5 Das Zweite Vatikanische Konzil

5   Das Zweite Vatikanische Konzil

Am 25. Januar 1959 ruft Papst Johannes XXIII. (1881-1963) die Katholische Kirche zum Zweiten Vatikanischen Konzil, sowie einer Diözesansynode der Diözese Rom auf. Was zu einer Reform des Codex iuris canonici von 1917 führen soll.

Das leitende Motiv und Programm des Konzils ist das für Johannes XXIII. fast schon synonym gewordene „aggionarmento“, eine Verheutigung und „Selbstvergewisserung“ [90] der Kirche in einer neuen geschichtlichen und gesellschaftlichen Situation, nach den beiden Weltkriegen.

Diese Verheutigung meint allerdings keine einseitige Anpassung der Kirche an die veränderten Verhältnisse, sondern eine Anknüpfung an ältere, teils vergessene Traditionen, die neu belebt werden sollen.[91]

Das Konzil hat es abgelehnt, Kirche und Welt als zwei getrennte, konkurrierende Bereiche zu sehen, sie sah sich selbst als Sauerteig in der Welt und bekannte den Eigenwert der irdischen Wirklichkeiten. Die Kirche versteht sich mit dem Konzil als „zuhörende und lernende Kirche“[92]. Wenn dem Laien der „Weltcharakter“ (LG 31) zu eigen ist, dann kann die Kirche also etwas von ihm lernen. Es werden dem Laien Würde, Autonomie und damit eine spezifische Verantwortung in der Kirche zugesprochen.

5.1       Die Bestimmung der Stellung des Volkes Gottes: ein Anliegen des Konzils

Die Enzyklika Ad Petri Cathedram[93] enthält die Ankündigung des Konzils, eine erste Liste mit Aufgaben sowie eine Aufforderung an die Bischöfe zur Stellungnahme. Bei den Voten der Bischöfe ist vor allem das Bemühen zu erkennen, die eigene Identität vor dem Hintergrund radikaler gesellschaftlicher Veränderungen zu bewahren.

Für unseren Zusammenhang und die Frage nach einer Neubestimmung des Laien auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist besonders die Antwort Julius Kardinal Döpfners (1913-1976), damals Erzbischof von Berlin von Interesse, dem sich die deutschen Bischöfe im weiteren Verlauf angeschlossen haben. [94]

Zur Stellung des Laien, die auf dem Konzil geklärt werden soll schreibt Döpfner:

„Sie (= die Darlegungen des Konzils; M.G.) wird insbesondere den Laien in der Kirche nicht im defizienten Modus vom Kleriker her, sondern positiv von der Taufe und Firmung her zu zeichnen haben. Dabei ist auch die so oft besprochene Aufgabe der Weltgestaltung durch den Laien, seine Teilhabe an den drei Ämtern Christi, auch ohne die direkte Einbeziehung in den Hilfsdienst der Hierarchie, zu betonen.“[95]

Döpfner sieht unter anderem eine klare Aufgabenstellung des Konzils darin, eine positive Bestimmung des Laien und seines Verhältnisses zum Klerus zu definieren, wie auch die Aufgaben des Laien in Welt und Kirche aus einer Teilhabe an den drei Ämtern Christi, eigentlich eine reformatorische Vorgehensweise, zu erschließen. Diese Äußerung Döpfners zeigt deutlich die Sehnsucht nach einer positiven Bestimmung des Laien, wie sie – zumindest in den Teilen der Kirche in Deutschland – vorherrschend war.

5.2       Kirche als mysterium und Volk Gottes[96]

Zur Bestimmung eines Verständnisses des Laien, entsprechend dem Zweiten Vatikanischen Konzil, ist zuerst eine Klärung dahingehend erforderlich, welches Selbstverständnis die Kirche hat. Die Ausführungen der Dogmatischen Konstitution Lumen Gentium[97] sind in dieser Hinsicht besonders von Bedeutung.

Zum einen sieht das Konzil in der Kirche ein mysterium, also eine geistliche Wirklichkeit, die sich weit über die organisatorisch-institutionelle Dimension hinaus erstreckt, zum anderen als pilgerndes Volk Gottes, das unterwegs ist.

