Seit dem Tod Pater Kentenichs, dem Gründer der Schönstatt – Bewegung, sind nahezu 40 Jahre vergangen. Seine Gründung ist immer noch dabei, das geistige Erbe des Gründers aufzuarbeiten. In diesem Bemühen liegt eine mehrfache Herausforderung. Zum einen kommt es darauf an, sowohl alle Ereignisse wie auch den ganzen Nachlass des gesprochenen und geschriebenen Wortes zu sichern und zu bewahren. Da es sich dabei um eine Fülle von Material handelt, liegt die Herausforderung zum anderen aber auch darin, die Fülle zu sichten und zu ordnen, Zentrales und Wesentliches vom Zeitbedingten und Peripheren zu unterscheiden.
Der wachsende zeitliche Abstand zum Gründer fordert schließlich auch dazu heraus, das geistige Erbe zu übersetzen und das in einem dreifachen Sinn: es in andere Sprachen zu übersetzen, es in eine modernere deutsche Sprache zu übertragen und es durch geeignete Sekundärliteratur dem gewandelten Empfinden der Menschen zugänglich zu machen, sowie es in den Dialog mit den heutigen Zeichen der Zeit zu bringen.
Das vorliegende Buch möchte einen Beitrag zu dieser Herausforderung leisten, und dies unter nachfolgenden Gesichtspunkten. Die Veröffentlichungen von Tagungen und Schriften Pater Kentenichs – gedruckt oder mimeographiert – haben so zugenommen, dass der Überblick für alle diejenigen verloren geht, die sich nicht gleichsam hauptberuflich um die Verarbeitung des Erbes kümmern. Dies gilt auch für die junge Generation derjenigen, die sich zu einer schönstättischen Elitegliederung, Verband oder Bund, berufen fühlen. Auch bei ihnen, wie bei allen anderen, besteht die Gefahr, dass sie beim Studium des Gründers „von lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen”.
Aus diesem Grund hat die Familienleitung der Schönstatt-Patres den Auftrag gegeben, ein Handbuch zu erstellen, das über die Auswahl zentraler Texte den Zugang, die Begegnung mit Pater Kentenich erleichtern soll. Es besteht die Hoffnung und das Angebot, dass dieses „Lesebuch” auch anderen Mitgliedern und Gliederungen der Schönstatt-Bewegung eine Hilfestellung sein kann.
Die Erstellung eines solchen Handbuches, das ja nicht entmutigend dick sein darf, enthält seine eigene Problematik. Vorwiegend besteht sie in der Auswahl der Texte. Welche Texte soll man nehmen? Wie viel davon? Was auslassen? Und das im Hinblick auf die Fülle des Materials, das der Gründer selbst schon einmal als „eine ganze Bibliothek” bezeichnet hat.
Hier lag und liegt eine große Verantwortung bei den Herausgebern, die sich sehr wohl bewusst sind, dass andere Experten in der einen oder anderen Frage andere Texte bevorzugt hätten. Es ist deshalb wichtig, dass sie erklären, unter welchen Kriterien die vorliegenden Texte ausgewählt wurden. Es sind dies vor allem:
Der überragende Gesichtspunkt war, Texte zu wählen, die den Geist des Gründers „klassisch” wiedergeben; Texte, die sich einem Leser mehr einprägen als andere, Texte, auf die diejenigen, die Pater Kentenich künden, immer wieder und gerne zurückgreifen.
Um die Textsammlung nicht zu groß werden zu lassen, sind allerdings die zentralsten Texte Schönstatts als solche nicht berücksichtigt: die Gründungsurkunden, Himmelwärts, Werktagsheiligkeit, Werkzeugsfrömmigkeit, der Teil des Josephsbriefs, der für Bündnisfrömmigkeit steht. Die Kenntnis dieser Standardwerke wird vorausgesetzt. Diese Textsammlung ist als Ergänzung und Erweiterung zu bedenken.
Dann kam es zweitens vor allem darauf an, mit den ausgewählten Texten die zentralen Werte der schönstättischen Spiritualität abzudecken. Zu allen wichtigen Vorgängen der Gründungsgeschichte und Themen der Spiritualität sollte wenigstens ein Text vorhanden sein.
Schließlich sollte auch noch berücksichtigt werden, dass Pater Kentenichs vielfältige Verwendungsart von Sprache, das je verschiedene literarische Genus berücksichtigt wird: das geschriebene Wort, das gesprochene Wort, die gereimte Sprache und der Umgang mit Aphorismen. Das Lesebuch soll ja zu einer Begegnung führen mit dem Mann, der sich in einer außergewöhnlichen Weise durch die Sprache mitgeteilt, sie schöpferisch verwendet und teils mit ihr auch gespielt hat.
