Die Tatsache, dass Schönstatt am 18.10.1914 gegründet wurde, ist erst in den zwanziger Jahren allmählich in das Bewusstsein der Schönstatt Bewegung gedrungen. Hauptgrund war zweifellos das Verhalten Pater Kentenichs, der zwar den Inhalt des Vortrags vom 18. Oktober – erst später „Gründungsurkunde“ genannt – kündete, sich aber nicht auf das Ereignis und das Datum vom 18. Oktober bezog, vor allem, weil er wissen wollte, ob am 18. Oktober wirklich eine Gnadenquelle entstanden ist. Dies sollte sich durch das erwachende Leben, die „schöpferische Resultante“, zeigen ohne es durch die Erwähnung der geschichtlichen Tatsache zu suggerieren. Ohne Zweifel lebte im Gründer selbst das Datum und Ereignis vom 18.10.1914.
Der 15. Jahrestag der Gründung mag das erste Mal gewesen sein, dass ein Jubiläum des Gründungstages begangen wurde; und das, wie es scheint, nur im Rahmen der neu gegründeten Schwestern und auf deren Initiative hin.
Wer den Vortrag liest, dem mag auffallen, wie sehr dieser in seinem Inhalt von den Erwartungen abweicht, die die Schwestern zum Ausdruck brachten. Ohne Vorbereitung, ganz spontan, öffnen sich die seelischen Kammern des Gründers und er entfaltet am Gründungstag seine Vision, die er von der gläubigen Überzeugung ableitet, dass tatsächlich eine Gnadenquelle entstanden ist, durch die die Gottesmutter in die Geschehnisse der Zeit eingreifen möchte und die zur Verwirklichung der höchsten Ziele anregt und auch befähigt.
Für die Schönstatt-Patres mag besonders bemerkenswert sein, wie deutlich der Gründer das Risiko sah, eine schon bestehende Gemeinschaft wie die Pallottiner insgesamt in eine neue Spiritualität einzuführen. Die Gefahr der Spaltung ist tragische Wirklichkeit geworden. In der Exilszeit sollte der Gründer mehrfach sagen, dass es für ihn damals eine echte Möglichkeit war, eine eigene Priestergemeinschaft aus Diözesanpriestern als tragende Kerngemeinschaft der Bewegung – „pars centralis et motrix“ – zu bilden, er aber davon absah, weil nach seiner gläubigen Überzeugung und deshalb nach göttlicher Planung dieser Platz „den Pallottinern reserviert“ sei.
Pater Kentenich zitiert diesen Vortrag in der wohl längsten Studie seines Lebens, die er 1956 an den damaligen General der Pallottiner, P. Wilhelm Möhler, schrieb; deshalb „Generalsbrief“ genannt. In der Studie belegt P. Kentenich seine Überzeugung, dass die Sendung des Heiligen Vinzenz Pallotti nur zu verwirklichen sei mit Hilfe einer neuen und besonderen göttlichen Initiative, einer Gnadenquelle, wie sie durch die Gründung Schönstatts angeboten ist.
Zum zitierten Vortrag schreibt Pater Kentenich selbst eine kleine Einleitung, die zunächst folgen soll.
Der vorliegende Text ist der nicht veröffentlichten Maschinenschrift des „Generalsbriefs 1956“ entnommen, S. 204ff.
Um den nachfolgenden Oktobervortrag (1929) besser zu verstehen, sind außerdem zwei Momente zu beachten. Wie aus dem Text ersichtlich ist, wurde er vor Marienschwestern gehalten. Sie hatten im Oktober 1926 das Licht der Welt erblickt. 1929 befanden sie sich also noch im ersten Stadium ihrer jungen Existenz. Auf die Immakulatakinder waren die Virgo Sacerdos- und die Virgo-Mater-Kinder gefolgt. Alle drei Kurse wurden der Familie in ursprünglicher Frische geschenkt. Der 18. Oktober 1929 brach an. Plötzlich fällt es der Kursmutter der Virgo-Mater-Kinder ein, mich durch «Himmelspost» aus dem Bundesheim ins Tal – in unser Heiligtum – zu bitten und um einen Vortrag – gleichsam um eine Art Gründungsurkunde für die Marienschwestern – zu ersuchen. Ohne lange Überlegung gehe ich auf den Wunsch ein und begebe mich nach unten. Der Vortrag trägt – wie sofort ersichtlich – trotz seines tiefen Inhaltes und seiner universellen Gesamtschau stilistisch alle Spuren einer unvorbereiteten, aus dem Ärmel geschüttelten Plauderei an der Stirne. Umso eindeutiger und überwältigender entschleiert er die Ideen, die mich damals, die mich immer bewegten und ganz spontan zu einem sinngerechten Ausdruck drängten. Ich gebe ihn ungekürzt wieder. Ein Kommentar erübrigt sich. Bei besinnlichem Lesen ergänzen und erklären die einzelnen Teile sich einander.
