Don Boscos Menschenbild gründet zutiefst im christlichen Menschenbild, das von der Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes ausgeht, die Gott durch die Aussendung seines Sohnes zum Ausdruck gebracht hat.[1] Getragen von diesem Glauben und inspiriert vom Heiligen Franz von Sales bemühte sich Don Bosco wann immer es möglich war, das Gute im Menschen zu sehen. Besuchte er Jugendliche im Gefängnis, fokussierte er vor allem deren Stärken, statt, wie die meisten seiner Zeitgenossen, nur auf ihre Schwächen zu achten. Er vertraute darauf, dass es in jedem Jugendlichen, unabhängig von seinen bisherigen Verbrechen, einen Punkt gebe, der für das Gute zugänglich ist.[2] Don Bosco lebte seinen Glauben immer möglichst aus Freude und mit Freude. So war es ihm ein Anliegen, diese auch weiter zu geben. Feste, Musik, Theater und Frohsinn gehörten zu seiner Lebensweise und geben Zeugnis von seinem lebensbejahenden, durchwegs positiven Menschenbild.[3]
Don Boscos bedeutendster, erzieherischer Nachlass ist sein »Präventivsystem«. Zwar war er nicht der Erste, der die Ausdrücke »präventiv«[4] oder »Prävention« benutzte, denn diese waren zu seiner Zeit quasi »Modeworte«, doch er füllte sie mit neuem Inhalt – vor allem, weil er ihnen die religiöse Dimension beifügte.[5] Zwar spricht Don Bosco nicht nur vom Präventivsystem, sondern auch vom »Repressivsystem«[6], das darin besteht, „daß man das Gesetz den Untergebenen bekanntmacht und dann seine Befolgung überwacht, um die Übertreter festzustellen und ihnen nötigenfalls die verdiente Strafe zu geben.“[7] Jedoch begründet er, weshalb er für seine Erziehung das Präventive vorzieht.
„Verschieden und, ich möchte sagen, entgegengesetzt ist das Präventivsystem. Es besteht darin, daß man die Vorschriften eines Institutes bekanntmacht und dann die Jugendlichen derart überwacht, daß das achtsame Auge des Direktors oder der Assistenten immer auf ihnen ruht. Wie gütige Väter sollen sie mit ihnen sprechen, bei jedem Anlaß als Führer dienen, gute Ratschläge erteilen und sie liebevoll zurechtweisen. Mit einem Wort: Die Jugendlichen in die Unmöglichkeit versetzten, Fehltritte zu begehen.“[8]
Don Boscos pädagogisches Konzept darf weniger aus theoretischer denn aus praktischer Sicht betrachtet werden. Es entstand in der Praxis, für die Praxis und ist auch nur aus ihr verstehbar. Erst auf wiederholte Anfragen seiner Mitarbeiter ging Don Bosco auf ihre Bitte ein, seine Gedanken dazu niederzuschreiben. Zwar entstand nie – wie erhofft – ein Buch oder Ähnliches, doch immerhin schrieb der Pädagoge 1877 in wenigen Seiten das Wesentliche dieses Erziehungssystems unter dem Titel „Das Präventivsystem in der Erziehung der Jugend“[9] zusammen. Diese Schrift dient noch heute in allen salesianischen Einrichtungen der Orientierung.[10]
Don Boscos Ziel war es bekanntlich, die Jugendlichen zu „rechtschaffenen Bürgern und guten Christen heranzubilden.“[11] Seine Ansicht war folgende: Um ein rechtschaffener Bürger zu werden, ist es zunächst notwendig, eine Berufsausbildung zu erhalten, damit man einen Arbeitsplatz bekommt und somit sich und seine Familie versorgen kann. Wenn diese essentiellsten Bedürfnisse gewährleistet sind, ist davon auszugehen, dass sich der rechtschaffene Bürger durch Fleiß, Disziplin, Verantwortungsgefühl und Solidaritätssinn auch in der Gesellschaft einbringt und somit zum Wohl des Staates beiträgt.