KR-1 DE 23

23. „Gründungsurkunde des Familienwerkes“ – Hausheiligtum

Nach dem zweiten Weltkrieg und dem Tode von Pater Eise im KZ Dachau (+ 3.9.1942) ernannte Pater Kentenich Pater Johannes Tick zum hauptamtlichen Leiter einer Familienbewegung in Deutschland. An ihn richtete er 1948 diesen Brief, den man später die »Gründungsurkunde des Familienwerkes« nannte. Darin werden die Zielsetzungen des Familienwerkes zusammengefasst, die die Zielsetzungen Gesamtschönstatts auf Ehe und Familie konkret anwenden und festlegen. Eingeschlossen in sie sind die Moralforderungen, wie sie einer Ehemetaphysik entsprechen und von den Päpsten in ihren amtlichen Lehrschreiben umrissen werden.
Das Dokument ist auch dem Themenkreis „Baustelle Heiligtum“ zuzuordnen (siehe Text Nr. 37), das heißt der ganzen Dynamik, wie aus der Einmaligkeit des Gnadenortes „Urheiligtum“ eine Ausweitung, gleichsam eine Vermehrung geschah über die Filialheiligtümer zu den Hausheiligtümern und zum Herzensheiligtum. Dazu wäre hier noch anzumerken, dass P. Kentenich im folgenden Dokument zwar die Anregung gab zum „Ehrenplatz“ im Haus, dass aber die „Lehre“ vom Hausheiligtum, von der Gleichwertigkeit eines Hausheiligtums mit dem Urheiligtum, erst nach längerer Beobachtung in Milwaukee erfolgte (siehe Text 13).

Der folgende Brief aus Santa Maria in Brasilien ist abgedruckt in KENTENICH, Joseph, Das Katholische Eheideal. Eine Textsammlung, zusammengestellt und eingeleitet von Pater Heinrich M. Hug, Schönstatt 1989, 185-187
Santa Maria, den 15. 4. 1948


Caritas Christi urget nos (144)

An Pater Tick fürs Familienwerk

Es ist gut, dass Sie die Pfingsttage wiederum für sich reserviert haben. So entspricht es der Würde und Bedeutung des Werkes, für das Sie als Werkzeug benutzt werden.

Ist es schon schwer, als Einzelperson die Gnade über sich herrschen zu lassen, so scheint es fast unmöglich zu sein, eine Familie nach dem Vorbild der Allerheiligsten Dreifaltigkeit oder der Heiligen Familie von Nazareth darzustellen. So war es immer schon. Die heutige Zeit jedoch, die überall auf allseitige Entwurzelung aller Lebensverhältnisse drängt, zeigt ihre verheerenden Wirkungen am stärksten im Heiligtum der Familie. Will die Gottesmutter von Schönstatt aus eine neue menschliche Gesellschaft und einen neuen Menschentyp formen und gestalten, so muss sie notwendigerweise ihre ganze Gnadenmacht auf Schaffung und Vermehrung tragfähiger (Schönstatt)familien konzentrieren. Darum betet unser Schönstatt‑Offizium:

„Dein Heiligtum ist unser Nazareth,
in dem die Christussonne wärmend steht.

Sie formt mit ihrem klaren, hellen Lichte
die heilige Familiengeschichte,
weckt stille, starke Werktagsheiligkeit
in seliger Familieneinigkeit.

Im Nazareth für heimatlose Zeiten
will den Familien Gott Heil bereiten
und gnädig Werktagsheiligkeit verleih’n,
wo Menschen sich dem Schönstattwerke weih’n.

Lass, Mutter, Christus heller in uns scheinen,
in heiliger Gemeinschaft uns vereinen,
zu jedem Opfer jederzeit bereit,
wie’s unsere heilige Sendung uns gebeut.

Die Ehre sei dem Vater froh erwiesen
durch Christus, mit Maria hochgepriesen,
im Heiligen Geiste voller Herrlichkeit
vom Weltall jetzt und alle Ewigkeit. Amen.“

Wer das heutige Leben kennt, wer um die furchtbaren Katastrophen weiß, denen Welt und Kirche entgegengehen, ist tief davon überzeugt, dass die ganze Schönstattfamilie, sowohl als Ganzes, wie auch in ihren Teilen, ihre Aufgabe nicht lösen kann, wenn nicht alle Wasser und Kräfte letzten Endes ein‑ und ausmünden in heiligen Schönstatt‑Familien-Inseln, die sich mehr und mehr miteinander vereinigen zu einem gemeinsamen Familienwerk.

Manchmal scheint es ruhiger Überlegung ein undurchdringliches Rätsel, warum der Heiland dreißig Jahre in der Einsamkeit einer Familie sich aufgehalten, während die Welt um ihn herum dem Untergang entgegenraste. Unwillkürlich fragen auch wir uns, was hätte er nicht alles fertiggebracht, wenn er frühzeitig seine göttlichen Kräfte der Welt zur Verfügung gestellt hätte. Des Rätsels Lösung ist immer nur die eine Antwort: »Das, was dem Vater wohlgefällt, tue ich allezeit.« (145) »Ich rede die Worte die er mir auf die Lippen gelegt, und tue die Werke, die er mir aufgetragen.« (146) Damit verschiebt sich sofort die Frage und wendet sich an die Adresse des Himmelsvaters. Die Antwort ist uns nicht unbekannt. Der Vater wollte in unmissverständlicher Weise den unermesslichen Segen sichern, der von echten christlichen Familien ausgeht.

So möge denn die Gottesmutter in ihrem Coenaculum den Heiligen Geist auf Sie alle herabrufen, damit Sie die große Bedeutung Ihrer gottgeschenkten, freigewählten, freigewollten neuen Lebensaufgabe richtig erfassen, aber auch Kraft bekommen, die Familienmoral zu verwirklichen, die die Päpste in ihren Enzykliken festgelegt haben, eine brauchbare Familien‑Aszese und ‑Pädagogik sich zu erarbeiten, bewährte und beseelte Familienbräuche zu verewigen und so Behälter zu werden, aus dem alle Gliederungen der Gesamtbewegung ständig gespeist und erneuert werden.

Wir alle, ohne Ausnahme, sind an diesem neuen Pfingstwunder interessiert. Darum vereinen wir uns und bitten und betteln mit großer Inbrunst um ein wirksames neues Wandlungswunder. Nehmen Sie das Bild der Gottesmutter mit und räumen Sie ihm einen Ehrenplatz in Ihren Wohnungen ein. So werden diese selber zu kleinen Heiligtümern, in denen das Gnadenbild gnadenwirkend sich erweist, ein heiliges Familienland schafft und heilige Familienglieder formt.

Wenn die Gottesmutter in der Gründungsurkunde versprochen hat, dafür zu sorgen, dass unser Vaterland wieder an die Spitze der alten Welt kommt, so wissen wir, dass der Weg dazu nur geht über heilige Schönstatt‑Familien‑Inseln. Die MTA erfüllt ihr Versprechen, wenn wir auf die dort gestellten Bedingungen eingehen.

Mit herzlichem Gruß und Segen für alle Anwesenden und diejenigen, die Sie vertreten.
J. K.


Schönstatt-Lexikon online: Familienwerk / Familienbewegung – Hausheiligtum
(144) Die Liebe Christi drängt uns.
(145) Joh. 8,29
(146) Vgl. Joh. 14,10