Der Vortrag hat folgenden Wortlaut:
„Die Post aus dem «Bundeshimmel» haben Sie sicher schon gelesen, ehe ich sie in Händen hatte. Oder stimmt das nicht? Höchstens die Schwestern, die von oben aus dem Bundesheim gekommen sind, haben sie noch nicht einsehen können. Sie haben aber auch ein Recht, den Inhalt zu erfahren. Durch diese Bundeshimmelspost habe ich selbst mich erst daran erinnern lassen, dass wir heute ein wichtiges Jubiläum feiern. Fünfzehn Jahre sind es her, dass von diesem Plätzchen aus die Bewegung ihren Anfang genommen hat. Was ich damals von hier aus – ich glaube, genau hier an demselben Plätzchen, wo ich jetzt stehe – gesagt habe, hat sich nachher wie eine Art Prophezeiung erwiesen. Nun hätten unsere Virgo-Mater-Kinder im Sinne ihres Kursideals gerne, wenn ich heute wieder unter die «Propheten» ginge. Ob ich nun als kleiner oder als großer Prophet vor Sie hintreten soll, weiß ich noch nicht. Das muss die spätere Geschichte erweisen. Ehe ich jedoch anfange zu «prophezeien», will ich Ihnen erst die Himmelspost vorlesen:
„Bundeshimmel, im Rosenkranzmonat 1929
Lieber Vater meiner Schwestern!
Ob wohl alle in Schönstatt daran denken, welch ein denkwürdiger Tag heute angebrochen ist? Es ist der 18. Oktober. Heute vor 15 Jahren habe ich den jungen Sodalen mich und mein Heiligtum geschenkt und sie als meine Werkzeuge angenommen …“
Was hier steht, will ich nachher nicht wiederholen. Es sind lauter Gründe zu herzlicher Dankbarkeit. Alles ist buchstäblich wahr geworden, was die Gottesmutter uns aus dem Bundeshimmel hier sagen lässt …
„Da habe ich mich zum erstenmal als Schatzmeisterin des Gnadenkapitals im Kapellchen niedergelassen und seitdem – also 15 Jahre – Gnadenströme fließen lassen bis weit über die Grenzen Deutschlands, bis hinein in die Mission. Wie habe ich mich gefreut, dass meine Schwestern im Mutterhaus mit großer Dankbarkeit sich dieser Gnadenstunde erinnert haben! Die schriftlichen Dokumente jenes Tages haben sie das denkwürdige Ereignis heute Morgen gemeinsam noch einmal tief miterleben lassen. Wie würden sie sich freuen, wenn ihnen heute im Kapellchen eine ähnliche Gnadenstunde bereitet würde wie damals den Sodalen. Ich täte es so gerne, um den Eifer und die Wertschätzung fürs Gnadenkapital wieder zur ursprünglichen, selbst zur höchsten Blüte zu bringen.“
Unsere Virgo-Mater-Kinder erwarten also heute Abend etwas Erwärmendes, etwas Anregendes fürs Gnadenkapital.
„Ich weiß ja, dass der Vater mir gerne helfen und sich mir in diesem Sinne heute als Werkzeug für meine Schwestern schenken wird. Meinen Segen werde ich reichlich dazu geben, und ich bin gerne bereit, den 18. Oktober 1929 zum Ausgangspunkt von weiteren 15 gnadenvollen Jahren zu machen. Meine Schwestern sind heute voller Freude, gott- und weltaufgeschlossen, und auch am Abend noch nicht müde.“
Die Gottesmutter kennt uns doch gut!! –
„Was der 18. Oktober 1914 für die ganze Bewegung war, das dürfte dann der 18. Oktober 1929 für die Gemeinschaft meiner Schwestern werden.
Mit mütterlichem Segensgruß!
Die Mater Ter Admirabilis.“
In der Himmelspost komme ich offenbar gut weg …
In dem Brieflein stehen zwei Gedanken, die die Gottesmutter uns heute mit auf den Lebensweg geben will. Der eine bezieht sich auf die Zukunft, der andere auf die Gegenwart.
„Meinen Segen werde ich reichlich dazu geben, und ich bin gerne bereit, den 18. Oktober 1929 zum Ausgangspunkt von weiteren 15 gnadenvollen Jahren zu machen …“
Ob die liebe Gottesmutter wohl auch bereit ist, den Schleier von diesen kommenden 15 Jahren ein wenig wegzuziehen? Das würde uns alle interessieren. Es würde uns auch alle erwärmen, um die Hauptabsicht der lieben Gottesmutter zu erreichen, wieder mehr Begeisterung fürs Gnadenkapital unter uns zu wecken. – Ja, was dürfen wir denn in den nächsten 15 Jahren vermutlich erwarten? Sehen Sie: was ich bei Gelegenheit der Gymnasiastenweihe vor einigen Monaten zum ersten Male öffentlich gesagt habe, das mag vielleicht in den nächsten 15 Jahren der Erfüllung näher gebracht werden. Damals sagte ich ja: «Im Schatten unseres kleinen Heiligtums werden die Schicksale der Kirche nicht nur in Deutschland, sondern weit über Deutschland hinaus, in den nächsten Jahrhunderten wesentlich mitentschieden.“ Wenn nun der heutige Tag einen tiefen Einschnitt bedeuten soll in der Entwicklung unserer Familie, wenn die liebe Gottesmutter uns heute erneut und vertieft ihren Segen verspricht, ob dann die Segenswellen und Segenswogen nicht in diese Richtung weisen, nicht nach dieser Richtung fließen sollen und müssen?