Um eine Begegnung mit dem Gründer besser zu ermöglichen, sollten die Texte auch nicht zu kurz sein. Der Text soll wiederspiegeln, wie P. Kentenich ein Thema entfaltet, in welchen Zusammenhängen er seine Botschaft und seine Sendung sieht. Nur in wenigen Ausnahmen fügt sich ein kürzerer Text einem längeren zur Ergänzung an.
Unter dem Gesichtspunkt, bei zeitlichem Abstand den Zugang zu Pater Kentenich zu erleichtern, stellte sich auch die Problematik der Textbearbeitung. Pater Kentenichs Sprache ist nicht nur schöpferisch und originell, sie ist auch zeitbedingt. Auf den heutigen Leser wirkt sie deshalb teils antiquiert. Handelt es sich um die Wiedergabe des gesprochenen Wortes — bei Erstausgaben verständlicherweise so getreulich wie möglich wiedergegeben —, dann ist die Lektüre auch ermüdend wegen der typischen Umschreibungen, Doppelungen und Füllsel, wegen der grammatikalischen Ungereimtheiten.
Die Herausgeber haben sich deshalb entschieden, die vorliegenden Texte zu glätten; dies sehr zurückhaltend beim geschriebenen Wort, viel großzügiger beim gesprochenen Wort Pater Kentenichs. Dabei wollten sie sorgfältig darauf achten, den Sinn des Gesagten nicht zu verändern, eher zu verdeutlichen. So wurde, um ein Beispiel anzuführen, „auf des Messers Spitze” ersetzt durch „auf des Messers Scheide”, weil dies nach deutschem Sprachgebrauch offensichtlich gesagt sein sollte. Vor allem sollte aber der Stil flüssiger und dadurch leichter lesbar werden. Größere textliche Ergänzungen, vor allem Einfügungen, die einem Text eine Gliederung unterlegen oder diese verdeutlichen, sind durch [ ] gekennzeichnet, Auslassungen von ganzen Paragraphen durch […] in einer eigenen Zeile.
Entsprechend dem Zweck des Buches, die Begegnung mit Pater Kentenich zu erleichtern, wurde auf den textkritischen Apparat verzichtet. Es finden sich nur Fußnoten zur weiteren Erklärung des Textes oder zu wichtigen Stellenverweisen. Wem es also auf das ursprünglich geschriebene oder gesprochene Wort Pater Kentenichs ankommt, der muss auf die Quellen zurückgreifen, von denen die Texte genommen sind. In der Einleitung zum jeweiligen Text sind diese Quellen exakt angegeben.
Der jeweilige Text ist kurz eingeleitet. In der Einleitung soll verdeutlicht werden, unter welchem Gesichtspunkt der Text ausgewählt wurde. Die Einleitung sagt auch etwas über den geschichtlichen Ort und Hintergrund, in dem er geschrieben oder gesprochen wurde.
[ … ]
Die Texte sind in drei Hauptkapitel gegliedert: Autobiografische Texte, die also mehr das persönliche Leben P. Kentenichs beleuchten, Texte zu den geschichtlichen Ereignissen der Gründungszeit, Texte zur Spiritualität, „Lehrtexte” genannt. Die geschichtlichen Texte der beiden ersten Kapitel erscheinen in einem ersten Band, die Lehrtexte im zweiten Band.
Dazu sei noch angemerkt, dass sich eine ganze Reihe von Texten nicht leicht in das Korsett einer solchen Gliederung einordnen lassen. Selbst unsere begrenzte Auswahl und ihre Unterteilung mag deutlich machen, dass für Pater Kentenich seine Lebensgeschichte, die Schönstattgeschichte und ihre Spiritualität ein organisches Ganzes sind. Das eine hängt mit dem anderen zusammen und entwickelt sich aus ihm. In seiner Verkündigung fließen deshalb alle Gesichtspunkte zusammen. Die Texte sind einem Kapitel zugeordnet — und manchmal auch entsprechend gekürzt —, um den einen Aspekt zu betonen, unter dem sie ausgewählt und eingeordnet sind.
Das Lesebuch soll in allen „schönstättischen” Sprachen als Handbuch für die Ausbildung des schönstättischen Nachwuchses erscheinen: Deutsch, Spanisch, Englisch …
Die Erarbeitung des Lesebuchs hat den Herausgebern nicht nur Mühe gemacht, sondern auch viel Freude und Bereicherung gebracht. Es ist ihr Wunsch, dass auch die Leserin und der Leser, vor allem aber der Nachwuchs dieselbe Erfahrung machen.
Schönstatt, den 31. Mai 2008
P. Peter Locher
P. Jonathan Niehaus
P. Hans Werner Unkel
P. Paul Vautier +, dem wir in dankbarem Andenken vor allem die erste Auswahl der Texte verdanken