Kirche als mysterium bedeutet (vgl. LG 1-8), dass die Kirche zwar eine Sozialgestalt mit einer bestimmten durch die Ämter sichtbare Ordnung in der Welt hat, sich darin aber nicht erschöpft, sondern sie sich letztlich im Plan Gottes für die Welt gründet. In der Kirche ist gegenwärtig, was Christus der Welt gebracht und was lebendig gehalten werden muss.

Die Kirche als Volk Gottes (vgl. LG 9-18) ist in biblischer Tradition zu dem zu sehen, was dort über das Volk Gottes ausgesagt ist.[98] Auf diese biblische Rückbesinnung ist Kirche Gemeinschaft, communio aller Gläubigen.

Noch vor jeder Differenzierung in Ämter, Dienste, Charismen und Aufgaben ist die Kirche nach Lumen Gentium also mysterium und Volk Gottes.[99] Diese gemeinsame Grundlage ist bedeutend für die Würde aller Glieder innerhalb der Kirche.

5.3       Laien werden zu Subjekten der Kirche[100]

Hermann Josef Pottmeyer (*1934) sieht eine Kontinuität zwischen dem Ersten und dem Zweiten Vatikanischen Konzil darin, dass die Kirche zunehmend sich selbst entdeckt „als Subjekt ihrer Geschichte, auch als Subjekt ihrer Glaubensüberlieferung und deren verbindlicher Formulierung“ und des ‚Subjektseins aller ihrer Kirchenglieder’: „Wenn das also dem Willen Gottes entspricht, dann ist es theologisch geboten und der Kirche aufgegeben, alle ihre Glieder als verantwortliche und tragende Subjekte anzuerkennen und zu fördern.“[101]

Diesen Gedanken der Subjektwerdung aller Glieder in der Kirche greift Bausenhart auf. Der Status von Subjekten der Kirche wird den Laien auf zweierlei Weisen zugesprochen: zum einen durch die drei munera Christi, zum anderen wir den Laien in positiver Weise ein sensus fidelium zuerkannt, der ihnen zu eigen ist. Möchte man also alle Glieder der Kirche als Handlungssubjekt stärken, dann ist es erforderlich die Ausbildung ihres sensus fidei, sowie das Bewusstsein aus dem gemeinsamen Priestertum das Christsein zu gestalten, zu stärken.[102]

Damit verbindet alle Glieder der Kirche eine „wahre Gleichheit (vera qualitas)“ (LG 32), sowie eine positive Bestimmung des Christeins als „Christgläubige (christifidelis)“ (vgl. LG 9-17).[103]

Es entsteht eine Kirche, die nicht mehr in den Kategorien „Hirten“ und „Herde“[104] gedacht werden kann, weil die Herde jetzt subjekthaft als Volk Gottes gedacht wird, zu dem aber auch die Hirten gehören. Das kirchliche Amt ist demnach „proportional dazu konzipiert“[105].  Geweihte und Ungeweihte stehen in einem „perichoretischen“[106] Verhältnis zueinander: Der Amtsträger realisiert sein Amt nur so weit, wie er den restlichen Gläubigen in ihrer Subjektwerdung im Glauben hilft.[107]

Dies hat Konsequenzen für das konkrete Handeln der Kirche. Die Würzburger Synode stellt daher mit Rückgriff auf das Zweite Vatikanische Konzil fest, dass das Volk Gottes als ganzes die Sendung Jesu Christi trägt und so zum Subjekt kirchlichen Handelns wird; die Gemeinden sind berufen, das Leben der Kirche im gemeinsamen Dienst aller zu gestalten und zwar in unübertragbarer Eigenverantwortung jedes einzelnen.[108] Walter Kasper führt diesen Gedanken fort: „Das gesamte Volk Gottes ist Träger des kirchlichen Handelns und deshalb Subjekt der Seelsorge[109].