Es ist sonst unsere Art, die Zukunft aus der Vergangenheit und aus der Gegenwart herauszulesen. Und was augenblicklich in unserer Familie am Werden ist, das sind tiefgreifende Strömungen, die sie mehr und mehr in die Öffentlichkeit hineintragen; Strömungen, die machtvoll darauf hinarbeiten, das Leben weiter und weiterer Kreise zu erfassen. – Es ist ganz eigenartig, wieviel einzelne Priester und wie viele Priestergemeinschaften in den letzten Monaten nach Schönstatt hinschauen und mühsam von hier aus Gnadenströme in ihre Diözesen hineinleiten möchten.
So, wie ich augenblicklich die Lage sehe, will wohl die liebe Gottesmutter Priesterkreise in größerem Masse hierher ziehen. Nun überlegen Sie einmal, ob das nicht schon eine Antwort auf unser Harren ist? Wenn von hier aus die Geschicke der Kirche mitentschieden werden sollen, dann muss wohl die Gottesmutter vor allem unsere Priester – unsere Weltpriester, unsere Ordensleute und auch die Priester der pars motrix, die Pallottiner – mehr hierher schicken, mehr nach hier orientieren. Sie muss alle diese Kreise hierher senden, damit sie hier von ihrem Gnadenstrom erfasst werden und dann wieder hinausgehen, um draußen die Schlachten Gottes zu schlagen.
Es war offenbar von Anfang an nicht im Sinne einer marianischen Bewegung gelegen, dass wir Schwestern, die wir hier an diesem Plätzchen unmittelbar als Werkzeuge der lieben Gottesmutter arbeiten dürfen, uns mit einer großen Geste und Pose an die Öffentlichkeit wagen. Es wird wohl auch in den kommenden 15 Jahren unsere Hauptaufgabe bleiben müssen, so ganz im Hintergrund zu stehen und kleinste Kleinarbeit zu leisten. Es wird auch künftig unsere Aufgabe sein, im Wesentlichen als selbstlos dienendes Glied der großen Gesamtheit der Kirche und der Bewegung zur Verfügung zu stehen.
Wir, zumal die wir schon länger miteinander arbeiten, wir, die wir unser Kursideal schon tiefer erfasst haben, wir wissen um die gottgewollte Bedeutung des Priestertums für die Heiligung der Welt. Das Priestertum ist das normale Organ, wodurch der Geist Gottes seine Gnadenströme in die hilfsbedürftige Welt hineinleitet. Ist also unsere Priesterschaft erfasst und erneuert, ist unsere Priesterschaft hier nach Schönstatt orientiert und hat sie hier unseren Geist eingeatmet, dann sind wir auf dem schnellsten, kürzesten und sichersten Wege, der Gottesmutter zu helfen, dass hier im Schatten unseres Heiligtums die Geschicke der Kirche auf Jahrhunderte bestimmt werden.
Ja, die Bedeutung des Priestertums für die Heilung und Heiligung der Welt! Es gibt ein Wort, das Sie vielleicht auch schon gehört haben; ein Wort, das durch seine jahrhundertelange Geschichte sich bewährt und bewahrheitet hat. Das Wort heißt: «Omne malum a clero! Alles Übel kommt vom Klerus!»
Ob das wahr ist? Fragen Sie einmal die Geschichte der Jahrhunderte und der Jahrtausende. Fragen Sie einmal die Reformationszeit! Einer von unseren tüchtigsten Gelehrten, der mitten in seiner Arbeit gestorben ist, der große Dominikaner Deniffle, hatte sein ganzes Leben hindurch Studien gemacht über Luther und über die Reformation. Wissen Sie, was er als Gesamturteil schreibt? «Die Reformation war die große Kloake, wodurch der Schmutz, der damals in der Kirche herrschte, abziehen musste.» Und durch wen war dieser Schmutz in die Kirche Gottes gekommen? „Omne malum a clero!“ Wenn es in der Kirche Gottes nicht gut steht, dürfen wir durchweg annehmen, dass es auch im Klerus nicht gut steht, es müsste denn sein, dass das Gegenteil klar bewiesen zutage tritt und wir infolgedessen nach anderen Gründen suchen müssten.
Ich finde es – und Sie sicher mit mir – darum überaus gnadenvoll und gnadenmächtig, dass nicht bloß einzelne Kurse, sondern auch viele Einzelne aus unserer Familie so ganz spontan sich gedrängt fühlen, sich für das Priestertum aufzuopfern, in Sonderheit für die Priester, die der liebe Gott und die liebe Gottesmutter hierher schicken.
Ob nun nicht der Schleier von der Zukunft in etwa weggezogen ist? Mich selber bewegen in den letzten Tagen diese Gedanken, ohne dass ich an das 15jährige Jubiläum dachte. Der letzte Vortrag, den ich Ihnen drüben im Saale hielt, wies ja schon in allgemeinen Linien auf künftige Aufgaben hin. Ich erzählte Ihnen damals auch von den vielen Forderungen und Anforderungen aus Priesterkreisen. Die haben sich seither vermehrt, und zwar nicht nur von den einzelnen Priestern, sondern auch von Priestergemeinschaften, sodass der Gedanke mich nicht loslässt, dass wir in den nächsten 15 Jahren wohl unsere Hauptstoßkraft nach dieser Richtung entfalten dürfen und müssen.