[12] Da es Don Bosco immer um eine ganzheitliche Bildung und Erziehung ging, liegt nahe, dass sein Erziehungsziel eine zweite Dimension hatte, nämlich die der Religion. Er war der Ansicht, ein rechtschaffener Bürger sei vor allem wer auch ein guter Christ ist. Diese beiden Ideale waren für ihn untrennbar. Don Bosco zufolge wird ein Mensch zu einem guten Christen, wenn er allgemein darum bemüht ist, sein Leben nach Gott und dessen Gebote auszurichten. Das Leben aus dem Glauben beinhaltet Tugenden wie Ehrlichkeit, Frömmigkeit, Nächstenliebe, Gottesfurcht und Kirchentreue. Der Mensch soll nach »Heiligkeit« streben, das heißt, im Bewusstsein seiner Endlichkeit ein möglichst heiligmäßiges Leben führen, indem er sich in christlicher Liebe, Mäßigkeit, Gehorsam, Bescheidenheit und Demut übt.[13] All dies war zeitlebens das Bestreben Don Boscos im Hinblick auf die Erziehung seiner Jugendlichen in den Oratorien. Auch sein pädagogischer Auftrag hatte diese doppelte Dimension. „Unsere Buben kommen zum Oratorium. Ihre Eltern und Wohltäter vertrauen sie uns an, weil sie wünschen, daß die Buben (…) Unterricht erhalten. Aber der Herr schickt sie uns, daß wir uns um ihre Seelen kümmern, und daß sie hier den Weg des ewigen Heiles finden.“[14] In diesem Zusammenhang kann auch der oft zitierte Ausspruch Don Boscos gesehen werden: „Da mihi animas, caetera tolle (deutsch: Gib mir Seelen, alles andere nimm!)“[15]
Um bestimmte Ziele in der Erziehung zu erreichen, sind verschiedene Methoden notwendig. Diese stellen die Verbindung von Theorie und Praxis dar und bieten ein Handlungsspektrum zur professionellen Hilfe.[16] Bei Don Bosco ist schwer nachzuvollziehen, welchen wissenschaftlich fundierten Quellen er seine Erkenntnisse entnahm, da in dieser Hinsicht keine detaillierte Verschriftlichung vorliegt. Vieles hat er sich mit großer Wahrscheinlichkeit durch seine intensiven Beobachtungen selbst erschlossen.[17] In seiner kurzen Abhandlung über das Präventivsystem beschreibt er seine Erziehungsmethoden so: „(…) Dieses System stützt sich ganz auf Vernunft, Religion und Liebenswürdigkeit. (…)“[18] Der Salesianer Jacques Schepens weist darauf hin, „dass die Interpretation dieser Trias nicht immer eindeutig ist.“[19] Einige verstehen unter Vernunft, Religion und Liebenswürdigkeit eine Zielorientierung, andere hingegen eine Methode. Auch die Gewichtung dieser Trias ist nicht ganz eindeutig. Wird die »Liebenswürdigkeit« von dem einen als Weg beschrieben, so bezeichnen andere sie als »Conditio sine qua non«, eine Grundbedingung für eine erfolgreiche Erziehung, bei der Religion und Vernunft lediglich als Instrumente fungieren. Bei all diesen Möglichkeiten der Auslegung darf aber nicht vergessen werden, dass Don Bosco die einzelnen Elemente der Trias als Einheit gesehen hat, die in seinem System verbunden sind.[20]Im Folgenden sollen diese »drei Säulen«[21] im Einzelnen erläutert werden.
Die Vernunft
Don Bosco wird wie bereits erwähnt als großer Optimist beschrieben, der möglichst nur das Positive im Menschen sah.[22] So hielt er seine Mitarbeiter immer an, in jedem Jugendlichen stets das Gute zu suchen: die Stelle im Herzen, die sensibel dafür ist. Er vertraute darauf, dass sie in jedem zu finden sei. Nach seiner Sicht sei es Aufgabe des Erziehers, sich so weit auf den Zögling einzulassen, bis er diese Stelle gefunden habe.[23] Dabei unterschied er das »Erziehen mitVernunft« und das »Erziehen zur Vernunft«.