5.3.1    Das gemeinsame Priestertum

Durch die Liturgische Bewegung, sowie die lehramtlichen Äußerungen Miserentissimus Redemptor[110] (1928), Mystici Corporis[111] (1943) und Mediator Dei[112] (1947) wurde das gemeinsame Priestertum, das sacerdotium commune definiert und vom hierarchischen Priestertum des Dienstes abgegrenzt. Für Pesch ist diese Argumentation so erstmals in einem lehramtlichen Dokument zu finden.[113] Gerade auch deshalb, weil das gemeinsame Priestertum sehr an das allgemeine Priestertum von Luther erinnert, von dem man sich als katholische Kirche abgrenzen will.[114]

Alle Gläubigen haben demnach durch die Taufe Anteil am Priestertum Jesu Christi. Die drei munera docendi, legendi, et sacrificandi sind nicht mehr nur den Klerikern zugesprochen, sondern allen Getauften. Dies vollzieht sich „sowohl durch die Sakramente wie durch ein tugendhaftes Leben“ (LG 11).

Die Teilhabe am Priestertum Christi bewirkt zuerst eine „wahre Gleichheit in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi“ (LG 32). Das gemeinsame Priestertum wird aber vom besonderen Priestertum des Dienstes, dem sacerdotium ministeriale unterschieden. Das besondere Priestertum des Dienstes unterscheidet sich „dem Wesen und nicht nur dem Grade nach“ (vgl. LG 10), insofern sie beide, auf je eigene Weise, am Priestertum Christi partizipieren. Allerdings lässt das Konzil eine genauere und eindeutigere Verhältnisbestimmung offen.

Medard Kehl[115] und Peter Neuner[116] sehen in dem Wesensunterschied und dem übertragenen Amt, aber keine „graduelle Steigerung an Gnade und Heil“[117]. Der ordinierte Priester erfährt auch keine Wesensverwandlung im Sinne der scholastischen Philosophie, die etwa durch die apostolische Sukzession gegeben ist. Der Priester wäre dem Laien demnach „himmelhoch überlegen“[118]. Der Wesensunterschied wird auf Seite der sakramentalen Zeichenhaftigkeit gesehen: Der Priester bildet und leitet das Volk Gottes und bringt im Namen dieses Volkes das eucharistische Opfer dar. Er handelt „In persona eccelsiae“ (LG 10) und „in persona capitis“ (PO 2) zugleich. Das besondere Priestertum repräsentiert und „vergegenwärtigt die Teilhabe der ganzen Kirche an dem einen heilswirksamen Priestertum Christi für die Welt“[119]. Das Besondere am Amtspriestertum ist also, dass es im Dienst des gemeinsamen Priestertums steht und innerhalb diesem bestimmte Aufgaben erfüllt.

Auf der Ebene des Christseins gleichen sich gemeinsames und besonderes Priestertum. Innerhalb der Communio aller Christen aber, repräsentieren beide unterschiedlichen Berufungen und Sendungen.“[120

Prägnant ist die Unterscheidung Gerwings des gemeinsamen und besonderen Priestertums:

„Das gemeinsamen Priestertum der Gläubigen, der Laien, ist nicht möglichst gering anzusetzen, sondern möglichst hoch. Es ist bereits unüberbietbar. Eine Steigerung ist nicht möglich. Es besteht in ihrem In-Christus-Sein, das sie dort, wo sie sind, mitten in der Welt in Wort und Tat bezeugen sollen.

Das besondere oder hierarchische Priestertum ist wesenhaft anders. Es überbietet nicht dieses durch den Glauben an das Wort zustande gekommene allgemeine Priestertum der Gläubigen, sondern dient ihm.“[121]

Besonderes und gemeinsames Priestertum sind, trotz ihrer wesenhaften Verschiedenheit, sehr eng miteinander verbunden. Das besondere Priestertum ist Dienst an dem allgemeinen Priestertum und beide sind aufeinander bezogen.

 

5.3.2    Der sensus fidei der Laien

Die Bedeutung eines senus fidei[122], einem allen Glaubenden innewohnender Glaubenssinn, wurde ebenfalls durch das Zweite Vatikanische Konzil hervorgehoben.

In LG 12 wird die patristische Lehre des Glaubenssinns aufgenommen. Er stellt eine herausgehobene Teilhabe des ganzen Volkes Gottes am prophetischen Amt Christi dar. Glaubenssinn meint dabei ein geschenktes Glaubensbewusstsein, das eine Erkenntnis der Glaubenswahrheiten und ihrer Zusammenhänge miteinschließt[123] (vgl. auch LG 12).