Wenn ich vom Priestertum im Allgemeinen spreche, dann drängt es mich, die gesamte Priesterschaft in drei Klassen zu scheiden: Weltpriester, Ordenspriester und unsere Pia Societas (75).
Wir Schwestern leben so ruhig und gefriedet hier; wir vergessen ganz, dass von hier, von diesem Heiligtum, eine Reorganisation, ja eine Reformation der ganzen «Pia Societas Missionum» ausgegangen ist, und dass diese Reorganisation und Reformation ständig weitere Kreise innerhalb der Gesellschaft zieht.
Was werden die nächsten 15 Jahre nach der Richtung bringen? Ob nicht ein starker Riss und Zwiespalt einmal in diese Gemeinschaft hineingetragen wird? Erheben Sie sich wieder auf höhere Warte mit mir! Betrachen Sie vom Standpunkte der Geschichte aus, wie andere religiöse Bewegungen im Laufe der Jahrhunderte geworden sind, wie sie sich ausgewachsen haben, und wie im Schosse dieser Gemeinschaften Sezessionen, Absonderungen geworden sind. Denken Sie an die Gemeinschaft, die von Hause aus am meisten Bewegungscharakter hat: die Franziskaner. Wie viele Absplitterungen hat es da gegeben. Und alle waren sicher gottgewollt, alle haben die letzte Idee des Stifters in ihrer Art festgehalten.
Ja, was werden die nächsten 15 Jahre bringen? Wird die ganze Gemeinschaft sich reorganisieren lassen oder wird eine Spaltung kommen – auf der einen Seite solche, die auf dem Boden der Bewegung stehen und sich ganz dafür opfern, und auf der anderen Seite die anderen? Oder wird eine Einheit zustande kommen? Menschlich gesprochen wäre es für die Bewegung leichter und segensreicher, wenn die Spaltung käme. Sie haben dafür einen Beweis schon in der Geschichte unserer kleinen Schwesternfamilie. Denken Sie, am Anfang unserer Geschichte standen ja die Verhandlungen mit Bosweiler (76). Können Sie sich vorstellen, was aus der Familie geworden wäre, wenn diese Einigung mit Bosweiler zustande gekommen wäre? Dann hätten wir bislang weiter nichts als innere Krisen zu überwinden gehabt, hätten nicht in die Tiefe, ins Zentrum hineinarbeiten können, sondern hätten uns ständig an der Peripherie bewegen müssen.
Ich frage nun noch einmal, ob der Schleier für die künftigen 15 Jahre gelüftet ist? Ich habe in diesem Punkt und nach der Richtung nur Möglichkeiten gezeigt. Ich persönlich hoffe, dass es ohne Spaltung abgeht. Ich persönlich hoffe und werde auch meine ganze Kraft dafür einsetzen, dass die Gemeinschaft als solche geschlossen bleibt und zur fruchtbaren Einheit zusammenwächst.
Was bringen uns die nächsten 15 Jahre? Vielleicht Kämpfe, schwere Kämpfe, aber letztlich doch den Sieg unserer Sache, den Sieg auf dem Weg eines stillen, bescheidenen Reformierens, nicht Deformierens. So hoffe ich zuversichtlich.
Wenn ich von der Geistlichkeit spreche, dann denke ich gern an eine zweite Gruppierung: an das Ordensleben insgesamt. – Ich bin nicht schuld, dass ich Ihnen all diese Gedanken heute sage. Der Virgo-Mater-Kurs ist schuld oder die Gottesmutter ist es, die mir durch den Virgo-Mater-Kurs den Himmelsbrief in die Hand spielte.
Sie wissen vielleicht noch nicht, wie in der Kirche Gottes auch deswegen so viel Unheil angerichtet wird, weil Ordensleute gegen Ordensleute stehen und Ordensleute gegen Weltpriester und Weltpriester gegen Ordensleute.
Sehen Sie, wenn wir so ganz still vom Hintergrund aus als marianische Bewegung unsere große Aufgabe sehen, dann müssen wir auch nach der Richtung vorzustoßen uns bemühen und uns um eine geschlossene Einheit des gesamten Klerus sorgen.
Ich darf das sagen, weil ich diese Dinge, die in der Gegenwart am Werden sind, klar vor mir sehe. Die Zukunft schließen wir ja immer aus der Vergangenheit und der Gegenwart. Gewiss ist da eine Aufgabe genannt, von der der Kenner der Verhältnisse von vornherein sagt: Das ist Utopie, das ist undenkbar, das ist Phantasterei. Die Uneinheit war seit Jahrhunderten so. Und Sie wollen es wagen, eine Einheit in diese große Gemeinschaft zu bringen!
Ja, es ist wahr! Wer will es wagen, eine geschlossene Einheit in diese große Gemeinschaft mit ihren vielfach aufeinanderstoßenden Interessen zu bringen! Aus uns selbst haben auch wir nicht den Mut dazu. Wir wagen es nur dann und soweit, als wir glauben und hoffen, von der liebe Gottesmutter eine Sendung nach dieser Richtung erhalten zu haben.
Eines ist jedenfalls sicher: sollen von hier aus wirklich die Geschicke der Kirche auf Jahrhunderte mit entschieden werden, dann dürfen und müssen wir annehmen, dass die liebe Gottesmutter dieses große, wichtige und schwierige Arbeitsfeld von uns beackert wissen will.
