Priesterbild
Angel Strada
1. Drei theologische Hauptzüge: Auserwählung – Weihe – Sendung
2. Zur Priesterspiritualität
2.1. Transparenz
2.2. Ganzheitliche Berufung
2.3. Neue Herausforderungen
2.4. Maria im Leben des Priester
Das Priesterbild P. Kentenichs kennt verschiedene Quellen: die eigene langjährige Erfahrung; die geistliche Begleitung zahlreicher Welt- und Ordenspriester sowie Priesteramtskandidaten; die Gründung von zwei Priester-Säkularinstituten und verschiedenen Gliederungen von Priestern im Schönstattwerk.
Das originelle Profil seines Priesterbildes entfaltet sich etwa in den Seelenführerkursen der zwanziger Jahre, den großen Priester-Exerzitien und -Tagungen der dreißiger Jahre, in seinen Stellungnahmen zum Zweiten Vatikanischen Konzil sowie in den vielen Kursen für die einzelnen Priestergemeinschaften Schönstatts.
Seine Hauptanliegen: In einer säkularen Wende von Kirche und Welt Unterscheidung des Wandelbaren von Unwandelbarem im Amtspriestertum und Aufzeigen zeitgemäßer Wege für die Erneuerung des priesterlichen Lebens und Wirkens.
1. Drei theologische Hauptzüge: Auserwählung – Weihe – Sendung
1.1. Auserwählung
Eigene Entscheidung und Bestellung durch die Gemeinde genügen nicht. Priestersein setzt einen persönlichen Gottesruf voraus. Dieser erfolgt nicht aufgrund persönlicher Verdienste oder besonderer Tugenden, sondern aus der Freiheit göttlicher Liebe.
„So war es in der Heilsgeschichte wohl immer. Wo Menschen von Gott unmittelbar in seinen Dienst genommen worden sind, da hat der liebe Gott selber die Wahl getroffen, da hat er die Namen genannt, da hat er persönlich sie an sich gezogen“ (31.10.63, in: Aus den Menschen, 21).
P. Kentenich reagiert damit gegen Nivellierung und Entwertungstendenzen des Amtspriestertums, gleichzeitig aber auch gegen jedwede Überheblichkeit.
1.2. Weihe
Durch die Salbung des Heiligen Geistes wird der Priester in eine geheimnisvolle, tiefe Seins-, Wirk- und Lebensgemeinschaft mit Christus hineingezogen. Christus ist der einzige Priester, menschliches Priestertum ist nur Teilnahme und dazu berufen, Christus darzustellen und in der Person des Hauptes der Kirche zu handeln (LG 28).
Lebensmitteilung in der Kraft des Heiligen Geistes ist der tiefe Sinn des dreifachen Amtes Christi:Prophet/Lehrer, Priester/Liturge und Hirt/König/Leiter. Denn vom Vater gesandt ist Christus in die Welt gekommen, damit die Menschen Leben haben, Leben in Fülle (vgl. Joh 10, 10).
Das dreifache Dienstamt Christi setzt sich in der Kirche fort. Alle Getauften nehmen daran teil (LG 10). Der Amtspriester hat innerhalb des einzigen Gottesvolkes den besonderen Auftrag der Verkündigung des Wortes, der Sakramentenspendung und des Dienstes der Liebe und der Führung (P0 2). Diese drei Ämter stehen für P. Kentenich nicht gleichrangig nebeneinander: Der personalen, unmittelbar seelsorglichen Funktion misst er den ersten Rang zu.
1.3. Sendung
Das Wirken Christi in der Kirche zielt hin auf die freie Annahme des Lebens Gottes und das Wachstum seines Reiches in den Herzen der Menschen und in den Kulturen der Völker. In dieses Sendungsgeschehen ist der Priester werkzeuglich eingebunden. Das begründet seine geistliche Vaterschaft (LG 28). Sie ist nach P. Kentenich „selbstloser Dienst am fremden Leben“ (DD 1963 III, 131-146). Es geht ihm um Weckung, Pflege und Entfaltung originellen Lebens durch hochherziges Dienen. Lebensmitteilung setzt einen hohen Grad von Lebensfülle voraus.
Damit distanziert sich P. Kentenich von jedem patriarchal, autoritär oder klerikal missverstandenen Vaterbegriff. Bei Vaterschaft geht es ihm nicht um Vorrangstellung oder Machtanspruch. Das biblische Bild vom Guten Hirten zeichnet das Ideal, an dem sich Vaterschaft orientiert: Hirtenliebe – Hirtensorge – Hirtentreue.
„Der Priester ist nicht da für sich… Im wesentlichen besteht seine Lebensaufgabe darin, sein Leben herzugeben für seine Gefolgschaft, für die Menschen so, wie sie heute existieren. Also mit ihren Nöten, mit ihren Schwächen, mit ihren Bedürfnissen“ (27.9.64, in: Aus den Menschen, 95).
2. Zur Priesterspiritualität
2.1. Transparenz
Die ontologisch-sakramentale Gabe beinhaltet für den Priester eine existentiell-subjektive Aufgabe: sein konkretes Leben und Wirken soll ein glaubwürdiges, transparentes Zeichen auf Christus hin sein. Die Seins- und Wirkgemeinschaft mit Christus will sich in einer Gesinnungs- und Lebensgemeinschaft mit ihm auswirken.
Nur aufgrund seiner personalen Gottsuche und Gotteserfahrung kann der Priester fruchtbarer Wegbegleiter und Erzieher im Glauben werden. Seine Funktion, „Brückenbauer“ zwischen Gott und Mensch zu sein, findet im gelebten Liebesbündnis mit dem lebendigen Gott ihre existentielle Grundlage.