Im Vorfeld war das Zerrbild einer lehrenden (Ecclesia docens) und einer lernenden Kirche (Ecclesia discens) vorherrschend.[124] Durch die Teilhabe aller Gläubigen an den drei munera Christi, was das prophetische Amt miteinschließt, wird dieses nicht nur durch die Hierarchie vollzogen, sondern auch durch den Laien. Damit hat der Laie in der Kirche etwas zu sagen. Das Glaubenszeugnis des Laien beansprucht Autorität nicht deshalb, weil es durch die Hierarchie vorgegeben wurde, sondern weil es aus der Begegnung mit der Wahrheit selbst, mit Gott entspringt (Joh 14,6). In LG 35 heißt es zusammenfassend:

„Christus, der große Prophet […] erfüllt bis zur vollen Offenbarung der Herrlichkeit sein prophetisches Amt nicht nur durch die Hierarchie, die in seinem Namen und in seiner Vollmacht lehrt, sondern auch durch die Laien.“

Die Laien haben damit einen Auftrag: Sie sollen zu Glaubenszeugen in der Welt werden, damit die Kraft des alltäglichen Familien- und Gesellschaftsleben in ihnen aufleuchte (vgl. AA 3).

5.4       Eine Neubestimmung des Laien und seiner apostolischen Tätigkeit

Den Laien wurden auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil erstmals eine aktive Rolle bei der Sendung der Kirche zugesprochen. In der Kirchenkonstitution Lumen Gentium erhalten die Laien einen Auftrag und werden zu Subjekten kirchlichen Handelns[125]:

„Der Apostolat der Laien ist Teilnahme [participatio; M.G.] an der Heilssendung der Kirche selbst. Zu diesem Apostolat werden alle vom Herrn selbst durch Taufe und Firmung bestellt. Durch die Sakramente, vor allem durch die heilige Eucharistie, wird jene Liebe zu Gott und den Menschen mitgeteilt und genährt, die die Seele des ganzen Apostolates ist. Die Laien sind besonders dazu berufen, die Kirche an jenen Stellen und in den Verhältnissen anwesend und wirksam zu machen, wo die Kirche nur durch sie das Salz der Erde werden kann.“ (LG 33)

Damit ist derjenige Apostel, der an der Heilssendung der Kirche teilnimmt. Apostelsein ist letztlich ein Synonym für Christsein überhaupt.[126]

Das Apostolat wird in dem Dekret Apostolicam Actuositatem[127] folgendermaßen definiert: Die Kirche wurde von Jesus Christus ins Leben gerufen, um in der Welt die „Ehre Gottes des Vaters die Herrschaft Christi über die ganze Erde“ auszubreiten und „so alle Menschen der heilbringenden Erlösung teilhaftig“ zu machen (AA 2).

Apostolat ist jede Tätigkeit eines Gliedes der Kirche, die zur Erlangung dieses Ziels beiträgt und damit keine partikuläre Aktivität der Kirche mehr, sondern Teil ihrer Identität und Ziel allen Handelns.[128] Verpflichtet werden dazu alle Glieder innerhalb der Kirche, die in der Taufe mit Christus vereinigt wurden und in der Firmung den Heiligen Geist empfangen haben (vgl. AA 3). Dieses Recht und diese Pflicht werden dem Laien nicht von der Hierarchie zugesprochen, wie dies noch vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil der Fall war, sondern „vom Herrn selbst“ (AA 3) werden alle Glieder zum Apostolat bestellt. Die Glieder der Kirche „werden zu einer königlichen Priesterschaft und einem heiligen Volk (1 Petr 2,4-10) geweiht, damit sie durch alle ihre Werke geistliche Opfergaben darbringen und überall auf Erden Zeugnis für Christus ablegen“ (AA 3).

Die Fruchtbarkeit des Apostolats ist von einer lebendigen Beziehung mit Jesus Christus, der „Quell und Ursprung des gesamten Apostolates der Kirche ist“ (AA 4), abhängig. Durch die „tätige Teilnahme“ (SC 11) der Gläubigen an der Eucharistie wird diese Beziehung gepflegt. Apostolisches Vorbild ist Maria, die „innigst mit ihrem Sohn verbunden war“ (AA 4) und so auf „einzigartige Weise am Werk des Erlösers“ (AA 4) mitarbeitete.

