Vaterprinzip
Rudolf Weigand
Ausgehend von der natürlichen Vaterschaft (>>Vater) sieht P. Kentenich, dass die in der natürlichen Familie vorhandenen Gesetzmäßigkeiten der Vaterschaft und Mutterschaft eine über die Familie hinausgehende Bedeutung haben (>>Elternprinzip). Deswegen gründet er seine Gemeinschaften in Analogie zur natürlichen Familie und fördert in ihnen den Geist der >>Familienhaftigkeit (>>Familie). Besonders deutlich arbeitet er das heraus in der Stellung des Vaters, der ein Transparent des Vatergottes ist und sein soll. Psychologisch zeigt sich das darin, dass in der Regel das Gottesbild jedes Gläubigen mit geprägt ist durch seine eigenen Vatererlebnisse, weshalb negative Vatererlebnisse meist ein Hindernis sind für ein positives und gesundes Gottesbild.
P. Kentenich spricht vom Vaterprinzip in einem allgemeineren und einem engen oder speziellen Sinn.
1. In der pädagogischen Tagung von 1951 befasst er sich mit dem Erlebnis echter >>Kindlichkeit (Nacherlebnis, Gegensatzerlebnis, Ergänzungserlebnis). Unter anderem erwähnt er das „Nacherlebnis echter Kindlichkeit, ein Nachkosten des Vater- und Muttererlebnisses“, das „praktisch konkretisiert“ ist „im Vatererlebnis“. „Das setzt voraus, dass der liebe Gott mir einen Vater, eine Mutter schenkt, … an denen ich alles nacherleben darf, was ich als Kind in der natürlichen Familie nicht oder nicht genügend habe leben und erleben dürfen“ (PT 1951, 101). Das erfordert bei dem väterlichen Erzieher eine große Geduld. In eigener Weise gilt das für den Priester, der sich als guten Hirten und Vater verstehen und von den dabei herrschenden Gesetzmäßigkeiten genügend Kenntnis haben soll. Die Verantwortung hierfür ist beim Priester besonders groß, damit er wirklich für die ihm Anvertrauten ein Transparent des Vatergottes ist und sein kann. Diese geistliche Vaterschaft oder Väterlichkeit wird als verantwortliche Einstellung des Priesters in der Seelsorge der Zukunft wohl immer wichtiger und entscheidender sein.
2. Im engeren und eigentlichen Sinn spricht P. Kentenich vom Vaterprinzip in Bezug auf die von ihm gegründeten Säkularinstitute für Frauen (>>Marienschwestern, >>Frauen von Schönstatt). Während des langjährigen Gründungsvorgangs und der Entwicklung der rechtlichen Strukturen und Einrichtungen erkannte er, dass diese Gemeinschaften und ihre Fruchtbarkeit nur dann lebensmäßig gesichert sind, wenn das für Frauengemeinschaften übliche Mutterprinzip durch das Vaterprinzip (>>Elternprinzip) ergänzt wird. Nur auf diese Weise kann nach Überzeugung und Wunsch des Gründers der Familiencharakter voll zum Tragen kommen und ist der Bestand dieser Gemeinschaften ohne Gelübde, deren Glieder nur durch eine Vertragsweihe gebunden sind, zu sichern. Die Vaterstellung des „Generaldirektors“ oder „Geistlichen Direktors“ wirkt sich lebensmäßig und juristisch auf verschiedenen Ebenen aus.
Das Vaterprinzip wurde in seiner Neuartigkeit und Bedeutung nicht ohne weiteres verstanden. Auch bei den Visitationen des Schönstattwerks 1949 und 1951-1953 spielte es eine Rolle.
Literatur:
- J. Kentenich, Daß neue Menschen werden. Eine pädagogische Religionspsychologie. Vorträge der Pädagogische Tagung 1951. Bearbeitete Nachschrift, Vallendar-Schönstatt 1971, 264 S., 24-28. 45. 87-94
- J. Kentenich, Rom-Vorträge. Vorträge für die Leitungen der Schönstätter Verbände in Rom (17. November 1965 – 2. Februar 1966), verv., A 5, vier Bände, 237+321+283+308 S. 1965 III, 21-81
- H. Czarkowski, Psychologie als Organismuslehre, Vallendar-Schönstatt 1973
Schönstatt-Lexikon:
Herausgeber: Internationales Josef-Kentenich-Institut für Forschung und Lehre e.V. (IKF)
Verlag: Patris-Verlag, Vallendar-Schönstatt – All rights by Patris-Verlag – www.patris-verlag.de
Online-Präsentation: Josef-Kentenich-Institut e.V. (JKI) – www.j-k-i.de