Als dritten Kreis sehe ich unter den Priestern die Weltpriester vor mir. Alle religiösen Strömungen, die nicht wenigstens auch auf den Schultern des Weltklerus ruhen, werden im Laufe der Zeit zur Unfruchtbarkeit verurteilt. Darum spielen die Weltpriester in unserer Bewegung eine solch große Rolle. Es kommt hinzu, dass sie heute mitten in einer heidnisch infizierten Welt leben müssen. Deshalb schweben sie ständig in Gefahr, vom heidnischen Zeitgeist angekränkelt zu werden. Darum gilt es, auch sie zu sammeln und sie hier in unserem Heiligtume unter den Einfluss der lieben Gottesmutter zu bringen.
Was ich Ihnen da alles in großen Umrissen zeigen durfte, lässt uns hoffen, dass die nächsten 15 Jahre außerordentlich ereignis- und segensreich in der Geschichte unserer kleinen Familie werden. Doch damit sage ich Ihnen noch nicht das Letzte, was sich sagen lässt. Soll von hier aus, soll von unserem Heiligtume aus das Schicksal der Kirche wirklich tiefgreifend in der heutigen Lage beeinflusst werden, dann müssen wenigstens noch zwei andere große Gnadenströme von hier aus – alles bewässernd und befruchtend – in die weiten deutschen und europäischen Lande fließen. Es ist nicht so, als wären die beiden Strömungen, die ich da meine, die einzigen. Das sind nur die Ströme, die jetzt schon langsam am Fließen sind, deren Lauf wir beschleunigen dürfen, deren Lauf wir aber auch mitdenkend und mitbetend verfolgen sollten.
Ähnlich, wenn auch nicht so stark wie von den Priestern, aber doch in verhältnismäßig großem Ausmaße, hängt das Wohl der Welt von der Frau ab. Und wer die heutige Zeit kennt, der weiß, wie die Frauennatur bis in die tiefste Wurzel angekränkelt und deshalb ins Wanken geraten ist. Wir stehen vor einer neuen Epoche in der Geschichte. Weite und weiteste katholische Kreise sehen das bereits ein. Wenn wir es als Katholiken nicht fertig bringen, den neuen Typ Mensch, den die Neuzeit seit Erfindung der Dampfmaschine hat werden lassen, in die Hand zu bekommen und ihn zu formen, dann verliert die Kirche – menschlich gesprochen – die moderne Menschheit. Wollen wir – wie es sich für eine marianische Bewegung schickt und ziemt – in der Stille, im Hintergrunde bleiben, dann dürfen wir bei Verwirklichung des großen Gedankens vom Schatten des Heiligtums zunächst keine große, blendend in Erscheinung tretende Aktion erwarten. Alles, was gnadengesetzlich sich entfaltet, liebt und sucht die Stille. Das gilt besonders in diesem Falle.
Darf ich deutlicher sprechen? Ich ahne, dass all das, was wir in den einzelnen Schwesternkursen bislang an Erziehungsgrundsätzen sorgfältigst erarbeitet haben, das Richtige und Richtunggebende für die heutige Zeit ist.
In der originellen Weise, wie wir uns erziehen, kann auch der neue Mensch, der am Horizont der Zukunft langsam sichtbar wird, innerlich erfasst und spezifisch christlich geformt werden. Ob Sie verstehen, was ich sagen will? Ich mag mich nicht zu weit vorwagen; ich will nicht alles sagen, was ich sehe und denke; will aber doch so viel sagen: wenn wir es fertig bringen, den neuen Typ Mensch nach unserer Weise christlich zu gestalten und innerlich für Gott zu gewinnen, dann haben wir der Kirche den Weg gewiesen, wie sie in der neuen Zeit die Welt zu Christus führen kann.
Von hier aus wird verständlich, weshalb wir so viel Gewicht darauf legen, in der Stille zu bleiben und uns nicht so schnell in die Öffentlichkeit hineinzuwagen. Alles Große, alles Tiefe reift in der Stille.
Wir erstreben zunächst den hier gemeinten neuen Menschentyp für Ihr Geschlecht. Ich glaube aber nicht, dass wir damit unsere Sendung erfüllt haben. Die Idee vom Schatten des Heiligtums verlangt mehr von uns. Ich habe die Ahnung, als ob wir später weitergehen müssten, als ob unsere Erziehungsgrundsätze und unsere Erziehungsmethoden auch geeignet wären, den Mann der Neuzeit zu formen und der Kirche zu schenken. Gerade das Gesetz, das wir so stark in den Vordergrund rücken: Freiheit soweit als möglich, Bindung nur soweit als nötig, dafür aber umso mehr Geistpflege – ist, so wie ich das sehe, künftig wohl allein fähig, als Dreikönigsgestirn die moderne Menschheit wieder nach Bethlehem zu führen, wo es über dem Stall stehen bleibt, bis alle, die von ihm dorthin geführt werden, niederknien und anbeten.