Ersteres meint ein sich Einlassen; es geht darum, sich mit dem Edukanten auf eine Augenhöhe zu begeben. Dadurch soll erreicht werden, dass sich der Erzieher ganz in die Welt seines Gegenübers versetzt, um dessen Handeln verstehen zu können. Dabei soll der Erzieher den Jugendlichen durch Beobachtung und Kommunikation immer besser kennen lernen, um seine Stärken und Schwäche einschätzen zu können. Nur so kann er präventiv und professionell erziehen. Mit solch einer Haltung respektiert er einerseits den Jugendlichen, schafft es aber andererseits im besten Fall auch, den Jugendlichen zur Reflexion seines Handelns anzuregen. Dies setzt ein großes Maß an Vertrauen und Freiheit voraus, was jedoch mitunter von der Größe der Gruppe von Jugendlichen abhängig ist.[24]
Im Sinne des Präventivsystems soll das »Erziehen zur Vernunft« dadurch Fehltritten vorbeugen, dass der Erzieher stets ein Auge auf seine Schützlinge hat und dem Jugendlichen im Falle einer Missetat eine Strafe mittels der Ratio erklären kann. Somit erhält der Jugendliche die Möglichkeit, seinen Fehler einzusehen und daraus zu lernen. Im Übrigen wird dadurch die gegenseitige Beziehung zwischen Erzieher und Zögling intensiviert. Erziehung zur Vernunft kann somit als »Einsicht« verstanden werden.[25] Das menschliche »Kontrollorgan« für die Vernunft ist das Gewissen. Somit ist es notwendig, dass durch diese Art von Erziehung auch Gewissensbildung gefördert wird.
Allerdings ist gemäß Don Bosco die vernünftigste Erziehung erfolglos, wenn nicht auch Liebe und Glaube, also eine gemeinsame Ausrichtung auf Gott hin geschieht. Deshalb ist die Verbindung der Elemente der Trias entscheidend.[26]
Die Religion
Religion und Vernunft sind im Grunde kaum trennbar, sondern bedingen sich gegenseitig. Zwar kann beides für sich stehen, es findet aber nur in Verbindung seine Sinnhaftigkeit und Verstehbarkeit. Dass für Don Bosco die Dimension des religiösen Glaubens in seiner Erziehung ein wesentlicher Bestandteil war, ist kaum verwunderlich. Er setzte viel Energie in die Vermittlung von Glaubenslehren, wobei er sie nie jemanden aufzwang. Durch die Vernunft kann der Mensch die Religion auf kognitiver, natürlicher Ebene erfassen. Da die Religion zum Glauben und somit zu Gott führt, ermöglicht sie dem Menschen den Zugang zum Übernatürlichen. Somit wird klar, weshalb das eine ohne das andere an Ganzheitlichkeit verliert. Aus diesem Grund ist auch der Glaube als Säule des Präventivsystems Don Boscos nicht wegzudenken.[27] Aus religiöser Sicht gedacht ist das Streben nach Heiligkeit und somit die Erziehung dazu das höchste Ideal des Christen.[28]Jacques Schepens führt zwei mögliche Elemente auf, um diesem Streben nachzukommen: die Gottesfurcht und das aktive religiöse Leben, das den regelmäßigen Empfang der Sakramente und religiöse Übungen impliziert.[29] Nur einer dieser Gedanken soll näher erläutert werden, da er den Zusammenhang von Vernunft und Glauben nochmals verdeutlicht: Im Sakrament der Beichte wird immer wieder die Reflexion des eigenen Lebens eingeübt. Dadurch findet eine stete Auseinandersetzung mit dem Gewissen statt, wodurch dieses weiter ausgebildet wird. Da der Mensch von Gott die Gnade der Vernunft geschenkt bekommen hat, kann er sich diese so zueigen machen und Gott dadurch dankbar entgegentreten, dass er sich immer wieder mittels Vernunft und Gewissen an den Geboten Gottes ausrichtet. Da im Sakrament der Beichte optimaler Weise das ganze Leben betrachtet wird, ist die damit verbundene Erziehung ganzheitlich. Die »übernatürliche Wirkung« der Beichte zeigt, dass der Mensch durch die Wiedervereinigung mit Gott auch wieder für Gottes Gnadenwirken geöffnet wird.[30]