Sendung der Kirche ist auf das Heil der Menschen hinzuwirken. Das Apostolat der Laien ist derart, „der Welt durch Wort und Tat“ die Botschaft Christi bekanntzumachen (AA 6). An der Sendung haben sie als „Mitarbeiter der Wahrheit (3Joh 8)“ einen „bedeutsamen Anteil“ (AA 6). Weshalb sich „das Apostolat der Laien und der Dienst der Hirten“ (AA 6) gegenseitig ergänzen.  Auch die „weltliche Ordnung“ (AA 5) ist Ort ihres laikalen Apostolats. Die Laien sollen nicht nur innerhalb der Kirche selbst wirken (vgl. AA 5), sondern das Apostolat kann ein christliches Lebenszeugnis in der Welt sein (vgl. AA 6).

In dem Dekret wird auch der Grund angegeben, der den Christen zum Apostolat drängt:

„Ein wahrer Apostel sucht nach Gelegenheiten, Christus auch mit seinem Wort zu verkünden, sei es den Nichtgläubigen, um sie zum Glauben zu führen, sei es den Gläubigen, um sie zu unterweisen, zu stärken und sie zu einem einsatzfreudigen Leben zu erwecken; “denn die Liebe Christi drängt uns” (2 Kor 5,14)[129], und im Herzen aller sollten jene Worte des Apostels ein Echo finden: “Weh mir, wenn ich die gute Botschaft nicht verkünden wollte” (1 Kor 9,16) (AA 6).

Treibende Kraft des Apostolats ist die Liebe Gottes[130], die nicht nur auf „caritatives Wirken“ (AA 8) beschränkt ist, sondern sie „kann und muß heute alle Nöte und Menschen umfassen.“ (AA 8)

Das apostolische Wirken der Laien ist „innerhalb der Gemeinschaften der Kirche […] so notwendig, daß ohne dieses auch das Apostolat der Hirten meist nicht zu seiner vollen Wirkung kommen kann.“ (AA 10) Durch ihren Stand in der Welt führen die Laien der Kirche Menschen zu, die weit abseits der Kirche und des Glaubens stehen. Sie geben an diesen Orten und diesen Menschen das Wort Gottes weiter, wodurch „die Seelsorge […] wirksamer wird“ (AA 10). In ihrem Dienst sollen die Laien aber „aufs engste mit ihren Priestern vereint in der Pfarrei“ (AA 10) arbeiten.

Das Apostolat der Laien ist einzigartig und Teil ihrer laikalen Identität.[131] Damit kann der Dienst nicht von Dritten ausgeführt werden. Das Apostolat kann einzeln oder in Gruppen ausgeübt werden.[132] Das Apostolat der Laien ist die Durchdringung aller gesellschaftlichen Bereiche mit dem „Licht des Glaubens“ (AA 16). „Von größter und dringender Notwendigkeit“ (AA 17) ist das persönliche Apostolat dort, wo die „Freiheit der Kirche schwer bedroht ist“ (AA 17). Gerade in einer immer stärker säkularisierten Gesellschaft ist es zur Stärkung der einzelnen Mitglieder notwendig, sich zusammenzuschließen und in „einmütigen Zusammenwirken“ (AA 18) apostolisch tätig zu sein.

Das Konzil kennt neben dem allgemeinen kirchlichen Apostolat, das jedem Christen aufgrund seiner Taufe und Firmung zukommt, kennt das Konzil noch die in der Regel durch Ordination erfolgte Beauftragung mit einem Amt. Auf dieser Basis hat sich in der Folgezeit der Beruf des Pastoralreferenten beziehungsweise der Pastoralreferentin entwickelt. Die theologische Deutung dieser Berufsgruppe hat sich eine Vielzahl kontroverser Literatur hervorgebracht.[133]

Zur Bündelung und Förderung des Apostolats wird die Bildung von beratenden Gremien, die auf „pfarrlicher, zwischenpfarrlicher und interdiözesaner Ebene, aber auch im nationalen und internationalen Bereich“ (AA 26) empfohlen. Weiter soll auch beim Heiligen Stuhl ein eigenes Sekretariat „zum Dienst und zur Anregung für das Laienapostolat“ (AA 26) errichtet werden.