Ich glaube, wenn später gelehrte Fachleute einmal die Zeitgeschichte schreiben, und wir dürfen darinnen lesen, was aus dem kleinen Pflänzchen geworden ist, das hier in das Erdreich gesenkt wurde, und wenn wir wahrnehmen, wieviel Wesentliches von unserem Heiligtum aus zur Rettung der Zeit beigetragen worden ist: dann wundern wir uns, dass wir einfältige und schlichte Menschenkinder die Mitträger dieser großen Erneuerungsbewegung gewesen sind, oder dass so ganz aus der Stille, aus der Einsamkeit scheinbar fast von selber Dinge geworden und gewachsen sind, wonach die heutige Zeit sich sehnt, wie der Verdurstende nach dem erfrischenden Wasser.
Sie wissen gar nicht, dass und in welchem Masse Sie selber einen ganz neuen Typ Mensch darstellen. Es waren jetzt wieder viele fremde Geistliche hier zu Kursen, darunter auch ältere Herren. Eben traf ich noch einen davon. Er gehörte zur ganz alten Generation. Es sagte zu mir: Was sind denn das für Schwestern? Die habe ich noch nie gesehen. Dann setzte er im Einzelnen auseinander, was ihm bei Ihnen aufgefallen und was er anders bei Ihnen als bei anderen Schwestern gefunden hat. Ich wiederhole: Das alles halten wir einfach für selbstverständlich. Es ist aber keineswegs selbstverständlich. Aus allem mögen wir schließen, von welch großer Bedeutung es ist, dass wir unsere Erziehungsgrundsätze unentwegt festhalten. Freilich ist es gleicherweise von großer Wichtigkeit, dass der liebe Gott uns Schwestern schickt, die die Fähigkeit haben, in der Schwesternerziehung diese Grundsätze erleuchtet anzuwenden. Wenn ich an diese großen Zusammenhänge denke, dann möchte ich Ihnen viel, viel erzählen. Ich will es aber einstweilen doch nicht tun, will viel lieber die Zukunft sprechen lassen. Sie mag ein letztes Urteil über uns und unsere Erziehungsweise fällen.
Ich bin aber noch nicht am Ende mit meiner Zukunftsschau. Ob sich der Schleier nicht noch mehr enthüllen lässt? Ob nicht das Wort vom Schatten des Heiligtums uns noch größere Aufgaben zuweist? Ob es gelingt, aus Vergangenheit und Gegenwart Zukunftsperspektiven zu gewinnen? So lassen Sie mich denn noch einen letzten Aufstieg auf hohe und höchste Zeitenwarte wagen.
Der Hauptgegner der Kirche in der heutigen Zeit ist der sozialistische (oder kollektivistische) Geist. Ich sage nicht einmal der Sozialismus, sondern der sozialistische Zeitgeist. Dieser Geist findet sich nicht nur im Sozialismus, sondern auch zum großen Teile im Kapitalismus. Mir scheint, dass wir in absehbarer Zeit auch (in größerem Ausmaße) in den Kampf mit dieser urgewaltigen Zeiterscheinung eintreten müssen. Fürchten Sie nicht: Sozialismus und Kapitalismus, und wie alle diese Zeitkrankheiten heißen mögen! Sie sind von Gott zum Wohle der Kirche zugelassen. Sie haben eine große Aufgabe. Und wir sind berufen, diese Aufgabe mit an erster Stelle lösen zu helfen. Denken wir richtig, lebt in uns der Geist unserer Familie, dann dürfen und wollen wir uns freuen, dass wir in einer Zeit leben, in der die Kirche von so viel Kämpfen umbrandet ist. Angst brauchen wir nicht zu haben: letzten Endes steht der Sieg auf unserer Seite. Es ist ja Sache Gottes und der lieben Gottesmutter, der wir dienen. Ohne diese Aufrüttelungen schweben wir ständig in Gefahr, einzuschlafen oder einzuschläfern. Gott sei Dank, dass deshalb die großen Zeitströmungen, die zu überwinden sind, uns nicht zur Ruhe kommen lassen. Lebe ich persönlich mitten im geistigen Gewoge der heutigen Strömungen, sehe ich dabei den Teufel in hervorragender Weise am Werke, dann kann ich auch – selbst wenn ich durch Mauern von der Öffentlichkeit getrennt bin – nie einsam sein: die ganze Welt wogt an meinem Geiste und an meinem Herzen vorbei und möchte dort eine Heimat finden. So können auch wir vom Hintergrunde aus in echter Frauenart die Weltgeschicke mitleiten. So haben wir es ja von Anfang an getan.
Ist das alles nicht etwas überaus Großes? Darf ich nicht sagen: jetzt bin nicht ich der «große Prophet» gewesen. Das sind unsere Virgo-Mater-Kinder. Ich lese nochmals den Text aus der «Himmelspost»: «Meinen Segen werde ich reichlich dazu geben, und ich bin gerne bereit, den 18. Oktober 1929 zum Ausgangspunkt von weiteren 15 gnadenvollen Jahren zu machen.» Ich darf sicher annehmen, dass diese Worte jetzt besser verstanden werden.
Wir haben versucht, in die vermutliche Entwicklung unserer Familie in den folgenden 15 Jahren tiefer hineinzuschauen. Was wir gefunden haben, mag unser Herz froh stimmen. Es ist aber auch geeignet, uns eine zweite Frage auf die Lippen zu legen. Sie lautet: «Was können wir denn hier und jetzt oder unter den augenblicklichen Verhältnissen tun, um die Entwicklung nach den angegebenen Richtungen zu fördern und so das Wort vom Schatten des Heiligtums zu verwirklichen?» So wird die Zukunftsfrage durch eine Gegenwartsfrage abgelöst.