Die Liebenswürdigkeit
Die letzte Säule des Präventivsystems Don Boscos ist die »Liebenswürdigkeit«. Im Italienischen gebrauchte Don Bosco dafür das Wort »amorevolezza«, das als Kunstwort gilt und schwer ins Deutsche übersetzbar ist. Don Bosco wollte damit den vielen Schichten und Dimensionen von Liebe Ausdruck verleihen.[31] Um deutlich zu machen, welche er meint, zitiert er in seinem Traktat über das Präventivsystem aus dem 1. Brief des Apostels Paulus an die Korinther: „(…) Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. (…) Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. (…)“[32] Hier wird deutlich, wie sich der Erzieher dem Jugendlichen gegenüber verhalten und wie er vorgehen soll. Demnach ist Geduld eine grundlegende Voraussetzung, die ein Erzieher auf- und mitbringen muss. In dieser Haltung kann er sich gütig im Umgang erweisen und ertragen, was ihm von Seiten der Zöglinge entgegengebracht wird. Dabei hofft er auf das Gute und Bestmögliche im Menschen, das, wie oben bereits beschrieben, ein wesentliches Kennzeichen der Pädagogik Don Boscos ist. Es handelt sich um eine innere Haltung, die sich durch den täglichen Umgang mit den Jugendlichen auch nach außen zeigt und die auf das Wesen Gottes verweist. Dieser – dafür steht das Gleichnis vom barmherzigen Vater – bringt den Menschen nämlich eben diese langmütige und geduldige Liebe entgegen.[33] Geht man dem italienischen Kunstwort »amorevolezza« auf den Grund, kann eine weitere Dimension erschlossen werden. Es bildet sich aus den Wortstämmen »amore« (Liebe) und »volere« (Wollen).[34] Nur wenn Erzieher und zu Erziehende sich gegenseitig aufeinander einlassen wollen und sich somit für die Liebe öffnen, ist diese in Form von Beziehung möglich. Das heißt, es kann dadurch „eine authentische, menschliche Liebe“[35] entstehen, die von Don Bosco als »väterlich«, »freundschaftlich« und »brüderlich« beschreiben wird.[36] Das soll im nächsten Abschnitt noch näher erläutert werden. Für die Erziehung der Jugendlichen ist diese Liebe sichtbar und spürbar zu machen. „Die Jungen müssen nicht nur geliebt werden, sie müssen diese Liebe selbst auch spüren.“[37] Don Bosco verwirklichte diese Form der Liebe auf zwei Weisen. Erstens wurde sie äußerlich sichtbar, zum Beispiel indem er den Jugendlichen immer wieder einmal nette Worte ins Ohr flüsterte[38] und jeden Abend ein „Abendwort“[39] zu ihnen sprach. Zweitens war es dem Priester ein Anliegen, dass sich die Liebe auch »innerlich« zeigt. Er wies seine Mitarbeiter an, „die Sprache des Herzens“[40] der Jungen zu lernen, zu sprechen und zu verstehen. Nur so könnten sie sich Gehör bei den Jugendlichen verschaffen und ihnen das Gefühl von Angenommen- und Geliebtsein vermitteln. Durch die Verwirklichung dieser pädagogischen Dimension der Liebe entsteht bei den Jugendlichen ein Selbstwertgefühl, das wiederum zu Selbstbewusstsein führt.[41]
Zusammenfassend ist anzumerken, dass die Anwendung dieser Erziehungsmethoden nach Don Bosco zwar auf den ersten Blick sehr aufwändig erscheinen, sich langfristig gesehen jedoch auszahlen. Das zeigt die mittlerweile fast 150-jährige Erfolgsgeschichte der salesianischen Methodik, in der die »Liebenswürdigkeit« eine große Rolle spielte und noch heute spielt.
