Im gemeinsamen Priestertum, das das Zweite Vatikanische Konzil aus der Heiligen Schrift wieder neu erschlossen hat, liegt eine große Chance die Freude am Christsein heute zu revitalisieren. Eine weitere Chance liegt aber auch in der Überwindung einer, zumindest implizit vorhandenen, Kluft zwischen den nur Getauften und den mit einem priesterlichen Dienstamt betrauten. Diese Kluft kann nun aufgefüllt werden und so können alle Getauften in der Gemeinschaft des Volkes Gottes zusammengefasst werden.
Diesem hohen, aber erstrebenswerten Ziel möchte Elmar Mitterstieler mit seinem Buch: „Das wunderbare Licht, in dem wir leben. Gleichheit, Würde und Priestertum aller in der Kirche.“[316] zum Durchbruch verhelfen.
Mitterstieler möchte dazu ermutigen und auffordern, dass das gemeinsame Priestertum für alle Getauften eine lebenspraktische Bedeutung entfaltet. Dabei legt er aber auch Wert darauf den Zusammenhang zum besonderen geistlichen Priestertum bewusst zu machen.
Er hebt den neutestamentlichen Priesterbegriff von dem damals im jüdischen und heidnischen Umfeld vorherrschenden Priesterbild ab.[317] Der Priester war es damals im religiösen Kult allein, der Zugang zum Allerheiligsten hatte und so eine Mittlerrolle zwischen Gott und den Menschen inne hatte. Dadurch hatte der Priester eine außerordentlich privilegierte Stellung dem Volk gegenüber. Diese Vorstellung von einem Priester, der eine besondere Gottesnähe besitzt, weil er sich alleine beim Allerheiligsten aufhalten darf, so Mitterstieler, ist noch immer im Bewusstsein der Gläubigen.
Aber mit Jesus Christus gab es eine grundlegende Veränderung: Jesus ist Priester auf eine „einmalige, nie da gewesene und letztgültige Weise. Und die Glaubenden sind es mit ihm.“[318] Mit dem Wort Priester werden im Neuen Testament nur Jesus und alle Getauften bezeichnet. Seine Priesterwürde, an der wir alle teilhaben, ist keine Würde in einem religiös-kultischen Sinn, wie dies zuvor noch der Fall war, sondern er ist Priester „im Sinn jener höchsten und letzten Freiheit, die wir Liebe nennen.“[319] Priester sind wir alle Getauften deshalb nicht nur äußerlich, sondern die „Liebe Christi drängt uns“ (vgl. Joh 10,17f., sowie Vinzenz Pallotti)!
Was dieses Priestertum für alle Christen und das Anteilhaben der Priesterwürde Christi bedeutet, entfaltet Mitterstieler im Verlauf weiter. Grundlegend ist ein „freier Zugang für alle“[320], ein freier Zugang zu Gott und die Würde die dadurch allen Getauften geschenkt wurde.
Kentenich hat, so habe ich gezeigt, ein ähnliches Ziel verfolgt, hat die, mit denen er zusammengearbeitet mit ihrer Persönlichkeit und Glaubensbiographie ernst genommen und ihnen mit der übertragenen Verantwortung ihre priesterliche Würde aufgezeigt. Mitterstieler gibt in seinem Buch keine „strukturellen Lösungen“[321] an. Kentenich hat dies mit einem dem Menschen zugewandten pädagogischen Konzept getan. Daraus ist ein Aufbruch innerhalb der Kirche entstanden. Die Schönstattbewegung wird zu den neuen geistlichen Gemeinschaften gezählt. Solche neuen geistlichen Gemeinschaften sind Aufbrüche in der Kirche, meist von einer charismatischen Führungspersönlichkeit her. Aber, wenn man damit rechnet, dass Gott auch in unserer Zeit geistgewirkte Neuaufbrüche wirkt, dann können diese Impulse für die gesamte Kirche von Nutzen sein.
[316] Vgl. Mitterstieler, Elmar: Das wunderbare Licht, in dem wir leben. Gleichheit, Würde und Priestertum aller in der Kirche. Würzburg (2011).
[317] Vgl. Mitterstieler: Das wunderbare Licht, S. 24.
[318] Mitterstieler: Das wunderbare Licht, S. 24.
[319] Mitterstieler: Das wunderbare Licht, S. 50-51.
[320] Mitterstieler: Das wunderbare Licht, S. 54.
[321] Mitterstieler: Das wunderbare Licht, S. 132.