Die Antwort, die wir suchen, steht bereits im Brief aus dem «Bundeshimmel». Da heißt es ja: «Wie würden sie sich freuen, wenn ihnen heute im Kapellchen eine ähnliche Gnadenstunde bereitet würde wie damals den Sodalen. » – Eine Gnadenstunde! Sie dürfen keinen großen Wirbel von dieser Stunde erwarten. Weil wir Schwestern der lieben Gottesmutter sind, geht alles in uns und um uns still und besinnlich vor sich. Trotzdem glaube ich, dass die Stunde, die wir jetzt miteinander verleben, einen tiefen Einschnitt sowohl in unser persönliches Seelenleben als auch hinein in die Familiengeschichte bedeutet. Die «Himmelspost» spielt ja auf das Gnadenkapital an. Sie wissen selber nicht – und es ist gut so -, wie der liebe Gott und die liebe Gottesmutter durch Sie als Schwestern im Hintergrunde bisher die Gesamtfamilie in hervorragender Weise gelenkt und geleitet haben. Ich glaube klar und sicher unterirdische Gnadenströmungen zu sehen, die Fernstehenden unbekannt sind, die durch Ihre hochgemuten Beiträge zum Gnadenkapital unausgesetzt gespeist werden. Ich bin überzeugt, dass wir als Marienschwestern infolgedessen die allerwichtigste Aufgabe für die Zukunft der Geschichte – wenigstens für die nächste Zukunft – bekommen haben und zu lösen berufen sind. Ich frage Sie: Wie nennen wir uns? Oder: Wie heißt die Überschrift in der Himmelspost? Antwort: «Lieber Vater meiner Schwestern». Hören Sie noch einmal: «meiner Schwestern». Wer schreibt das? Die Gottesmutter! Ich bin ganz stolz, dass ich persönlich so angeredet werde: «Lieber Vater meiner Schwestern». Wessen Schwestern sind Sie also? Schwestern der lieben Gottesmutter! Was den Titel Marienschwester uns so heimelig gemacht hat, ist der Gedanke, der hier wiederklingt. So verstehen wir auch, dass die Bedeutung der lieben Gottesmutter für die Welterlösung in einem gewissen Sinne und bis zu einem gewissen Grade die Bedeutung «ihrer» Schwestern für die Hineinleitung der Erlösungsgnaden in die jetzige Zeit für die nächsten Jahrhunderte andeutet. Das dürfen Sie als Marienschwestern, als Schwestern der lieben Gottesmutter nie vergessen. Schwester der Gottesmutter sein heißt, nach ihrer Art, nach ihrem Vorbilde die Welt erlösen helfen…
Sie erwarten gewiss nicht von mir, dass ich stehen bleibe und Ihnen etwas Neues vom Gnadenkapital sage. Ich meine, wir dürften erklären: die Gottesmutter hat sich in ihrer Art vollkommen erschöpft im Sammeln von Beiträgen für das Gnadenkapital. Das war gleichzeitig ihr Beitrag zur Welterlösung. Sie hat sich in einem gigantischen Opfer- und Gebetsleben geheimnisvoll oder mystisch dem Heiland am Kreuze (als seine Dauerhelferin) angeeint (77). Auf Ihre Beiträge baue und vertraue ich in all meinem Arbeiten und Planen. Gerne gebe ich zu, dass die Arbeiten, die die Verhältnisse mir aufbürden, zumeist mehr als menschlich sind: sie sind un- und übermenschlich. Und trotzdem tue ich das alles mit der größten Selbstverständlichkeit. Weshalb? Weil ich überzeugt bin, dass ich von dem Strome getragen werde, der durch Sie, durch Ihr Gebets- und Opferleben hier vom Kapellchen ausgeht.
Ich habe in den letzten Tagen still für mich – wenn ich unsere gesamte Lage auf mich wirken ließ, gedacht: was wir bisher miteinander getan, was wir gelitten und erstritten, ist sicher etwas überaus Großes und Schönes und Tiefes. Nächst Gott weiß niemand besser als ich, wie die einzelnen aus unserem Schwesternkreise gerungen um Gottverbundenheit, aber auch gleichzeitig um Ichentbundenheit oder um mystisches Sterben. Mir scheint, aufgrund dieser Tatsache müssten die nächsten 15 Jahre eine Großzahl unserer Schwestern weiterführen auf der Stufenleiter der Gebetsgnaden. Wie hoch, wie weit das geschehen kann und soll: das weiß ich nicht. Lesen Sie bitte einmal nach, was ich da und dort von den Gebetsgnaden der hl. Theresia gesagt habe. Mir scheint – lassen Sie mich das wiederholen -: wir, die wir als Schwestern das Gnadenkapital bis an den Rand zu füllen uns bemühen: wir müssten in den nächsten 15 Jahren um tiefe, ernste Gebetsgnaden ringen und beten lernen. Die hl. Theresia übte sich 22 Jahre lang, bis der liebe Gott sie ganz nahe an sich zog. Schenkt Ihnen Gott eine ähnliche Gnade, zieht er Sie ganz tief an sich und macht er auf solche Weise Sie in einem tieferen Sinne zu Schwestern der lieben Gottesmutter: dann haben Sie die größte Aufgabe erfüllt, die man sich denken kann. Das alles sage ich nicht, weil es da und dort in gelehrten Büchern steht, sondern ich lese es aus den Gnadenführungen heraus, die der Hl. Geist Ihnen angedeihen lässt.
