegung wurzeln, nicht auch über die spezifische Spiritualität dieser Bewegung hinaus Antwort geben können auf viele Fragen der heutigen Beichtpastoral. So möchte ich in dieser Arbeit versuchen, mich diesem Thema zu nähern. Anhand von Aussagen Kentenichs soll dessen Verständnis von Beichte in der Spiritualität der Schönstatt-Bewegung dargestellt werden. Daraus sollen dann Impulse entwickelt werden, welche die heutige Beichtpastoral bereichern können.
Selbst von eingefleischten Kentenich-Experten wurde mir die Frage gestellt, auf welche Quellen ich mich für die Arbeit beziehen möchte. In der Tat fällt auf, dass es praktisch keinen Text Kentenichs gibt, der sich ausschließlich mit dem Thema beschäftigt. Vielmehr musste für eine Analyse ein Querschnitt durch viele Vorträge, Tagungen und andere Texte vorgenommen werden, in denen er sich an verschiedenen Stellen immer wieder auf das Bußsakrament und den Umgang mit Schuld bezieht.
Freilich muss auch gesagt werden, dass aufgrund der großen Fülle der von Kentenich hinterlassenen Texte nicht der Anspruch erhoben werden kann, dass alle Aussagen zum Thema berücksichtigt wurden. Dennoch meine ich, dass die der Arbeit zugrunde liegenden Quellen ein sehr differenziertes und vielfältiges Bild abgeben, wie Kentenich die Beichte versteht.
Der Aufbau der Arbeit folgt einem Dreischritt: Zunächst wird in einem grundlegenden Kapitel eine Standortbestimmung zur Situation der Beichte vorgenommen. Dabei ist es für das weitere Verständnis wichtig, einige Differenzierungen vorzunehmen sowie auf die Frage einzugehen, inwieweit sich das Sakrament heute in einer Krise befindet und was deren Ursachen sind.
Im zweiten Kapitel folgt die ausführliche Darstellung des Beichtverständnisses, das P. Josef Kentenich in der Spiritualität der Schönstatt-Bewegung entfaltet hat. Daraus werden dann im dritten Teil der Arbeit Impulse entwickelt, die Antwort zu geben versuchen auf heutige Fragen der Beichtpastoral. Dabei sollen möglichst konkrete Anregungen für die Praxis der Beichte entwickelt werden.
Abschließend sollen in einem Ausblick einige Beobachtungen aus der Praxis zu Wort kommen. Sie können Mut machen, weiter über Möglichkeiten der Erneuerung der Beichtpastoral nachzudenken und die Gedanken auf die eigene pastorale Situation hin zu konkretisieren.
Es bleibt zu hoffen, dass die Arbeit einen Beitrag leisten kann, die Beichte neu zu sehen und schätzen zu lernen.
Zum Schluss sei mir noch eine persönliche Anmerkung erlaubt: Am Tag als ich die Zielformulierung und einen ersten Gliederungsentwurf für die Arbeit erstellte, verstarb völlig unerwartet unser Mitbruder P. Paul Vautier im Alter von 61 Jahren. Er hat durch seine Beiträge in unserer Ausbildung bei den Schönstatt-Patres einen wesentlichen Anteil an meinem Zugang zum Studium unseres Gründers. In den vergangenen Jahren ist er mir zu einem wertvollen Ratgeber für das Studium und auch darüber hinaus in persönlichen Fragen geworden. Als ich von seiner Todesnachricht erfuhr, hatte ich fest vor, mit ihm das Konzept der Arbeit zu besprechen. Auch während des Schreibens hätte ich ihn manchmal noch gerne um Rat gefragt, doch dazu kam es leider nicht mehr. Ihm sei diese Arbeit in Dankbarkeit gewidmet.