Gott – Gottesfrage
Günther M. Boll
Mit seinem theozentrischen Weltbild steht Pater Kentenich ganz in der Tradition der abendländischen christlichen Gotteslehre: Gott als der Schöpfer ist mit seiner Schöpfung verbunden, als Erst- und Allursache (nicht Alleinursache) bildet er mit den geschaffenen Zweitursachen einen großen Gesamtorganismus. Nach dem Zerbrechen dieses Weltbildes als gesellschaftlicher Realität und unter den Bedingungen unserer säkularisierten Gesellschaft sieht Pater Kentenich seine Aufgabe darin, dem modernen Menschen wieder einen Zugang zur Gotteserkenntnis und zum christlichen Gottesglauben zu ermöglichen. Deshalb sagt er von der Sendung Schönstatts im Rahmen der nachkonziliaren Sendung der Kirche: „Sie kann nur darin bestehen, den Gottesgedanken für die heutige Zeit zu retten“ (OW 1967, 80). Neben dem auch machtpolitisch wirksamen atheistischen Bolschewismus bzw. der marxistischen Philosophie sah er für die westlichen Demokratien in der Feststellung Nietzsches „Gott ist tot“ und Bubers von der „Gottesfinsternis“ eine zutreffende Diagnose von der geistig seelischen Lage, er spricht von einer „gottesflüchtigen Zeit“.
Zur Erklärung für diese Situation sagt er: „Die Wurzel des Gottesglaubens ist krank geworden“ (PT 1951, 25 ff.). Nicht nur die suprarationale Wurzel – der Glaube im eigentlichen Sinn – und die rationale – ein reifes Gottesbild -, sondern vor allem auch die irrationale Wurzel ist dabei bedeutsam, weil sie sowohl die suprarationale wie die rationale Wurzel mit beeinflusst. Hier geht es um die natürlichen Vorerlebnisse als Voraussetzung für den Glauben an Gott: Vater und Muttererlebnisse, gewachsenes Selbstwertgefühl, gesättigte Liebeserfahrung, Grenzerlebnisse und vieles andere. Ganz im Einklang mit Tendenzen der heutigen Pastoralpsychologie hebt er dabei vor allem hervor, dass die irrationale Wurzel unseres Glaubens zentral in einem „naturhaften, bis ins unterbewusste Seelenleben vordringenden Vatererlebnis“ besteht, „das nach dem Gesetz der Gefühlsübertragung leicht übertragen werden kann und muss auf den Vatergott“ (PT 1951, 25).
Seine gesamte dreidimensionale Spiritualität durchzieht der Grundzug, „Gott zu suchen und zu finden in allen Dingen, Ereignissen und Menschen“. Diese augustinisch ignatianische Ausrichtung muss sich heute neu bewähren in einer Welt, die fast nur noch von den „vestigia hominis“, den Spuren menschlicher Zivilisation gekennzeichnet ist. Die Schönstattspiritualität will dem modernen Menschen helfen, diese dichte Welt der Zweitursachen wieder durchsichtig werden zu lassen auf Gott hin. Der Glaube muss zum „göttlichen Instinkt“ werden, um Gott in den Dingen zu finden, zum „göttlichen Geschmack“ inmitten des Genießens der Dinge, Gotteserkenntnis muss zum Gotteserfahrung, zum Gotteserlebnis werden. Dabei leitet Pater Kentenich die anthropologische Überzeugung, dass der Mensch „nicht nur ein animal rationale, ein animal sociale, ein animal metaphysicum, sondern auch ein animal religiosum“ ist. Ein „ewiges Heimweh“, eine „Sehnsucht nach Gott“ lebt in ihm, die „zwar vorübergehend unterdrückt, irregeleitet, aber nicht auf Dauer getötet werden kann“ (PT 1951, 24). Deshalb kündet er Gott als „Realität, als persönliche und unentrinnbare Realität“ (KvG 1937, 133 f.).
Literatur:
- Oktoberwoche 1967, 35. 67-137
Schönstatt-Lexikon:
Herausgeber: Internationales Josef-Kentenich-Institut für Forschung und Lehre e.V. (IKF)
Verlag: Patris-Verlag, Vallendar-Schönstatt – All rights by Patris-Verlag – www.patris-verlag.de
Online-Präsentation: Josef-Kentenich-Institut e.V. (JKI) – www.j-k-i.de