Ich gehe noch einen Schritt weiter und erkläre: wenn der liebe Gott der Bewegung nicht eine Anzahl reiner Mädchenseelen schenkt, die sich in beständigem Opferleben für die Bewegung selber ganz verzehren, die aber auch mit allen Fäserchen ihres Herzens dem Heiland als Bräutigam vermählt sind und so den Weg zum Vater gehen: dann glaube ich nicht, dass die Bewegung die Zukunftsaufgabe hat und zu lösen fähig ist, die wir von ihr erhoffen.
Das alles sage ich Ihnen nicht bloß, weil ich Sie persönlich als Mensch gern habe – auch aus diesem Grunde könnte ich Ihnen Tag und Nacht zur Verfügung stehen; nein, das sage ich auch aus einem anderen Grunde: weil ich im Organismus der großen Zeitaufgabe, die die Gottesmutter von ihrem Heiligtume aus lösen will, jede einzelne von Ihnen wäge und schätze, oder weil ich im Organismus der großen, der gewaltigen Zeit- und Weltaufgaben unsere Familie, unsere Schwesternfamilie richtig einschätze.
[…]
Soweit der Vortrag.
An sich wäre es überaus reizvoll, die hier niedergelegten Gedanken aus der damaligen Situation heraus verständlich zu machen und die angeschnittenen Ideengänge bis auf den heutigen Tag zu verfolgen. Wie stark sich in der Folge die Priester um Schönstatt geschart haben, dürfte noch frisch in Erinnerung sein. Nicht umsonst nannte Prälat Wolker Schönstatt die Tankstelle für den modernen Priester. Tatsächlich gehörte es eine Zeit lang fast zum guten Ton, als zeitaufgeschlossener Priester einen Kurs dort mitgemacht zu haben. Soweit ich mich erinnere, gab es Jahre, in denen rund der zehnte Teil des gesamten deutschen Klerus von dort seine geistige Nahrung und Ausrichtung bezog. Auch die Zahl der Ordensleute, die sich dort regelmäßig einfanden, wuchs zusehends …
Wertvoll ist es ferner, den Wegen nach zu tasten, die in Schönstatt beschritten wurden, um den neuen Frauen- und Männertyp zu verwirklichen, der mir von Kindheit an als Ideal vor Augen schwebte. Doch das alles mögen spätere Geschichtsschreiber genauer durchforschen und wahrheitsgetreu festhalten. Zusammenfassend sei hier wenigstens das eine festgestellt: es besteht kein Zweifel, dass die Gottesmutter als vollendetes Gegenstück zur Fabrik des kollektivistischen Menschen in Schönstatt eine Werk- und Heimstatt des echten Schönstattmenschen aufgemacht hat.
Schönstatt-Lexikon Online: Schönstatt, Struktur
(75) „Pia Societas Missionum“, PSM, war ein Name, der den Pallottinern kurz nach dem Tod Vinzenz Pallottis (9.4.1854) von Pius IX aufgezwungen wurde, weil doch die Kirche selbst die „Gesellschaft vom katholischen Apostolat“ sei. Erst im Jahre 1946 wurde der Name wieder geändert in das, was die Pallottiner in der Intention des Gründers waren: SAC: Societas Apostolatus Catholicus.
(76) Es handelt sich um die Gründung einer Schwesterngemeinschaft des seligen Pallottiner Paters Panzer – deshalb auch Panzerschwestern genannt – in Bosweiler, die kirchenrechtlich dem „Katholischen Apostolat“ der Pallottiner angeschlossen waren. Das Generalkapitel der Pallottiner hatte inzwischen ein Verbot erlassen: Kein Pallottiner darf mehr eine Frauengemeinschaft gründen. Damit war auch der Plan P. Kentenichs, die Schönstätter Marienschwestern zu gründen, blockiert. Am 31.3.1926 starb P. Panzer.
P. Kentenich wurde gebeten, sich um die Bosweiler Schwestern zu kümmern. Er nahm sich dieser Aufgabe an in der Hoffnung, diese Gruppe der Schwestern mit dem schon begonnenen Ansatz in Schönstatt vereinigen und in die schönstättische Spiritualität überführen zu können. Und damit wäre keine Erlaubnis für eine neue Gründung notwendig gewesen. Der Versuch der Integrierung schlug fehl. Die Leitung der Bosweiler Schwestern trennte sich daraufhin von den Pallottinern und wurde eine diözesanrechtliche Gemeinschaft mit dem Namen Hildegardis Schwestern.
Eine Gruppe der Bosweiler Schwestern schlug sich allerdings auf die Seite Schönstatts. Und mit dieser Gruppe verblieb dann auch das Recht für einen Pallottiner Pater, jetzt P. Kentenich, eine Schwesterngemeinschaft zu führen und aufzubauen. So die verschlungenen Wege der göttlichen Vorsehung.
(77) Vergleiche die Betrachtungen P. Kentenichs über Maria als “Diakonin” in Himmelwärts, S. 53, 56f, 95-97.