Da der Erzieher eine zentrale Funktion im Erziehungsprozess einnimmt und die Pädagogik dadurch ihre berufstypische Bedeutung erhält, ist eine gute Erziehung stark von der Persönlichkeit des Erziehers abhängig. „Erziehen ist ein Beitrag zum Gelingen des Lebens von Kindern und Jugendlichen. Das bezieht sich auf die notwendige Unterstützung kindlicher Entwicklung und menschlicher Reifung.“[42] Diese Unterstützung wird maßgeblich von Erwachsenen geleistet, die daher – vor allem wenn sie die Funktion eines Erziehers innehaben – einen gefestigten Charakter vorweisen müssen. „In der pädagogischen Tätigkeit verschmilzt die berufliche und menschliche Seite zu einer Einheit, in der sowohl die fachliche (…) als auch die menschliche bzw. humane Kompetenz miteinander verbunden sind.“[43] Folglich kommt es in der Pädagogik immer auf die ganze Person des Erziehers an.
Ein Charakteristikum der salesianischen Erziehung ist die „Pädagogik der Anwesenheit“.[44]Jacques Schepens beschreibt sie als „ein »Dasein-Für« die Jugend und ein »Dasein-Mit« der Jugend“[45]. Don Bosco bezeichnet dieses wesentliche Erziehungsprinzip als »Assistenz«[46] und meint damit die Anwesenheit der Erzieher, das heißt ihr Leben mitten unter den Jugendlichen und ihr Dabei-Sein bei all ihrem Tun.[47] Da Erziehung immer etwas Gegenseitiges ist, nehmen die Jugendlichen eine zentrale Rolle ein. Sie sollen als Partner im gemeinsamen Erziehungswerk gesehen werden.
Don Bosco legte auch Wert darauf, dass seine Mitarbeiter darum bemüht sind, auf die einzelnen Bedürfnisse der Jugendlichen einzugehen. Es sollte gewährleistet werden, dass die Jugendlichen in ihren jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten individuell gefördert werden (können). Dies inkludiert eine jugendgerechte Sprache und das Bereitstehen für jede Art und Weise der Kommunikation.[48] Diese Haltung des Erziehers spiegelt die »Pädagogik der Vorsorge«[49]wieder. Um den Jugendlichen vor Gefahren zu schützen, soll er bei seiner Entwicklung durch die Assistenz der Erzieher begleitet und unterstützt werden.[50] Von einer »Bewahr-Pädagogik« kann hier jedoch nicht die Rede sein. Das spräche gegen die Zielsetzung Don Boscos, mündige Erwachsene zu erziehen und die Jugendlichen zu befähigen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und Entscheidungen zu treffen.[51] Präventiv im Sinne der Assistenz sollte viel mehr als »Begleitende Erziehung« verstanden werden. Dieser Ansatz[52] findet sich auch in der Erziehungsmaxime wieder, die Maria Montessori[53] einige Jahre später in einer anschaulichen Forderung so formulierte: „Hilf mir, es selbst zu tun!“ In der Sozialen Arbeit spricht man auch von „Hilfe zur Selbsthilfe“[54] oder vom »Subsidiaritätsprinzip«. Auch dieses Prinzip beschreibt »präventiv« nach dem Verständnis Don Boscos.[55]