Im Anschluss an das Dokument wurden verschiedene beratende Gremien, wie die Pfarrgemeinde- und Dekanatsräte, und die Diözesan- und Katholikenräte ins Leben gerufen.

In Deutschland wurde auf der Würzburger Synode[134] (1971-1975), einer nachkonziliaren Diözesansynode, die die Verwirklichung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils zum Ziel hatte, verbindlich beschlossen, dass in jeder Pfarrgemeinde ein Pfarrgemeinderat zu installieren ist.[135] Aufgabe des Pfarrgemeinderats ist es, abhängig von der Sachfrage, in allen Belangen, die die Pfarrgemeinde betreffen „beratend oder beschließend mitzuwirken“[136].

Der Pfarrgemeinderat kann grundsätzlich auch von einem Laien geleitet werden, was sogar empfohlen wird. In bestimmten Angelegenheiten besitzt der Pfarrgemeinderat auch ein entscheidendes Stimmrecht, allerdings unter einem „verdeckten Vorsitz“[137] des Pfarrers. Diesem wird ein umfangreiches Vetorecht, aufgrund seiner besonderen Verantwortung für die Gemeinde eingeräumt. Im Extremfall kann ein Beschluss ohne die Zustimmung des Pfarrers nicht herbeigeführt werden.[138]


[90] Bausenhart, Guido: Das Amt in der Kirche: eine notwendende Neubestimmung. Freiburg (1999), S. 227.

[91] Vgl. Hoping, Helmut: „Dialog mit den Menschen unserer Zeit“ (Paul VI.). Das aggiornamento der Kirche und ihre apostolische Sendung. In: Augustin, George; Schulze, Markus (Hg.): Freude an Gott. Auf dem Weg zu einem lebendigen Glauben. Festschrift für Kurt Kardinal Koch zum 65. Geburtstag. Freiburg (2015), S. 917-931; hier: S. 917.

[92] Forte: Laie sein, S. 70.

[93]  Publiziert in: Johannes XXIII.: Enzyklika Ad Petri Cathedram. In: AAS 51 (1959), S. 497-531.

[94] Die Antwort Döpfners ist veröffentlicht in: Treffler, Guido (Bearb.): Julius Kardinal Döpfner. Konzilstagebücher, Briefe und Notizen zum Zweiten Vatikanischen Konzil. (Schriften des Archivs des Erzbistums München und Freising Band 9) Regensburg (2006), S. 73-81.

Döpfner wollte in seiner Antwort darlegen, „welche Schwierigkeiten der Religion und dem Wachstum der wahren Kirche in ihren Gebieten entgegenstehen und was sie (= die Ordinarien, M.G.) für notwendig oder nützlich halten in der Anpassung der kirchlichen Disziplin an unsere Zeit.“ (Treffler: Kardinal Döpfner, S. 74.)

[95] Treffler: Kardinal Döpfner, S. 80.

[96] Vgl. Neuner: Abschied von der Ständekirche, S. 116-120.

[97] Vgl. Paul VI.: Dogmatische Konstitution Lumen Gentium. In: AAS 57 (1965), S. 5-64.

[98] Vgl. dazu unter anderem: Neuner: Abschied von der Ständekirche, S. 29-37.

[99] Neuner sieht im Kirchenverständnis des Zweiten Vatikanischen Konzils aber auch traditionell-klerikalistische Modelle von Kirche, die aber in der Konzeption des Laien keine Rolle spielen. Nichtsdestotrotz wurden und werden gerade diese Passagen in der Nachkonzilszeit von interessierter Seite eifrig zitiert. (Vgl. Neuner, Peter: Die Stellung, S. 45.)

[100] Vgl. Bausenhart, Guido: Autorität: Joseph Kentenichs Variante des Verhältnisses von Priestern und Laien. In: Schmiedl, Joachim (Hg.): In seiner Spur: Festschrift zum Gedenken an den 100. Jahrestag der Priesterweihe von Pater Joseph Kentenich. Vallendar-Schönstatt (2010), S. 153-173; hier: S. 164.

[101] Pottmeyer, Hermann Josef: Die zwiespältige Ekklesiologie des Zweiten Vaticanums – Ursache nachkonziliarer Konflikte. In: Trierer Theologische Zeitschrift 92 (1983), Heft 4, S. 272-283; hier: S. 280.

