Bibel
Peter Wolf
- Biblische Orientierung
- Biblische Themen
- Heilsgeschichtliches Denken
1. Biblische Orientierung
Die Schönstatt-Bewegung ist in einem Jahrhundert gegründet und aufgebaut worden, das in der Kirche durch eine intensive Hinwendung zur Heiligen Schrift geprägt wurde. Besonders in Deutschland kam es zu einer starken Bibelbewegung seit den 20er Jahren. Von einem Neuaufbruch der Bibelwissenschaften innerhalb der katholischen Kirche kann man nach der Enzyklika „Divino afflante spiritu“ (1943) sprechen. Die in Schönstatt gewachsene >>Spiritualität ist von ihrem Ansatz her umfassender, als dass sie mit dem Anliegen der biblischen Orientierung genügend charakterisiert wäre. In programmatischen oder definitionsartigen Umschreibungen schönstättischer Spiritualität wird man die Hervorhebung der Heiligen Schrift oder die Charakterisierung als biblisch mitunter vermissen. Trotzdem wird man feststellen müssen, dass schönstättische Spiritualität auf elementare Weise biblisches Denken und Leben entwickelt.
Dabei geht es dem Gründer P. Kentenich nicht zunächst um die Vermittlung exegetischer Methoden und um die Kompetenz des Fachwissenschaftlers. Er ist offen für die wissenschaftliche Forschung und weckt Interesse. Es geht ihm um die Umsetzung biblischer Glaubenserfahrung in heutiges Leben. Im Verständnis der biblischen Offenbarung ist ihm wichtig, das Christentum primär als Lebensoffenbarung und sekundär als Wahrheitsoffenbarung zu sehen (vgl. OW 1950, 117). Diese Sicht der Heiligen Schrift bringt eine große Dynamik und zielt auf neues Leben aus den in der Schrift bezeugten Lebensvorgängen.
Er rät zu täglicher Schriftlesung und Schriftdeutung. Die Mühe um den „Textsinn“ zielt auf das Erkennen des „Gegenwartssinnes“ (vgl. ErlM 1935, 20).
Es ist zu konstatieren, dass alle Themen und >>Strömungen der Spiritualität Schönstatts umfassend biblisch erarbeitet sind. So bieten die großen thematischen Exerzitien Kurse des Gründers immer ausführliche biblische Grundlegungen und den beständigen Impuls, persönlich oder in Gemeinschaft die biblischen Bezüge zu erarbeiten.
2. Biblische Themen
Zu den großen biblischen Themen, die P. Kentenich als „Wertwelten“ erhebt und ins Bewusstsein seiner geistlichen Familie lebendig einbringen konnte, gehören besonders folgende (>>Jesus Christus):
Der paulinische Gedanke von der Freiheit der Kinder Gottes inspiriert von der Vorgründungsurkunde an die geistlichen pädagogischen Ziele der Bewegung (vgl. KwFr 1946). Der „Reich Gottes Gedanke“ in seiner synoptischen Form und apokalyptischen Ausrichtung (>>Himmelwärts, >>Apokalypse) wird lebensmäßig aufbereitet und übertragen in die Ideenwelt und Sprechweise vom „Schönstatt Reich“ in der Zeit des Nationalsozialismus. Von den zwanziger Jahren an gibt es eine intensive Heilig Geist Strömung (>>Heiliger Geist) in Schönstatt, die zu einer lebendigen Aneignung der Geisterfahrung der jungen Kirche und einer Offenheit für das heutige Wirken des Geistes führt.
Die Zeit der Verfolgung bringt eine intensive Erarbeitung des gesamten Lebens Jesu in seiner „beglückenden, erdrückenden und entzückenden Seite“. Im Schicksal des Gründers und der Familie wird das Leben des Herrn, und besonders das Paschamysterium, vergegenwärtigt und für das Erleben der Schönstattfamilie in neuer Weise aktuell. Ebenso ist das Marienbild Schönstatts besonders aus biblischen Bezügen herausgearbeitet. Die „Sponsa Gedanken“ sind ein kostbares Zeugnis dieses existenziellen Zugangs zur Heiligen Schrift.