Ausschlaggebend für das Gelingen von Erziehung (Edukation) ist die Atmosphäre, in der Erziehung stattfindet und in der die Haltung des Erziehers deutlich wird. Don Bosco zeigt hierfür das Bild der (idealen) Familie auf, in der jedes Mitglied seine je spezifische Rolle und Verantwortlichkeit innehat. Der Erzieher muss die verschiedenen Rollen in sich vereinen und ist zugleich „Vater, Bruder und Freund“[56]. Auch das Klima ist gezeichnet von Familiarität. So soll es Standart sein, dass möglichst überall Freude, Frohsinn und Ausgelassenheit vorherrschen. Auf einer solchen Basis ist das Entstehen von Vertrauen, Freundschaft und echter Solidarität möglich, die wiederum förderlich ist für ein gesundes Heranwachsen von jungen Menschen. Für ein glückliches Leben empfahl Don Bosco die »drei F«: Frohsinn, Fleiß (Lerneifer) und Frömmigkeit. Im italienischen Original sind es die »drei S«: santità (Heiligkeit), sanità (Gesundheit) und sapienza (Weisheit).[57] Je nach Gruppengröße ist mehr oder weniger Disziplin erforderlich. Don Bosco legte darauf Wert, dies individuell anzupassen.[58] Von Strafen physischer Art, wie sie in der Erziehung des 19. Jahrhunderts üblich waren, distanzierte er sich. In seinem Traktat über das Präventivsystem fügte er ein eigenes Kapitel für seine Mitarbeiter an, in dem er Hinweise zum Umgang mit Strafen anführte.[59] Grundsätzlich motivierte er seine Jugendlichen lieber durch das Aussetzen von Belohnungen.[60] Erfolgreich war Erziehung für Don Bosco dann, wenn die Jugendlichen ihrem Erzieher stets Ehrfurcht entgegenbrachten, sich jederzeit mit Freude an die empfangene Erziehung erinnerten und ihre Lehrer und Oberen weiterhin als Väter und Brüder betrachteten.[61]
[1] Vgl. http://www.iss.donbosco.de/paedagigik-/einfuehrung/ vom 30.3.2008.
[2] Vgl. G. Bosco: Pädagogische Visionen und Reflexionen, S. 52.
[3] Vgl. http://www.iss.donbosco.de/spiritualitaet/spiritualitaet-im-geist-don-boscos/eine-oesterliche-spiritualitaet/ vom 30.3.2008.
[4] Präventiv (lat.): = vorbeugend, verhütend. Vgl. Duden, Fremdwörterbuch, S. 801.
[5] Vgl. G. Bosco, Pädagogik der Vorsorge, S. 168.
[6] Repressiv (lat.) = hemmend, unterdrückend, Vgl. Duden, Fremdwörterbuch, S. 861.
[7] G. Bosco, Pädagogik der Vorsorge, S. 94.
[8] Ebd.
[9] Originaltitel im Italienischen: »Il sistema preventivo nella educazione della gioventù« Siehe dazu den Text in deutscher Gesamtfassung im Anhang.
[10] Vgl. R. Weinschenk, Grundlagen der Pädagogik Don Boscos, S. 39ff.
[11] J. Bosco in einem Brief vom Januar 1879 an seine Mitarbeiter in: P. Braido, Junge Menschen ganzheitlich begleiten, S. 153.
[12] Vgl. P. Braido, Junge Menschen ganzheitlich begleiten, S. 152ff.
[13] Vgl. J. Schepens, Die Pädagogik Don Boscos, S. 50ff.
[14] J. Bosco in: C. Burg, Don Bosco und seine Pädagogik, S. 42f.
[15] T. Bosco u. a., Die Heimat Don Boscos, S. 48.
[16] Vgl. Fachlexikon der Sozialen Arbeit, S. 639.
[17] Vgl. R. Weinschenk, Grundlagen der Pädagogik Don Boscos, S. 113ff.
[18] J. Bosco in: J. Schepens, Die Pädagogik Don Boscos, S. 52.
[19] J. Schepens, Die Pädagogik Don Boscos, S. 52.
[20] Vgl. Ebd., S. 52f.
[21] Oft wird in der Literatur von den »drei Säulen« der Pädagogik Don Boscos gesprochen.
[22] Vgl. R. Weinschenk, Grundlagen der Pädagogik Don Boscos, S. 53.
[23] Vgl. Provinzialat der Salesianer, Don Bosco spricht, S. 61.