Philosophisch meint der Subjektbegriff die Fähigkeit des Menschen zu Selbstbestimmung oder Freiheit. Wer Subjekt ist, ist damit ein Handlungsträger. (Vgl. Müller, Klaus: Art. Subjekt. In: LThK (32001), Band 9, Sp. 1070-1073; hier: Sp. 1070.

[102] Wie dieser Anspruch innerhalb der Schönstattbewegung verwirklicht wird, wird in Kapitel 8 gezeigt.

[103] Vgl. Bausenhart: Das Amt in der Kirche, S. 263-297.

[104] Papst Leo XIII. hat noch ganz in der ekklesiologischen Kategorie von ‚Hirten und Herde’ gedacht: Er schreibt, man unterscheide „nach dem offensichtlichen Willen ihres göttlichen Gründers zwei Teile“, nämlich „die Unterwiesenen und die Unterweisenden, die Herde und die Hirten.“ Zitiert nach: Leo XII.:Enzyklika Vehementer Nos. Zitiert nach: Bausenhart: Das Amt in der Kirche, S. 265, Anmerkung 188.

[105] Bausenhart: Autorität, S. 165.

[106] Bausenhart: Autorität, S. 166.

[107] Vgl. Bausenhart: Autorität, S. 166.

Bausenhart sieht die Amtsträger als pädagogische Autoritäten. Er führt dabei den Wechsel in der Formulierung in LG 18 an. Es hieß ursprünglich, dass die Glieder des Volkes Gottes passiv zum Heil „geführt werden (perdunctur)“. In der endgültigen Textversion von LG 18 heißt es aber, dass die Glieder aktiv zum Heil „gelangen (perveniunt)“, was einen Perspektivwechsel: das Volk Gottes geht in eigener, aber geschenkter, Kraft seiner eschatologischen Vollendung als Reich Gottes entgegen. (Vgl. Bausenhart: Autorität, S. 172.)

[108] Vgl. hierzu die Beschlüsse der ‚Würzburger Synode’: „Verantwortung des ganzen Gottesvolkes für die Sendung der Kirche“ und „Die pastoralen Dienste in der Gemeinde“. Zu finden in: Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland. Beschlüsse der Vollversammlung. Offizielle Gesamtausgabe I. Freiburg (21976), S. 637-677; S.581-635.

[109] Kasper, Walter: Gemeindeaufbau und Gemeindeleitung. Pastorale Perspektiven angesichts des Priestermangels. Vortrag auf der Studientagung der Dekane der Diözese Rottenburg-Stuttgart am 10. September 1991. Rottenburg (1991), S. 7.

[110] Vgl. Pius XI.: Enzyklika Miserentissimus Redemptor. In: AAS 20 (1928), S. 165-178.

[111] Vgl. Kapitel 4.3

[112] Vgl. Pius XII.: Enzyklika Mediator Dei. In: AAS 39 (1947), S. 521–595.

[113] Pesch: Das Zweite Vatikanische Konzil, S. 174.

[114] Bei Luther gründet aus der Kirchengliedschaft, die durch die Taufe bestimmt ist, ein allgemeines Priestertum aller Gläubigen. Er wendet damit den Begriff Priester auf alle Christen an. Was aber auch bei Luther nicht bedeutet, dass alle Christen die identischen Aufgaben wahrnehmen. Bei ihm sind die Predigt und die Sakramentenspendung an ein kirchliches Amt gebunden, das nicht durch eine Delegation der Gemeinde an einen Einzelnen übertragen werden kann. Das Amt ist der Gemeinde damit vorgegeben und kann nicht vom gemeinsamen Priestertum her bestimmt werden (Vgl. Neuner: Abschied von der Ständekirche, S. 82-83.). In der Confessio Augustana heißt es vielmehr, dass „niemand in der Kirche öffentlich lehren oder predigen Sakrament reichen soll, ohne ordentlichen Beruf [nisi rite vocatus, M.G.]“ (Zitiert nach: Neuner: Abschied von der Ständekirche, S. 83). Dies vollzieht sich in lutherischer Tradition in der Ordination durch Handauflegung und Gebet.

[115] Vgl. Kehl, Medard: Die Kirche. Eine katholische Ekklesiologie. Würzburg (21993), S. 114.