Ganz aus der Quelle der neutestamentlich gezeugten Kindschaft und Sohnschaft Jesu gegenüber seinem Vater und dem paulinischen Gedanken der Gotteskindschaft lebt die Spiritualität der >>Kindlichkeit und die Botschaft vom barmherzigen >>Vater Gott. In Schönstatt gibt es über Jahrzehnte eine „Vaterströmung“, die vielen Menschen einen lebendigen Zugang zu Gott als Vater eröffnet hat. Was der Gründer über viele Jahre und besonders nach seiner Rückkehr aus Milwaukee als Wandel des Gottesbildes gekündet hat, ist existenzielle Erschließung des neutestamentlichen Gottesbildes für den Menschen der heutigen Zeit. Geradezu der Grundansatz biblischen Denkens ist aufgefangen und lebensmäßig wirksam in der >>Bündnisfrömmigkeit Schönstatts, die den Bundesgedanken des Alten und Neuen Testamentes aufnimmt und verknüpft mit dem >>Liebesbündnis. Mit diesem Ansatz innerlich verbunden ist die starke Ausrichtung auf den „Gott des Lebens“ im praktischen >>Vorsehungsglauben, den der Gründer gern als „unsere Weltanschauung“ bezeichnet.
3. Heilsgeschichtliches Denken
Es geht ihm um ein Verständnis der heutigen Geschichte und der persönlichen Geschichte als Heilsgeschichte. Es ist ein beständiger Versuch, mit dem Gott des >>Lebens zu leben. J. Kentenich hat die Geschichte seiner Gründung immer gedeutet als eine „heilige Geschichte“ (vgl. Solidarität, 43). Das Ineinander von biblischer Geschichte und heute im Glauben gelebten und gedeuteten Geschichte ist ganz typisch für sein Denken. Gerade so wächst biblisches Denken und Erleben und geschieht gegenseitiges Erschließen und Verstehen. „Wenn wir beides tun, dann lernen wir aus der biblischen Geschichte das Organ zu stärken für unsere heilige Geschichte. Und umgekehrt: je mehr wir unsere heilige Geschichte verstehen, desto empfänglicher sind wir für die objektive allgemeine biblische Heilsgeschichte.“ (WT 1967, 209).
Exemplarisch findet sich dieser Ansatz eines Nachlebens und Nachvollzugs auch einzelner biblischer Szenen in den Horen von Himmelwärts. Dort sind Szenen des Christus- und Marienlebens in Parallele gesetzt zu Erfahrungen der Schönstattgeschichte und der persönlichen Situation des Beters. Dieses biblische Denken und Erleben wirkt sich fruchtbar aus in vielen Strömungen und Idealen (>>Idealpädagogik) in der Schönstatt-Bewegung und bildet den geistigen Hintergrund für die Namen bekannter Schönstatt Zentren, wie etwa Moriah, Bethanien, Getsemani, Kanaan, Nazareth und Sion.
Literatur:
- J. Kentenich, Der heilige Geist und das Reich des Friedens. Exerzitien für Bundes- und Marienschwestern vom 24.-30. August 1930, Schönstatt 1979, 377 S.
- J. Kentenich, Der erlöste Mensch. Priesterexerzitien 1935/1936, verv.S, A 4, 112 S.
- J. Kentenich, Oktoberbrief 1949 an die Schönstattfamilie, Vallendar 1970, 196 S.
- J. Kentenich, Weihnachtstagung 1967. Vorträge vom 27. bis 30.12.1967 an die Delegierten des internationalen Schönstattwerkes, verv.O, A 5, 221 S., 179-210
Schönstatt-Lexikon:
Herausgeber: Internationales Josef-Kentenich-Institut für Forschung und Lehre e.V. (IKF)
Verlag: Patris-Verlag, Vallendar-Schönstatt – All rights by Patris-Verlag – www.patris-verlag.de
Online-Präsentation: Josef-Kentenich-Institut e.V. (JKI) – www.j-k-i.de