[24] Vgl. J. Schepens, Die Pädagogik Don Boscos, S. 53ff.
[25] Vgl. F. Rastello, Das vorbeugende Verfahren, S. 40ff.
[26] Vgl. J. Schepens, Die Pädagogik Don Boscos, S. 55f.
[27] F. Rastello, Das vorbeugende Verfahren, S. 42f.
[28] Was einige der Schüler Don Boscos, wie zum Beispiel der Heilige Domenico Savio (1839-1854) erreicht haben. Sie gelten bis heute als Vorbilder der Verwirklichung dieses Erziehungsideals. Vgl. G. Ghiberti, Don Bosco begegnen, S. 58.
[29] Vgl. J. Schepens, Die Pädagogik Don Boscos, S. 57f.
[30] Vgl. F. Rastello, Das vorbeugende Verfahren, S. 60ff.
[31] Vgl. J. Schepens, Die Pädagogik Don Boscos, S. 58f.
[32] 1 Kor 13, 4.7 (im lat. Oirginal: »Caritas patiens est (…) Omnia suffert, omnia sperat, omnia sustinet«).
[33] Vgl. F. Rastello, Das vorbeugende Verfahren, S. 37ff.
[34] Vgl. R. Weinschenk, Grundlagen der Pädagogik Don Boscos, S. 207.
[35] J. Schepens, Die Pädagogik Don Boscos, S. 59.
[36] Vgl. G. Bosco, Pädagogik der Vorsorge, S. 95ff.
[37] J. Bosco in: Rombrief, Vgl. http://www.iss.donbosco.de/cms/upload/downloads/Download-Materialien/Pdagogik_Don_Boscos/Materialien/PraevSysRombrief.pdf vom 2.4.2008, S. 12.
[38] Vgl. J. Bosco in: J. Schepens, Die Pädagogik Don Boscos, S. 66.
[39] Vgl. T. Seelbach, Don Bosco als Erzieher, S. 11ff.
[40] P. Braido, Junge Menschen ganzheitlich begleiten, S. 180.
[41] Vgl. J. Schepens, Die Pädagogik Don Boscos, S. 59ff.
[42] R. Weinschenk, Grundlagen der Pädagogik Don Boscos, S. 205.
[43] Ebd.
[44] Vgl. P. Braido, Junge Menschen ganzheitlich begleiten, S. 184ff.
[45] J. Schepens, Die Pädagogik Don Boscos, S. 63.
[46] Assistenz (lat.) = Beistand, Mithilfe. Vgl. Duden, Fremdwörterbuch, S. 95.
[47] Vgl. R. Weinschenk, Grundlagen der Pädagogik Don Boscos, S. 206.
[48] Vgl. P. Braido, Junge Menschen ganzheitlich begleiten, S. 184ff.
[49] Das Präventivsystem wird in der deutschen Literatur oft als solches bezeichnet.
[50] Vgl. J. Schepens, Die Pädagogik Don Boscos, S. 63f.
[51] Vgl. Ebd., S. 65ff.
[52] Siehe auch: Fachlexikon der Sozialen Arbeit, S. 653.
[53] Vgl. T. Pütz, Maria Montessoris Pädagogik als religiöse Erziehung, S. 62.
[54] Vgl. Fachlexikon der Sozialen Arbeit, S. 954.
[55] Vgl. R. Weinschenk, Grundlagen der Pädagogik Don Boscos, S. 54ff.
[56] Vgl. J. Schepens, Die Pädagogik Don Boscos, S. 64.
[57] Vgl. R. Weinschenk, Grundlagen der Pädagogik Don Boscos, S. 207.
[58] Vgl. P. Braido, Junge Menschen ganzheitlich begleiten, S. 190ff.
[59] Vgl. G. Bosco, Pädagogik der Vorsorge, S. 98ff.
[60] Vgl. P. Braido, Junge Menschen ganzheitlich begleiten, S. 201f.
[61] Vgl. G. Bosco, Pädagogik der Vorsorge, S. 97.