Temperament(e)
M. Erika Frömbgen
Mit Temperament (von tempero: einer Sache Ziel und Maß setzen) bezeichnet man allgemein die psycho physische Energie, die auch mit Vitalität oder Antriebsstärke benannt wird. Die typologische Aufteilung in Temperamente geht auf Persönlichkeitsbeschreibungen in der Antike zurück. Die geschichtlich überdauernden Bezeichnungen Melancholiker, Sanguiniker, Choleriker und Phlegmatiker ergaben sich aus der „Säftelehre“ des Hippokrates (de natura hominis). Galenos behält diese Ausdrücke bei, distanziert sich aber von deren biologistischer Herleitung. Die Typenbezeichnungen selbst haben, unabhängig von ihrer Herkunft, eine geschichtlich überdauernde breite Popularität mit variierenden Beschreibungskriterien gefunden. In den charakterologischen Erörterungen von Philipp Lersch werden sie als typologische Kennzeichnung der individuellen Willensstärke bzw. schwäche aktualisiert (Aufbau der Person). Albert Wellek erkennt in ihnen eine frühe Kennzeichnung der „Polarität im Aufbau des Charakters“ hinsichtlich Vitalität als individuelle Antriebskraft: cholerisch (stark) <–> phlegmatisch (schwach), sanguinisch (leicht) <–> melancholisch (schwer). Nach Ernst Kretschmer und seiner Schule ergeben sich psychotypische Zuordnungen zum Körperbau: zykloides Temperament beim Pykniker (diathetisch zwischen sanguinisch melancholisch bzw. manisch-depressiv), schizoides Temperament beim Leptosomen (cholerisch), visköses Temperament beim Athletiker (phlegmatisch). Die statistischen Prüfverfahren der modernen Persönlichkeitsforschung (Faktorenanalyse nach J.P. Guilford und anderen) haben psychotypische Zuordnungen aufgrund der überwiegenden Mischverhältnisse stark relativiert.
Bei P. Kentenich findet man gelegentlich die überkommene Typeneinteilung in der Form populärer Orientierungshinweise zur Selbsterkenntnis. In der Praxis der Schönstatt-Bewegung, besonders in der Jugendpädagogik, spielen die Temperamente als Hilfen zur Persönlichkeitserkenntnis nach wie vor eine wichtige Rolle. Ihr Gebrauch bleibt berechtigt, wenn deren Relativität wie auch die mit jeder Typologie gegebene Tendenz zur Klischeebildung und Etikettierung mitbedacht und vermieden wird.
>Persönliches Ideal, >>Selbsterziehung
Literatur:
- J. Kentenich, What is my philosophy of education?, in: Philosophie der Erziehung. Prinzipien zur Formung eines neuen Menschen und Gemeinschaftstyps. Bearbeitet von Herta Schlosser, Vallendar 1991, 39-89, 53 f.
- J. Kentenich, Desiderio desideravi. Milwaukee-Terziat (1962-1963), verv., A 5, elf Bände II, 193
- J. Kentenich, Desiderio desideravi. Milwaukee-Terziat (1962-1963), verv., A 5, elf Bände VII, 7 f.
Schönstatt-Lexikon:
Herausgeber: Internationales Josef-Kentenich-Institut für Forschung und Lehre e.V. (IKF)
Verlag: Patris-Verlag, Vallendar-Schönstatt – All rights by Patris-Verlag – www.patris-verlag.de
Online-Präsentation: Josef-Kentenich-Institut e.V. (JKI) – www.j-k-i.de