In einer Zeit, wo die Suche nach Transzendenz und Lebenssinn bei vielen Menschen lebendig ist und bleibt, ist der Priester dazu berufen, „Mann Gottes“ zu sein, dass in ihm etwas von der Gegenwart Gottes aufstrahlt.
Die Frage nach der Rolle des Priesters kann nur im Kontext der Frage nach der eigentlichen Identität des Priesters beantwortet werden. Und diese gründet in der Berufung zu einer ganz persönlichen, unbedingten Nachfolge Christi und dem Einsatz für sein Reich unter den Menschen. Die vielfältigen Aufgaben und Arbeiten sollen hier ihre innere Kraftquelle und Einheit finden.
Die Begegnung mit dem Herrn in der Eucharistie und in seinem Wort, das persönliche Gebet und die ständige Pflege der Innerlichkeit sind Mittel, Sicherung und Ausdruck des Bundes der Liebe mit Christus (>>Symbol). Der priesterliche Zölibat ist, wenn er als Geschenk und Charisma angenommen und gelebt wird, ein leuchtendes Zeichen der totalen Zugehörigkeit zu Christus und seinem Reich.
2.2. Ganzheitliche Berufung
Priestersein ist ein ganzheitliches In-Anspruch-genommen-sein der Person und verlangt darum die volle Entfaltung der menschlichen und christlichen Berufung. Es ist also nicht primär eine Dienstleistung am Sozialgebilde Kirche.
Schon 1939 betonte P. Kentenich: “ Wir Priester sind für die Menschen bestellt. Ich muss mit den Menschen fühlen, ich muss mich menschlich geben, ich muss das Ideal des christlichen Humanismus verwirklichen.“ (PrN 1939, 101).
Menschliche Reife und überzeugende Nachfolge Christi bedingen sich. Sie setzen u. a. voraus: volle Entfaltung der Liebeskraft, Annahme der eigenen Schwächen und Grenzen, Einfühlungsvermögen und Lebensnähe, Dialogfähigkeit, Opfer- und Hingabebereitschaft, realistische Einschätzung der eigenen Kräfte, Ausgeglichenheit und Belastbarkeit.
Sie sind Frucht eines lebenslangen Selbsterziehungsprozesses und sollten eine entsprechende Rolle bei der Ausbildung der Priesteramtskandidaten spielen. Das Anliegen der Selbstverwirklichung wird in der Sicht P. Kentenichs dabei integriert, nicht verdrängt.
2.3. Neue Herausforderungen
Veränderungen in Kirche und Gesellschaft stellen neue Herausforderungen für den Priester dar. Moralische Autorität und persönliche Qualifizierung stehen vor Rang und institutionellen Vollmachten. Über eine verengt gesehene Priesterrolle hinaus ist er vor allem als Mensch und als Anwalt des Humanen gefragt und gefordert. Das verlangt eine sensible Aufmerksamkeit für geistgewirkte Veränderungen in der Zeit und die Fähigkeit, Gottes Willen darin zu entdecken und prophetisch zu deuten. Damit leistet er einen spezifischen Beitrag für eine humane Gestaltung der Welt. Gleichzeitig ist diese Rollenveränderung eine Antwort auf einen scheinbaren Funktionsverlust des Priesters in einer pluralistischen Gesellschaft.
„Dienen“ in einem solchen Kontext verlangt vom Priester ein entsprechend ausgesprägtes Ethos: Verantwortungsbereitschaft, Ehrfurcht, warme Sorge und herzliche Zuneigung, kooperatives Verhalten, Wachsamkeit für die Zeichen der Zeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit sind dabei wichtige konstitutive Elemente.
2.4. Maria im Leben des Priesters
Für eine zeitgemäße priesterliche Spiritualität spielt Maria eine besondere Rolle als Beispiel unbedingter Nachfolge Christi und als Mitarbeiterin in seinem Reich, als Mutter und Erzieherin in ihrer fraulichen Ergänzung und in ihrer Zeitsendung: In ihr ist geglücktes Menschsein in Christus erfahrbar und wird im Bündnis mit ihr möglich.
>Jungfräulichkeit, >>Vater.
Literatur:
- J. Kentenich, Ethos und Ideal in der Erziehung. Vorträge der Jugendpädagogischen Tagung (28.-31. Mai 1931), Vallendar 1972, 379 S.
- J. Kentenich, Vollkommene Lebensfreude. Priesterexerzitien (7.-13. Oktober 1934), Vallendar-Schönstatt 1984
- J. Kentenich, Kindsein vor Gott. Priesterexerzitien 1937, Vallendar-Schönstatt 1979
- J. Kentenich, Priesternot. Spannungen und Entspannungen im Priesterleben. Disposition, erarbeitet von Burdewick, verv. A 5, 116 S.
- J. Kentenich, What is my philosophy of education?, in: Philosophie der Erziehung. Prinzipien zur Formung eines neuen Menschen und Gemeinschaftstyps. Bearbeitet von Herta Schlosser, Vallendar 1991, 39-89
- Aus den Menschen – für die Menschen, Vallendar-Schönstatt 1970.
- G. Boll, Erzieher im Glauben, Regnum 3 (1968) 147-153
- 4 (1969) 81-90
- P. Gutiérrez, Priesterliche Väterlichkeit nach Pater Joseph Kentenich. Überlegungen zum Priestertum und seinem pastoralen Dienst, Regnum 10 (1975) 99-124.
Schönstatt-Lexikon:
Herausgeber: Internationales Josef-Kentenich-Institut für Forschung und Lehre e.V. (IKF)
Verlag: Patris-Verlag, Vallendar-Schönstatt – All rights by Patris-Verlag – www.patris-verlag.de
Online-Präsentation: Josef-Kentenich-Institut e.V. (JKI) – www.j-k-i.de