[116] Vgl. Neuner: Abschied von der Ständekirche, S. 245.

[117] Kehl: Die Kirche, S. 114.

[118] Neuner: Abschied von der Ständekirche, S. 245.

[119] Kehl, Medard: Art. Priestertum, In: LThK (32001), Band 8, Sp.583-586; hier: Sp. 586.

[120] Kasper, Walter: Berufung und Sendung des Laien in Kirche und Welt: geschichtliche und systematische Perspektiven. In: Stimmen der Zeit 205 (1987), Heft 9, S. 579-593; hier: S. 585.

[121] Gerwing, Manfred: In der Welt und für die Welt. In: Augustin, George; Schulze, Markus (Hg.): Freude an Gott. Auf dem Weg zu einem lebendigen Glauben. Festschrift für Kurt Kardinal Koch zum 65. Geburtstag. Freiburg (2015), S. 155-182; hier: S.178.

[122] Zum sensus fidei: Ohly, Christoph: Sensus fidei fidelium. Zur Einordnung aller Gläubigen in die Communio-Struktur der Kirche im geschichtlichen Spiegel dogmatisch-kanonistischer Erkenntnisse und der Aussagen des II. Vaticanum. (Münchner Theologische Studien 57) St. Ottilien (1999). Besonders: S. 173-351.

[123]d 9, Sp. 465-467; hier: Sp. 465-466.

[124] Vgl. Bausenhart: Autorität, S. 167.

[125] Siehe Kapitel 5.3

[126] Vgl. Bausenhart, Guido: „Ein Instrument des Laienapostolats? Die Laienbewegung Schönstatt im Licht des Zweiten Vatikanischen Konzils“. In: Regnum 39 (2005), S. 160-172; hier: S.167.

[127] Vgl. Paul VI.: Dekret Apostolicam Actuositatem. In: AAS 58 (1966), S. 837-864.

[128] „Jede Tätigkeit des mystischen Leibes, die auf dieses Ziel gerichtet ist, wird Apostolat genannt“ (AA 3)

[129] In diesem Absatz wird das schon zur Sprache gekommene Paulus-Wort, das sowohl für Vinzenz Pallotti als auch für Joseph Kentenich für ihr Apostolatsverständnis von Bedeutung wurden, zitiert. An den Beratungen, die letztlich zu dem Dekret „Apostolicam Acuositatem“ geführt haben, war auch P. Möhler SAC, der damalige Generalrektor der Pallottiner beteiligt.

[130] „Angetrieben durch die Liebe, die aus Gott stammt, tun sie allen Gutes, zumal denen, die uns im Glauben verbunden sind (vgl. Gal 6,10); “alle Bosheit und Tücke, alle Heuchelei und Mißgunst und alle üble Nachrede legen sie ab” (1 Petr 2,1) und ziehen so die Menschen zu Christus.“ (Vgl. AA 4)

[131] „Das Apostolat im sozialen Milieu, nämlich das Bemühen, Mentalität und Sitte, Gesetz und Strukturen der Gemeinschaft, in der jemand lebt, im Geist Christi zu gestalten, ist so sehr Aufgabe und Pflicht der Laien, daß sie durch andere niemals entsprechend erfüllt werden kann.“ (vgl. AA 13)

[132]„Die Laien können ihre apostolische Tätigkeit als einzelne ausüben; sie können sich dabei aber auch zu verschiedenen Gemeinschaften oder Vereinigungen zusammenschließen.“ (AA 15)

[133] Vgl. Neuner: Abschied von der Ständekirche, S. 233-238.

[134] Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland. Beschlüsse der Vollversammlung. Offizielle Gesamtausgabe I. Freiburg (21976).

[135] Vgl. Würzburger Synode, S. 663f.

[136] Würzburger Synode, S. 663.

[137] Schuster, Norbert: Art. Pfarrgemeinderat. In: LThK (32001), Band 8, Sp. 173-174; hier: Sp. 174.

[138] „Erklärt der Pfarrer förmlich aufgrund der durch sein Amt gegebenen pastoralen Verantwortung und unter Angabe der Gründe, daß er gegen einen Antrag stimmen muß, so ist in dieser Sitzung eine Beschlußfassung nicht möglich.“ (Vgl. Würzburger Synode, S. 662.)